Eine Partie Schach auf dem Smartphone, oder doch lieber Mensch ärgere dich nicht? Klassische Brettspiele lassen sich in der digitalen Welt mit einem Click aufbauen, Mitspieler braucht man nicht unbedingt – die findet die App für einen. Dass analoge Spiele ins Digitale übersetzt werden, ist schon längst keine Besonderheit mehr. Doch wie wäre es mal andersherum? Mit dieser Idee ist das „mobile Kindermedienatelier“, kurz Moki-Media, das die Medienkompetenz von Kindern fördern möchte, in die Projektreihe „Games go wild!“ gestartet. Videospiele, die die Kinder kennen, sollen hier in „wilde“ analoge Spiele umgewandelt werden. Und wild meint hier vor allem eines: bewegungsreich und spaßig!
Zwei große Sporthallen des SV-Grambke-Oslebshausen (SVGO) stehen den Kindern für die kreative Spielentwicklung zur Verfügung. An diesem Wochenende, dem bereits dritten von insgesamt acht Wochenendworkshops, haben fünf Jungs im Alter von zehn bis 14 Jahren das Videospiel „Among us“ zu einem gemeinschaftlichen Abenteuerspiel gemacht. Auch im Original lässt sich das Spiel zwar nur mit mehreren Spielern spielen, doch diese können alle von ihrem jeweiligen Zuhause aus am Spiel teilhaben – echte Gemeinschaft entsteht da eher nicht.
Simples Grundprinzip
Das Grundprinzip des digitalen Spiels ist relativ simpel, aber die Übersetzung ins Analoge kann durchaus von Höhen und Tiefen begleitet sein, erläutert Medienpädagoge Pierre Hansen von Moki-Media: „Zunächst haben wir daher geschaut, welche Elemente im digitalen Spiel vorkommen und diese in einer Farbe notiert. In einer anderen Farbe haben wir dann überlegt, wie das hier in den Sporthallen aussehen könnte.“
Beim Spiel „Among us“ ging es zunächst um die Räumlichkeiten, denn digitaler Spielort ist ein Raumschiff. Kurzerhand wurden daher alle zur Verfügung stehenden Räume in Orte des Raumschiffs umfunktioniert: Der Geräteraum als Cockpit, die Cafeteria wurde bei den Bänken in Halle eins platziert, selbst die Umkleidekabinen wurden mit eingebunden. Nachdem das Raumschiff mit reichlich Raum für Bewegung eingerichtet war, wurde weiter getüftelt.
Aus Müll werden Bälle
Die Crewmitglieder müssen nämlich verschiedenste Aufgaben erledigen. Im Original bedeutet das etwa, dass sie Asteroiden abschießen oder Müll sortieren müssen – Aufgaben, die die Kinder für die analoge Spielwelt umgedacht haben. Das Asteroidenabschießen wurde zum Dosenwerfen, statt Müll wurden Bälle nach Farben sortiert. Außerdem entstanden zahlreiche neue, kreative Aufgaben: Muster legen, Puzzeln, Umzugskisten stapeln; auch ein „heißer Draht“ wurde gebaut.

Kabel zusammenzustecken, war kein echtes Problem für die Teilnehmer.
Ganze 21 Aufgaben haben sich die jungen Spieler ausgedacht. Diese in möglichst kurzer Zeit zu erledigen wäre schon Challenge genug, doch der richtige Nervenkitzel kommt bei „Among us“ erst durch den gefährlichen Impostor. Der Impostor – eine Art Verräter – versucht, die Crewmitglieder zu töten. Dafür muss er in einem unbeobachteten Moment kleine Klebezettel auf den Crewmitgliedern anbringen. Nach dem Auffinden eines getöteten Crewmitglieds wird ein Notfallmeeting einberufen. Dann gilt es, gemeinsam herauszufinden, wer der Impostor sein könnte: Wer hat nur vorgetäuscht, die Aufgaben zu erledigen? Wem kann man trauen, wem nicht?
Soweit die Theorie. Was das an Spannung im echten analogen Spiel bedeutet, wurde dann schnell in einer Spielrunde deutlich. Die konnten die Kinder kaum erwarten, so groß war die Begeisterung für das selbst entworfene Spiel. Und wenn schon mal jemand vom STADTTEIL-KURIER da ist, spielt er natürlich mit. Wie es denn so kommt, zog die Reporterin direkt die Karte des Impostors und hatte nun die schwierige Aufgabe, möglichst unauffällig die kriminellen Machenschaften auszuführen.

Wer der Impostor sein könnte, wurde in der Runde duskutiert.
Während die Crewmitglieder geschäftig ihre Aufgaben erledigten, musste der Impostor sie genau dann abpassen, wenn sie gerade allein in einem der Räume waren. Gar nicht so einfach. Und schon beim ersten Notfalltreffen fiel der Verdacht auf die Frau von der Zeitung. Doch auch nach der zweiten Diskussion herrschte noch keine Einigkeit unter den Crewmitgliedern. Verschiedenste Verdächtigungen wurden geäußert, doch gut verteidigt wurde ebenfalls. Erst nach einiger Zeit waren sich die Crewmitglieder einig und entlarvten die „Verräterin“ endgültig. Damit hatten sie das Spiel gewonnen.
Große Begeisterung
Beeindruckt, wie gut das Spiel funktioniert hatte, war die große Begeisterung der Jungs nachzuvollziehen. „Echt cool“, war der eindeutige Tenor unter den Spielern. Statt allein vor dem Computer zu sitzen konnten sich die Kinder hier so richtig austoben und dabei kreativ werden.
„Es geht um die Bewegungsförderung, aber auch um Spielentwicklung und beispielsweise die Reflexion eigener Spielvorlieben- und Gewohnheiten“, erklärt Tatjana Blaar, ebenfalls Medienpädagogin im Team von Moki-Media. „Games go wild!“ ist das erste „Kultur macht stark“-Projekt des Vereins. Die Initiative wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Bündnispartner sind die Gesamtschule West und der SVGO. Das Projekt ist außerdem Teil des Programms „Spielen macht stark! – Erforschen, Gestalten und Aneignen“ des Vereins „Spielmobile“. „Zu dem Projekt gehört auch, dass die Kinder hier rundum versorgt sind. Wir stellen Stärkungen für zwischendurch.“, sagt Blaar.
Nächstes Projekt: „Squid game“
Dass die Kinder hier eindeutig im Mittelpunkt stehen, wurde auch am Ende des Workshops deutlich. Die Vorschläge über das Spiel des nächsten Workshops kommen von den Kindern. Das Abstimmungsergebnis: Im nächsten Workshop, der am 5. und 6. Juli stattfindet, wird „Squid game“ gespielt.
Das Projekt findet jeweils von 14 bis 18 Uhr in der mobilen Halle von SVGO, Sperberstraße 3-5, statt. Sonntags gibt es um 18 Uhr immer eine Präsentation des entwickelten Spiels vor den Eltern. Weitere Termine und ein Formular zur Anmeldung für die kostenlosen Workshops finden sich online auf www.mokimedia-bremen.de. Eingeladen sind Kinder zwischen zehn und vierzehn Jahren.