Das große schwere Rolltor und die hohen Mauern ganz am Ende der Carl-Krohne-Straße im nordwestlichen Zipfel des Naherholungsparks Grüner Bremer Westen machen unweigerlich neugierig: Darauf prangt ein gelbes Unterseeboot, aus dessen Bullaugen fröhliche Tiere gucken. Das Motiv liege wegen des hohen Grundwasserspiegels im Blockland nahe, fanden die Strafgefangenen aus der Bildhauerwerkstatt des Vereins „Mauern öffnen“, die 2015 den Eingangsbereich zum früheren Jugendknast im Blockland neu gestaltet haben.
Hinter dem Rolltor stehen immer noch der alte Wachturm und mehrere Gebäudetrakte – der Jugendknast ist aber schon 2004 aufgegeben worden. Heute ist das weitläufige Gelände ein verwunschenes grünes Idyll. In einem Teil davon – dem „Blocklandgarten“ – wird Gemüse für soziale Einrichtungen wie die Bremer Suppenengel angebaut.
Neben Wildblumenwiesen und Beerensträuchern wachsen dort in Gewächshäusern und unter freiem Himmel Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Pastinaken, Schwarzkohl und sogar Artischocken – alles bio, wie Betriebsleiterin Karin Lippold erzählt: „Wir arbeiten komplett ohne Gifte und versuchen stattdessen unter anderem, Pflanzen zusammenzusetzen, die gute Nachbarn sind. Oder wir machen Unterpflanzungen, Salbei zum Beispiel schützt vor dem Kohlweißling.“ Rund um die Obstbäume sind außerdem Hühner im Einsatz: Sie picken Maden auf, die somit nicht in den Früchten landen.
Als Schutz vor Fressfeinden kommen auch Netze zum Einsatz, ergänzt Anleiterin Rebecca Runge: „Unser Gemüse bedeutet mehr Aufwand, weil es in echter Erde wächst. Und die Form ist vielleicht nicht immer perfekt, es schmeckt aber!“ Das fanden wohl auch die Rehe, die bis vor einiger Zeit zu den heimlichen Besuchern des Areals zählten, wie Lippold erzählt: „Die wussten sofort, wann hier Feierabend ist. Wenn man dann doch mal länger geblieben ist, stand plötzlich mitten im Hof ein Reh und beide – Mensch und Tier – haben sich total erschrocken. Es hat etwas gedauert, bis wir alle raus hatten, denn sie hatten sich gut versteckt. Jetzt haben wir Bauzäune aufgestellt, sodass sie nicht mehr reinkommen.“
In hoch offizieller Mission wiederum leben im Blocklandgarten außer den Hühnern auch Laufenten, Schafe, Gänse, Katzen und Bienen, die bei Landschaftspflege, Bestäubung und Schädlingsbekämpfung helfen und biologischen Dünger produzieren, wie Anleiter Björn Kastens erzählt: „Wir brauchen ihre Arbeitskraft. Und außerdem sind sie gut für die Seele.“
Der Blocklandgarten wird vom Jobcenter, dem Land Bremen und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert; um die Tiere und die Aussaat, Pflege, Ernte und Saatgutgewinnung kümmern sich langzeitarbeitslose Menschen und Menschen, die über das Bras-Projekt „Arbeit und Integration“ bei der Zusammenarbeit mit deutschsprachigen Beschäftigten Deutsch lernen wollen. „Wir tauschen Gemüse gegen Aufmerksamkeit und Anerkennung“, sagt Lippold. Denn für einige Beschäftigte sei es eine neue und schöne Erfahrung, Besuchern auf dem Gelände etwas zeigen und ihr Wissen über Natur und Gemüseanbau an diese weitergeben zu können. Wer sich auf einen der 20 Plätze bewerben wolle, brauche dabei aber keinen grünen Daumen, so Lippold, die sich am allermeisten eines wünschen würde: „Dass die Menschen hier bis zur Rente bleiben dürfen.“
Denn nach aktueller Gesetzeslage können Teilnehmer innerhalb von fünf Jahren nur 24 beziehungsweise – in Ausnahmefällen – 36 Monate an Beschäftigungsmaßnahmen teilnehmen. „Dann muss man wieder zum Jobcenter“, so Lippold, die dies sehr schade findet: „Man hat die Menschen aufgebaut, irgendwann kommen dann die Probleme auf den Tisch – und dann müssen wir sie wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen.“
Auch wenn der Blocklandgarten von Mauern und Wasser umgeben ist – Besucher sind ausdrücklich willkommen. Zum Beispiel Schulklassen, die dort auch mal laut sein und vor allem die Natur erleben können, erzählt Lippold: „Hier sehen sie erst mal, wie das Essen aussieht, bevor es in der Mikrowelle oder in der Dose landet.“ Regelmäßig kommt auch eine Gärtnergruppe für Menschen mit Behinderungen auf das Gelände. Ein Kunststudent hat außerdem den Blocklandgarten für sich entdeckt, um dort inmitten der Natur zu zeichnen.
Bislang kommt man nur nach Voranmeldung auf das Gelände. Im Umweltressort gibt es aber schon lange die Idee, das Areal zu öffnen und einen durchgehenden Radweg von der Carl-Krohne-Straße ans Maschinenfleet und von dort aus nach links bis zur Ritterhuder Heerstraße und nach rechts bis zur Waller Straße einzurichten. „So lange ungewiss ist, wie mit den einsturzgefährdeten ehemaligen Zellentrakten umgegangen werden soll, ist eine Wegeverbindung über das Gelände leider Zukunftsmusik“, sagt allerdings Lisa Hübotter, die das Projekt Grüner Bremer Westen im Umweltressort leitet. Auf ihre Initiative hin ist das Blocklandknast-Areal mittlerweile im Fokus des Integrierten Entwicklungsprojekts (IEK) Gröpelingen. „Wir fördern den Naherholungspark Grüner Bremer Westen mit 1,2 Millionen Euro und haben im Rahmen des IEK verschiedene Projekte, die auf die Anbindung an Gröpelingen zielen“, sagt Jan Casper-Damberg, der als Abschnittsleiter Stadterneuerung im Bauressort die Umsetzung der IEK-Projekte organisiert. „Eines dieser Projekte ist eine Machbarkeitsstudie zur Nachnutzung des JVA-Geländes. Sie soll aufzeigen, wie kostspielig die verschiedenen Möglichkeiten sind.“
Eine kurzfristige Nutzung des Geländes etwa für Festivals oder andere Veranstaltungen ist Casper-Damberg zufolge schwierig, wie auch die Zwischenzeitzentrale (ZZZ) dem Ressort bestätigt habe: „Der Aufwand ist zu hoch, da das Gelände stark zugewachsen ist und es dort viele Altlasten wie zum Beispiel Nato-Stacheldraht oder Asbest gibt.“ Auch der Umstand, dass irgendwann an der Carl-Krohne-Straße ein kleines Wohngebiet genehmigt worden ist, schränke die Nutzungsmöglichkeiten nun ein. Langfristig solle aber auf jeden Fall etwas mit dem Gelände passieren, so Casper-Damberg: „Das ist ein ganz wichtiges Projekt. Da könnte man sich ganz viel vorstellen.“ Auch Karin Lippolds Fantasie wird von dem Areal förmlich beflügelt. Für sie wäre eine Kurbelfähre rüber ins Blockland eine tolle Bereicherung oder auch ein Badestrand am Maschinenfleet.