Mit Bestürzung hat der Gröpelinger Bildungsverbund auf das vom Bundesfamilienministerium beschlossene Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kita. Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ reagiert. „Gröpelingen ist der Stadtteil mit der höchsten Quote von Kindern mit Sprachförderbedarf – 68,9 Prozent in 2019 – in Bremen. Der Anteil wird von Jahr zu Jahr größer. Die langen Zeiten der Kita-Schließungen, Notbetreuung und Isolation während der Corona-Pandemie verschärfen die Situation zusätzlich; die Folgen für die sprachliche Entwicklung der Jüngsten werden gerade erst sichtbar. Im Einwanderungs- und Ankommensstadtteil Gröpelingen müssen viele Menschen zunächst sprachliche, soziale und mentale Barrieren überwinden, um am Bildungssystem teilhaben zu können. Andere Menschen hier werden aufgrund von Armuts- und Ausgrenzungserfahrungen ‚sprachlos‘“, heißt es in einer Stellungnahme des Bildungsverbunds, die neben verschiedenen Einrichtungen auch die Quartiersmanagerinnen für Gröpelingen und Oslebshausen und der Verein Kultur vor Ort unterzeichnet haben.
Aktuell werden im Bremer Westen laut einer Auflistung des Bundesfamilienministeriums neun Einrichtungen in Gröpelingen und Oslebshausen sowie drei Einrichtungen in Walle über das Programm unterstützt.
Sorge um Projekte
Gerade für Gröpelingen sei das Programm wichtig, unterstreicht Frauke Kötter, die das Quartiersbildungszentrum (QBZ) Morgenland in Gröpelingen leitet: „Die Heterogenität der Gröpelinger Bevölkerung erlaubt keine einheitliche Lösung für alle, sondern erfordert die Ausdifferenzierung von Angeboten, Zugängen und Konzepten. Die Arrival City ist in ständiger Veränderung, weswegen die Bildungsangebote permanent überprüft und reflektiert werden müssen. Gerade hier wäre ein Aus der „Sprach-Kitas“ als zusätzliche inhaltliche und finanzielle Ressource ein extremer Verlust mit Folgen für die Bildung und Teilhabe der Menschen im Stadtteil. Wir Fachkräfte und Leitungen aus Gröpelingen befürchten, dass viele strukturelle Elemente und wertvolle Projekte der Sprachförderung in den Kitas wegfallen.“
„Wir haben immer wieder Zuzüge von Menschen, die neu integriert werden müssen. Da ist Sprache immer wieder ein Thema, das muss man unterstützen. Da ist das Programm gut, weil es in der Kita ansetzt und man die Familien darüber gut erreicht“, unterstreicht auch Rita Sänze, die als Quartiersmanagerin das Städtebau-Fördergebiet Gröpelingen betreut. Mit Bundesprogrammen lasse sich aufgrund der guten Ausstattung oft viel erreichen, ist ihre Erfahrung: „Das läuft dann einige Jahre mit einer guten Ausstattung und man erreicht auch wirklich etwas. Aber wenn die Programme dann wegfallen, ist das alles weg. Das ist richtig traurig.“
Über das Sprach-Kita-Programm konnten zusätzliche halbe Fachkraftstellen in den Kitas und in der Fachberatung geschaffen werden. Diese zusätzlichen Fachkräfte haben nach Ansicht von Frauke Kötter eine Funktion, die die Pädagogen in den Kitas nicht eins zu eins ersetzen können: „Sie sind die Kümmerer und Kümmererinnen und die Stakeholder für das Thema Sprachqualität in der frühen Bildung.“
Fachkräfte haben vielfältige Aufgaben
Die Fachkräfte hätten verschiedene wichtige Aufgaben übernommen, unterstreicht Kötter. Etwa regelmäßige Schulungen der Teams in den Einrichtungen dazu, wie sich Sprachbildung in den Kita-Alltag einbinden lässt. Auch sorgten sie dafür, dass über das Bundesprogramm angebotene Inhalte im Alltag tatsächlich genutzt werden könnten. Darüber hinaus entwickelten sie passgenaue Materialien für die pädagogische Arbeit vor Ort, organisierten Buch-Ausleihen, Vorlesetage mit Eltern und Kooperationsprojekte mit anderen Einrichtungen im Stadtteil und seien wichtige Ansprechpartner für Familien.
Das Bundesprogramm „Sprach-Kita“ sei strukturell und fachlich hervorragend aufgestellt, betont Kötter: „Es gibt wirksame Steuerungselemente. Dadurch hat sich ein Standard entwickelt, der gehalten werden muss – und angesichts der gestiegenen Herausforderungen durch neue Migration und die Pandemie sogar erhöht werden sollte.“
In ihrer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Gröpelinger Bildungseinrichtungen eine Weiterführung und Entfristung des Programms sowie eine Aufstockung: „Wir unterstützen den Appell der Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Karolin Aulepp, an die Bundesregierung, die Entscheidung zu revidieren und begrüßen ausdrücklich ihren Vorstoß, die Kosten andernfalls als Land zu übernehmen.“