Natürlich mussten die Verbandsliga-Handballerinnen des SV Grambke-Oslebshausen ihr obligatorisches Jubelbild schießen. Das von höchst prominenter Seite gewünschte Party-Video, das sein Team anschließend lauthals singend in der Umkleidekabine drehte, lieferte der SVGO-Trainer Thies Libchen gleich mit – das war ja Ehrensache. Er platzte nach dem 30:19 (14:9)-Derbysieg gegen die SG Findorff sowieso nur so vor stolz und strahlte, als wolle er das triste, neblige Wetter vor der Halle ganz alleine wegschieben.
Aber was war das auch für ein Match, das die Gelb-Blauen in der proppenvollen Alwin-Lonke-Halle geliefert hatten. Rund 175 Zuschauer sorgten in der Arena für eine traumhafte Kulisse. Alle wollten „das Derby aller Derbys, noch heftiger als Kiel gegen Flensburg“ sehen, wie es Christian „Blacky“ Schwarzer im Vorfeld per Videobotschaft spaßig formulierte. Der frühere deutsche Nationalspieler war einer von drei namhaften Einpeitschern gewesen, die Thies Libchen seiner Mannschaft unter der Woche häppchenweise per Video serviert hatte, um ihren Appetit auf das Derby zu wecken.
Am Dienstag spornte der Nationalspieler Timo Kastening die Gelb-Blauen direkt von der Weltmeisterschaft aus Dänemark an, im Hintergrund unterstützte David Späth, auch Nils Lichtlein und Johannes Golla waren kurz zu sehen. Donnerstag sprach SC Magdeburgs Bundesliga-Coach Bennet Wiegert zu den Gastgeberinnen und am Spieltag schließlich „Blacky“ Schwarzer mit der humorigen Bitte, „ein Siegervideo und vielleicht auch noch eine Einladung zur Saisonabschlussfeier zu bekommen“, wenn denn auch noch eine gute Endplatzierung hinausspringe.
Wie Thies Libchen an die prominenten Ansporner herangekommen war und wie er sie zu den Videobotschaften animierte, verriet er nicht. Ihre Wirkung entfalteten sie auf jeden Fall. „Die Videos waren für uns eine super Überraschung und haben unsere Motivation immer mehr gesteigert. Ich weiß gar nicht, wann ich jemals so viel Bock auf ein Spiel hatte“, verriet die SVGO-Linksaußen Alina von Leesen. Bei all dem Budenzauber fiel fast unter den Tisch, dass es mit Melina (SVGO) und Eliza (SGF) Iordanidis ja auch noch ein Geschwisterduell vor den Augen ihrer Eltern gab. Nach Toren gewertet behielt die jüngere Eliza, die auch gegen ihre früheren Mannschaftskameradinnen antrat, mit 1:0 knapp die Oberhand über ihre Schwester - ein schwacher Trost für die Findorfferin.
Bis zur 10:9-Führung aus Sicht des SVGO blieb das Nachbarschaftsderby eine enge Angelegenheit. Die Gäste hatten im Angriff eigentlich die stärkeren Individualspielerinnen, dafür harmonierten ihre Rivalinnen besser als Team. Letzteres wirkte sich in den verbliebenen sechs Minuten vor der Pause immer mehr aus, in denen sich die Gastgeberinnen erstmals klar auf 14:9 absetzten. Dabei war der SVGO dem Stadtrivalen vor allem in kämpferischer Hinsicht haushoch überlegen, mit der Abkehr von der gewohnten Offensivdeckung zur 6:0-Variante fand er zudem die passende Formation gegen die normalerweise spielbestimmenden SG-Schlüsselspielerinnen: Werder Bremens frühere Zweitligaspielerin Lotta Heinrich (6/1 Tore) und Oldenburgs ehemalige Jugendbundesligaspielerin Cosima Philipsenburg (1).
Dominiert wurde die Partie vom SV Grambke-Oslebshausen aber noch auf einer anderen Position: im Tor. Dort warteten Marlien Willig (im ersten Durchgang) und Juliana Bohlen (nach dem Seitenwechsel) mit einer sagenhaften Fangquote von 50 Prozent auf, womit sie die Nase deutlich vor ihren Findorffer Gegenparts Celine Abeling und Susanne Hämmerling (kamen zusammen auf 21 Prozent) vorn hatten. „Ihnen gehört ein Extralob“, fand auch Thies Libchen.
Findorffs Trainer Thomas Reinberg war mit seiner Mannschaft freilich nicht zufrieden. „Wir waren schlecht und haben nach einer Viertelstunde die Abwehrarbeit eingestellt.“ Ob es an der Atmosphäre in der Halle lag? Der SG-Coach dachte kurz darüber nach und meinte dann: „Wir wussten, was uns erwartet. Aber wir haben Pfostenhandball gespielt“, verwies er auf mehrere krachende Würfe an das Torgestänge.
Die Gastgeberinnen waren indes auch im zweiten Durchgang weiter „on fire“ und erstickten jeglichen Findorffer Widerstand mit der 23:12-Führung im Keim. Das galt auch für die folgenden Sonderbewachungen, die die „Füchsinnen“ zunächst der fünffachen SVGO-Rückraumschützin Sarah Schütte und später zusätzlich der Spielmacherin Franziska Raschdorf (vier Tore) vor die Füße stellten. „Wir waren darauf eingestellt, haben den Sieg erzwungen“, frohlockte Thies Libchen.
Sorgenfalten bereitet ihm allerdings die starke Linksaußen Alina von Leesen, da sie 13 Sekunden vor Ultimo liegen blieb und mit Schmerzen in der linken Wade vom Feld humpelte. Drei Tage später meldete die achtfache Torschützin bereits eine Besserung ihrer Muskulatur. "Ich kann schon wieder laufen, es geht also bergauf." Die zweitbeste Torjägerin der Gelb-Blauen (53 Tore aus zehn Spielen) wird an diesem Sonnabend auch unbedingt gegen den einen Punkt besser dastehenden Dritten TSV Bremervörde (16 Uhr, Alwin-Lonke-Halle) gebraucht
Die auf den sechsten Platz zurückgefallene SG Findorff hat bis zum 9. Februar Zeit, diesen Tiefschlag zu verdauen. Dann steht sie allerdings im heimischen Fuchsbau gegen den Zweitplatzierten VfL Fredenbeck vor einer knackigen Aufgabe.