Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kurzfilmabend im City 46 Gröpelinger Gesichter auf der Kinoleinwand

Was bewegt die Menschen in Gröpelingen? Wie blicken sie auf ihren Stadtteil? Ein Kurzfilmabend im Bremer Kommunalkino City 46 lädt dazu ein, Vorurteile zu überdenken.
14.04.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Gröpelinger Gesichter auf der Kinoleinwand
Von Anne Gerling

Gesichter aus Gröpelingen auf der Kinoleinwand, das gibt es nicht tagtäglich zu sehen. Aber am Dienstag, 22. April: Dann nämlich werden in einem Bremer Kino mehrere Filmskizzen gezeigt, die in Gröpelingen spielen beziehungsweise von Menschen erzählen, die dort leben. „Mit unserem Kurzfilmprogramm wollen wir die Stimmen der Menschen aus Gröpelingen mitten in das filmische Herz Bremens, das städtische Kommunalkino City 46, tragen“, sagt Filmemacher Julian Elbers aus dem Bremer Ostertor, der die Veranstaltung gemeinsam mit der Bremer Ethnologin Martina Grimmig und dem aus der Uckermark stammenden Filmemacher Sebastian Eschenbach organisiert hat.

Julian Elbers ist 2017 aus dem Ruhrgebiet nach Bremen gekommen, um hier Kunst- und Filmwissenschaft zu studieren. Damals sei er oft mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, um die Stadt zu erkunden, erzählt er: „Und am wohlsten habe ich mich eigentlich in Gröpelingen gefühlt, weil es so nah ans Ruhrgebiet kam. Der Strukturwandel durch den Wegfall von Stahlproduktion und -weiterverarbeitung in den 1980er-Jahren, Wegzug und Zuzug.“ Über den Verein Kultur im Turm, bei dem Elbers zuvor in Oberhausen tätig war, kam er hier in Kontakt mit dem Gröpelinger Verein Kultur vor Ort, wo er als Praktikant anfing und schließlich die Videowerkstatt leitete.

Das Thema, das der freie Filmemacher und Medienpädagoge vor Längerem für sich entdeckt hat: Stadtentwicklung. „Fragen wie: Was wünschen sich die Leute? Wo drückt der Schuh? Damit hatte ich schon in Oberhausen angefangen“, erzählt der 33-Jährige, der mit zwölf in einem Workshop erste Schritte in Richtung bewegte Bilder unternahm und mittlerweile seit 20 Jahren Filme macht. Und dies immer wieder gerne in Gröpelingen. Denn, so Elbers: „Ich habe zwar nicht alle Stadtteile in Bremen ausprobiert. Aber ich habe das Gefühl, dass es in Gröpelingen viele offene Türen gibt – und Leute, die Lust haben, sich auf Sachen einzulassen.“ Das Win-Forum zum Beispiel, in dem Anwohner und Trägervereine basisdemokratisch über die Vergabe von Fördermitteln an verschiedene Projekte im Stadtteil entscheiden, findet Elbers „grandios“. Und auch der Kontakt mit Schulen und verschiedenen Trägern im Stadtteil gefällt ihm gut: „Deshalb bin ich auch dabeigeblieben.“

Am 22. April zeigt Elbers im City 46 seinen 2020 entstandenen Bachelor-Abschlussfilm „Video und Subalternität“, der bislang noch nie öffentlich zu sehen war. „Subaltern, das sind die unsichtbaren anderen, die in der Berichterstattung nicht auftauchen und deren Stimmen nicht hörbar sind“, erklärt Elbers den Filmtitel: „Ich habe mich gefragt, wie ich diese Menschen sichtbar machen kann und wie es für sie ist. Was für sie gut ist oder schlecht.“ Ein Beispiel: Der Polizeieinsatz im Sommer 2020 in einer Wohnanlage im Ohlenhof-Viertel, bei dem ein psychisch kranker Bewohner getötet wurde. Ein Interview mit den Hinterbliebenen brachte den Filmemacher damals ins Grübeln, unter anderem über das Thema Vorurteile: „Hätte Mohamed I. woanders gewohnt, wäre er reich gewesen oder weiß – hätte es dann auch solch einen Polizeieinsatz ohne einen Gerichtsbeschluss gegeben?“

Voriges Jahr bei einer Ausstellungseröffnung mit Filmvorführung auf dem Bürgermeister-Ehlers-Platz entwickelten Elbers, Martina Grimmig und Sebastian Eschenbach schließlich einen Plan. Eschenbach und Grimmig hatten im Rahmen eines Gröpelingen-Forschungsprojekts Gröpelingerinnen und Gröpelinger vor laufender Kamera interviewt. „Ich habe mir das angesehen und war sehr begeistert“, sagt Elbers. Und kurz darauf war die Idee geboren, diese und andere Filmskizzen aus und über Gröpelingen im Kino zu zeigen – etwa auch den Film „Bond“, den die Performance- und Videokünstlerin Anna Witt 2023 gemeinsam mit Gröpelinger Jugendlichen für die Ausstellung „Generation*. Jugend trotz(t) Krise“ in der Kunsthalle Bremen produziert hat und den Elbers vor zwei Jahren auch im „Reisenden Freiluftkino“ vorgeführt hat.

Elbers hängte sich rein und konnte über das Kulturressort Fördermittel für das Vorhaben beschaffen. "Die dokumentarischen Filme sollen zum Überdenken der eigenen Vorurteile einladen", sagt er. Warum ihm dies so am Herzen liegt? „Weil Gröpelingen so viel in Negativschlagzeilen erzählt wird. Oft sind es Polizei-Pressemeldungen, die in den Medien Niederschlag finden. Doch was ist mit den superdiversen Bewohnerinnen und Bewohnern, dem friedvollen Zusammenleben zwischen den Gemeinschaften der über 70 aktiv gesprochenen Sprachen und den über 30 Prozent Kindern und Jugendlichen in Gröpelingen?“

Aus eben diesen Gründen sei der Stadtteil auch für sie ein so spannendes Forschungsfeld, sagt Ethnologin Martina Grimmig von der Bremer Uni: „Aber auch vor dem Hintergrund, dass es da ganz viele Zuschreibungen gibt, die eine gesunde Wahrnehmung behindern. Gröpelingen produziert wahnsinnig viele Bilder und ist ein Ort, wo es viele Projektionen gibt. Es ist über den Hafen eng mit Bremens Identität verbunden und ich denke es ist lohnenswert, auch einmal die Perspektive des Stadtteils einzunehmen. Bremen also gewissermaßen von den Rändern her zu denken und zu begreifen und nicht nur vom Zentrum aus.“

Info

Die fünf Kurzfilme aus und über Gröpelingen mit einer Gesamtspielzeit von 65 Minuten sind am Dienstag, 22. April, ab 17:30 Uhr im Kommunalkino City 46, Birkenstraße 1, zu sehen. Der Eintritt ist frei. Alle Filmemacherinnen und Filmemacher sowie verschiedene Protagonisten und Gäste aus Politik und Verwaltung sind anwesend. Im Anschluss findet eine moderierte Diskussion im Saal 1 des Kinos statt.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)