Bildungsausschusssprecher Martin Reinekehr (SPD) vom Gröpelinger Beirat hat ein Déjà-vu-Erlebnis: Auch im kommenden Schuljahr werden die Schulplätze im Stadtteil nicht für alle neuen Erstklässler ausreichen. Anders als in der Schulstandortplanung vor einem Jahr kalkuliert, müssen nicht 20, sondern 22 Klassenverbände eingerichtet werden. Die Bildungsbehörde möchte deshalb an den Grundschulen Halmerweg und Fischerhuder Straße jeweils einen zusätzlichen Klassenzug aufnehmen. So sei es im gegenseitigen Einvernehmen mit den Schulen entschieden worden, hat die zuständige Schulaufsichtsbeamtin Kerstin Lenz am Mittwoch dem Bildungsausschuss mitgeteilt.
Gab es tatsächlich eine Absprache auf Augenhöhe? Oder doch eher eine Dienstanweisung? Reinekehr hat da so seine Zweifel. Schließlich ist es keine drei Monate her, dass bei der letzten Sitzung des Bildungsausschusses zu hören war, wie alarmierend die pädagogische, räumliche und personelle Situation an den Gröpelinger Schulen ist. Die Idee, diesen ohnehin überlasteten Schulen nun noch zusätzliche Klassenzüge zuzuweisen, können weder Reinekehr noch seine Beiratskollegen nachvollziehen – zumal das pädagogische Konzept der Schulen auf Vierzügigkeit basiert. Reinekehr ist überzeugt: “Wir müssen grundsätzlich die Klassenfrequenzen senken, um den Lehrern die Möglichkeit zu geben, vernünftig und ruhig mit den Kindern zu arbeiten.“
Die Gröpelinger Ortspolitiker fordern deshalb fraktionsübergreifend vom Bildungsressort, die Pläne für die zusätzlichen Klassenzüge zurückzunehmen und stattdessen eine temporäre Grundschule mit einem eigenständigen Team in einem bereits vorhandenen Gebäude oder einem Containerbau einzurichten. Außerdem müsse eine neue Grundschule mit Mensa im gebundenen Ganztag eingerichtet werden, in der die temporäre Grundschule später weitergeführt werden könne.
Was die Ortspolitiker besonders empört: Dass die Bildungsbehörde nicht das Gespräch mit ihnen gesucht hat, bevor die zusätzlichen Klassenzüge an Halmerweg und Fischerhuder Straße beschlossen wurden. Denn der Beirat hätte konstruktive Vorschläge machen können: Er hat elf Flächen aufgelistet, die seiner Ansicht nach als Standorte für Übergangslösungen infrage kämen.
Tatsächlich hat die Behörde über einen temporären Standort für die zwei zusätzlichen Klassen nachgedacht. Eine Schulleitung habe das Lichthaus vorgeschlagen, so Lenz: „Wir hätten es haben können, haben uns aber dagegen entschieden.“ Dies liege einerseits an personellen Schwierigkeiten, andererseits an den örtlichen Gegebenheiten: „Es braucht einen Schulhof und eine gelebte Schulkultur, sodass die Kinder sich dort auch wohlfühlen.“ Dementsprechend sei entschieden worden, die Klassenzüge an zwei Schulen zu verteilen, an denen es einen stabilen Schulalltag, ein eingespieltes Kollegium und ein gutes Außengelände gebe: „Dass es nicht die optimale Lösung ist, da stimme ich Ihnen zu. Aber unter diesen Bedingungen war es so die beste Lösung.“
Ab dem Schuljahr 2024/25 wolle man die Schulen dann nicht mehr erweitern, so Lenz. Dann sollten zwei ausgegliederte Klassen und im Schuljahr 2025/26 eine ausgegliederte Klasse eingerichtet werden, wofür jetzt nach einem geeigneten Ort in der Nähe der Grundschulen Pastorenweg und Fischerhuder Straße gesucht werde.
Dass die Schülerzahlen derart ansteigen würden, sei vor einem Jahr noch nicht absehbar gewesen, sagen sowohl Kerstin Lenz als auch Udo Stoessel, der das Liegenschaftsreferat in der Bildungsbehörde leitet. Die Zahlen seien nicht beständig und hochdynamisch und stellten die Behörde aktuell vor große Herausforderungen, die nach den Vorgaben der Politik gestemmt werden müssten, so Stoessel: „Anfang März erwarten wir neue Zahlen vom Statistischen Landesamt, bis dahin müssen wir eine Lösung im Bestand finden. Die Zahlen sagen: Ab 2027 sinkt die Kurve.“
Ähnliches haben die Gröpelinger Ortspolitiker schon häufiger gehört und mittlerweile das Vertrauen in die Planungen der Behörde verloren. „Wir glauben einfach nicht, dass die Zahlen nicht steigen“, sagt etwa Lutz Liffers (Grüne), der betont: „Es kommen mehr Menschen nach Bremen, und Gröpelingen ist ein Stadtteil, wo man ankommt. Wieso sollte die Kurve ab 2027 wieder nach unten gehen?!“ Pierre Hansen (SPD) erinnert sich außerdem noch sehr gut an die Zusage, die Daniel de Olano, Referent für Schulstandortplanung in der Bildungsbehörde, den Gröpelingern bei der Vorstellung der Schulstandortplanung bis zum Jahr 2030 im vorigen Jahr gegeben hatte: Dass 2022 zum letzten Mal an der Fischerhuder Straße ein fünfter Klassenzug eingerichtet werde.
Vor diesem Hintergrund haben die Gröpelinger noch eine Forderung ans Bildungsressort gerichtet: Sie wollen, dass ein externer Sachverständiger ein Gutachten zur Entwicklung der Schülerzahlen erstellt.