Nein, von Ruhestand kann bei Thomas Meyer-Bohe keine Rede sein. Kaum hat er seinen Job als Architekt altersbedingt an den Nagel gehängt, verwirklicht er einen lang gehegten Traum. Gemeinsam mit seiner Frau Larissa führt der 67-Jährige seit Kurzem eine kleine Werkstatt für seltene Textiltechniken.
In einem Nebenbereich der ehemaligen Werkshallen der Silberschmiede Wilkens erwartet den Besucher etwas Einzigartiges in Bremen. Meyer-Bohes haben sich auf das seltene Handwerk des Blaudrucks spezialisiert. In dem hundert Quadratmeter großen Raum, durch Spanplatten-Wände begrenzt und geschickt beleuchtet, zieren zahlreiche Holzstempel die Rückwand. Model heißen sie in der Fachsprache. Es sind Druckstöcke mit regionalen Mustern, die der 67-Jährige über Jahre gesammelt hat, mit Zierborten und maritimen, biblischen, heimatbezogenen oder floralen Motiven. Etwa 200 Exemplare füllen die Regale. Sie stammen aus Deutschland und Indien. Mit ihnen wird der sogenannte Papp, eine Spezialmasse, auf Stoff gedruckt. Anschließend kommen die Stoffe in einen Färbebottich, die Indigoküpe. Bis auf die Stellen, an denen der Papp den Kontakt von Farbe und Baumwolle verhindert, wird alles Grün und an der Luft schließlich Blau.
Das Handwerk von der Pike auf gelernt hat Larissa Meyer-Bohe, ehemals Lehrerin aus Nowosibirsk in Russland, beim Rostocker Blaudrucker Reinhard Haase. Er ist einer der wenigen Vertreter der sehr überschaubaren „Blaudrucker-Zunft“ in Deutschland. Blaudruckerei habe sich zwar eingebürgert, sei aber falsch, korrigiert Meyer-Bohe. Eigentlich müsse es Blaufärberei heißen. Bei Haase ging Meyer-Bohe zwei Jahre in die Lehre.
Links neben den Modeln hängen in Konkurrenz und Ergänzung ebenfalls quadratische Objekte an der Wand: holländische Fliesen aus Jahrzehnte langer Sammlung. „Blaudruck und Fliesen sind ja Schwestern“, beschreibt Meyer-Bohe. Die blaue Farbe, das sich wiederholende Modelmaß vom Kleinen zum architektonischen Gesamtentwurf. Ursprünglich kommen sowohl Blaudruck als auch Fliesen aus Südostasien, aus China und Japan.
Wenn der bärtige Mann mit dem, wie sollte es anders sein, blauen Tuch um den Hals von der Geschichte des Blaudrucks erzählt, gibt es kein Halten mehr: Da wäre blasses Blau, die Farbe der Armen im Mittelalter. Kräftiges Blau für Wohlhabende, da es sich nicht einfach aus Farbstoffen aus der Natur herstellen ließ. Und wer weiß schon, dass sich hinter dem Kürzel des Chemiekonzerns BASF die Badische Anilin- und Soda-Fabrik verbirgt, nach dem spanischen oder arabischen „annil“ gleich Blau. Nach 17-jähriger Forschung entwickelte die Firma den klassischen Farbton der Jeans mittels der synthetischen Herstellung von Indigoblau.
So wie jeder Blaudrucker benötigt Meyer-Bohe weißen oder hellbeigefarbenen Naturstoff. Für das große Lager historischer Leinenstoffe hat das Atelier-Paar seine Lieferanten. Ebenso für die diversen Sorten Wolle, die auf großen Werktischen ausgebreitet sind. Quelle ist hier ein Schäfer aus Obervieland. Sie sind der Rohstoff für eine weitere in Vergessenheit geratene Handarbeitstechnik. An einem alten Spinnrad können sich Kursteilnehmer erproben und nacherleben, wie mühsam damals die Herstellung eines Knäuels Wolle war.
Werbung machen mussten Meyer-Bohes nicht. Die Kurse sind voll. „Wir haben bewusst kein Schild an der Tür, die laufen uns sonst die Bude ein“, befürchtet er. Vor allem Frauen in der zweiten Lebenshälfte, deren Kinder groß sind und die nun Zeit für sich haben, genießen das Handarbeiten und Klönen in der Runde. Drei Stunden lang gehen die Seminare, in denen Thomas Meyer-Bohe jeweils zu Beginn einiges über die Geschichte der historischen Textiltechniken referiert.
Weitere Informationen
Eine individuelle Vernissage mit Anmeldung zum Kennenlernen ist mit bis zu sechs Interessenten möglich. Kontakt unter 04 21/17 24 13 33 oder thomas.meyerbohe@gmail.com. Eine individuelle Vernissage ohne Anmeldung mit bis zu sechs Personen findet an den Freitagen, 18. September, 25. September und 2. Oktober statt. Meyer-Bohes holen Interessierte um 18 Uhr an der Haltestelle Hemelinger Bahnhofstraße (Linie 40, 41, 42) ab und leiten sie zum Atelier. Eine Maske ist mitzubringen. Direktdruck-Kurse im Blaudruck sind zu buchen. Die Kosten für Materialien, Teeimbiss und Vortrag belaufen sich auf 30 Euro.