In Gröpelingen muss sich derzeit der Beirat im Zuge eines Bebauungsplanänderungsverfahrens zu einem umstrittenen Bauvorhaben positionieren. Dabei zeichnet sich nun eine Wendung ab. Denn nachdem sich die Fraktionen des Stadtteilparlaments Ende Februar auf eine fünfseitige Stellungnahme mit 22 Kritikpunkten zu dem Vorhaben verständigt hatten, ist ein Großteil der strittigen Punkte nun im Bauausschuss ausgeräumt worden.
Es geht vier neue Gebäude mit insgesamt 67 Wohnungen, einer Kita und einem Supermarkt mit Tiefgarage, die die Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabeq) an der Ecke Seewenjestraße/Lissaer Straße bauen will. Das Vorhaben namens „Wohnen in Vielfalt 2.0“ soll mit dem bereits realisierten Projekt „Wohnen in Vielfalt 1.0“ auf dem Nachbargrundstück (Seewenjestraße 78-83) ein zusammenhängendes Quartier mit einer grünen Mitte bilden. In der Nachbarschaft gibt es allerdings (wir berichteten) Vorbehalte, die der Beirat in seiner Stellungnahme aufgenommen hatte.
Der Parkdruck nimmt zu
Die größte Sorge: Dass mit weiteren Anwohnern der Parkdruck im Gebiet steigt. Während nämlich aktuell auf dem Supermarkt-Parkplatz rund um die Uhr 100 kostenlose Stellflächen zur Verfügung stehen – die zwar nie öffentliche Parkplätze waren, de facto aber als solche genutzt werden – ist nun im Sinne der Verkehrswende ein autoarmes Quartier mit 20 Tiefgaragenplätzen und weiteren sechs öffentlichen oberirdischen Parkplätzen geplant. Viel zu wenig, wie manche Anwohner und auch Tura-Präsident Dirk Bierfischer überzeugt sind. Der Sportverein, dessen Vereinsgelände an der Lissaer Straße liegt, hat sich mit einer Petition an die Bürgerschaft gewandt, in der er unter anderem vor Gefahren für Sportlerinnen, Kindergartenkinder und Schüler durch mehr Autos und Lkw auf der Lissaer Straße warnt. Mit diesem Themenkomplex will sich der Verkehrsausschuss des Beirats in seiner nächsten Sitzung am 12. Juni befassen.
Gesetzliche Bestimmungen
Ein anderer Punkt, der auch in der Tura-Petition erwähnt wird: Dass der Supermarkt – durch die integrierte Bäckerei mit Café ein beliebter Treffpunkt – sich mit dem geplanten Umzug in eines der neuen Gebäude um 200 Quadratmeter verkleinern müsste. Damit wäre er womöglich nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben und würde am Ende geschlossen, so die Befürchtung.
Hintergrund der Verkleinerung sind die durch die Baunutzungsverordnung und Bremens Zentren- und Nahversorgungskonzept festgelegten gesetzlichen Bestimmungen, erklärt dazu Lars Lemke vom Büro BPW Stadtplanung, das im Auftrag der Behörde das Bebauungsplanverfahren durchführt: „Ein Markt mit einer Fläche von 1000 Quadratmetern ist in einem urbanen Gebiet nicht zulässig, deshalb mussten wir die Fläche auf 800 Quadratmeter begrenzen.“ Für Grünen-Beiratspolitiker Hanspeter Halle birgt der Umzug Chancen: „Man kann dem Nahkauf-Gebäude ansehen, dass es energietechnisch keine Chance hat.“ Wabeq-Geschäftsführer Ernst Schütte geht von niedrigeren Betriebskosten im Neubau für den Marktbetreiber aus. Vielleicht gebe es bei der Größe behördlicherseits noch Spielraum, hofft er: „Wir sind bereit, da nochmal umzuplanen.“
Besondere Beeinträchtigungen kämen nach Ansicht der Ortspolitiker auf die Bewohner der Reihenhäuser an der Bromberger Straße zu, die nördlich an das Baugrundstück grenzen. Ob man dort nicht niedriger – nämlich zwei- statt dreigeschossig – und stattdessen an der Seewenjestraße höher bauen könnte, hatten sie deshalb angeregt. Das mache die Stadtplanung nicht mit, so Lemke. Denn dort orientiere man sich an der Höhe der umliegenden Bebauung – die Häuser an der Bromberger Straße sind einige Zentimeter höher als der Neubau. Architekt Frank Sieber zufolge wäre es auch nicht zeitgemäß, das vorhandene Nahkauf-Gebäude aufzustocken: „Es steht direkt an der Grundstücksgrenze. Das wäre heute baurechtlich unzulässig und unzumutbar für die Nachbarn.“ Tatsächlich würden die Nachbargärten durch den Neubau eine Stunde früher verschattet als bisher, so Lemke: „Das ist städtebaulich vertretbar, da man an dieser Stelle neuen Wohnraum schafft.“
Eine schallabsorbierende Fassade
Eine weitere Befürchtung des Beirats: Dass der Geräuschpegel vor Ort zunimmt. Gutachten zum Gewerbe-, Verkehrs- und Eisenbahnlärm beurteilen den über die Lissaer Straße geplanten Lieferverkehr als unbedenklich, an der Tiefgarageneinfahrt werden Schallschutzmaßnahmen notwendig und der Bahnlärm könnte um einige Dezibel steigen, was aber nicht wahrnehmbar sei. Geplant ist Lemke zufolge eine schallabsorbierende Fassade an einem Gebäude, um die Belastung in Richtung Bromberger Straße zu senken.
Auch in Sachen Entwässerung hat der Beirat Bedenken angemeldet, da seiner Beobachtung nach seit der Fertigstellung von „Wohnen in Vielfalt 1.0“ einige tiefer gelegene Nachbargrundstücke häufiger unter Wasser stehen. Das Umweltressort habe keine Bedenken zum vorgesehenen Entwässerungskonzept geäußert, sagt dazu Lemke. Hier seien wegen der geplanten Kita besonders strenge Maßstäbe angelegt worden.
Als „grundsätzlich positiv“ beurteilten nach zweistündiger Diskussion Hanspeter Halle (Grüne) und Dieter Winge (Linke) das Bauvorhaben. Verhaltener gab man sich bei der CDU und der SPD, deren Fraktionsmitglied Tobias Stehle anmerkte: „Der Parkdruck ist da und es ist ein hoch emotionales Thema, den Leuten ihr Auto wegzunehmen. Und die Infrastruktur – etwa Kita- und Schulplätze – reicht auch nicht für mehr Menschen. Also kann ich hier eigentlich keine Wohnbebauung zulassen.“ Beide Fraktionen enthielten sich bei der Abstimmung darüber, ob sie das Projekt unterstützen.