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Umweltprojekt in Sebaldsbrück Wie der Wald zum Lebensmittelregal wird

In Sebaldsbrück legen die Naturschützer vom Naturschutzbund Deutschland die Gundlagen für eine neue Art von Nutzgarten. Ein Waldgarten soll vom Wurzelbereich bis zu den Baumspitzen Nahrung liefern.
16.02.2023, 07:00 Uhr
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Wie der Wald zum Lebensmittelregal wird
Von Christian Hasemann

Die Sägen brüllen, wirbeln Holzspäne durch die Luft und bereiten zahlreichen Scheinzypressen auf dem Gelände des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) ein Ende. Ein scheinbarer Widerspruch an diesem Wochenende: Bäume fällen für die Artenvielfalt. Ein Paradoxon nur auf den ersten Blick, denn hier soll ein sogenannter Gartenwald entstehen.

Inmitten der lärmenden Arbeiten steht Sabrina Cohrs. Sie koordiniert das Projekt, das künftig auf dem etwas rückseitig gelegenen Gelände des Nabu am Vahrer Feldweg wachsen soll. Wachsen im wörtlichen Sinne. Dort, wo der von den Naturschützern nach einem amerikanischen Horrorfilm benannte "Blairwitch Project"-Wald steht, sollen künftig nicht nur Bäume, sondern auch andere Pflanzen in einem Waldgarten sprießen. "Mit dem Waldgarten wollen wir eine hohe Biodiversität auf sieben Ebenen erreichen", erklärt Cohrs, die an der Universität Kassel Ökologische Landwirtschaft studiert hat.

Dreidimensional

Aber was sind Waldgärten? In Waldgärten geht es darum, unterschiedliche Nutzpflanzen auf allen Ebenen des Waldes anzubauen. "Waldgärten sind in den Tropen sehr verbreitet", erklärt Cohrs. Für unsere mittleren Breiten bedeutet das: vom Wurzelgemüse wie Pastinake bis zum Bodendecker wie Girsch oder Erdbeere, vom niedrigen Strauch, wie zum Beispiel Johannis- oder Stachelbeere, über den halbstämmigen heimischen Obstbaum bis zum großen Nussbaum wie Esskastanie oder Walnuss. Auch Rankpflanzen wie Wein oder Hopfen seien denkbar, sagt Cohrs. "Wir wollen dabei so naturnah wie möglich anbauen." Der Wald wird so zu einem fast ganzjährigen Lebensmittelregal. Statt einer zweidimensionalen Fläche wie einem Acker, wird ein dreidimensionales Volumen genutzt – besonders in Städten eine effiziente Art, den vorhandenen Raum zu nutzen.

Ein Wald, wie er im Buche steht, wird es also nicht. Es geht um einen nutzbaren oder vielleicht besser: essbaren Garten. "Der große Vorteil eines Waldgartens ist, dass man einen sehr hohen Ertrag auf einer extrem kleinen Fläche hat bei einem sehr niedrigen Arbeitsaufwand", sagt Cohrs.

Der niedrige Arbeitsaufwand gilt allerdings erst, wenn der Waldgarten einmal angelegt ist. Zuvor müssen die Scheinzypressen und Thuja gefällt und geschreddert werden. Übrigens: Heimische Bäume wie Eiche und Eibe und Sträucher lassen die Naturschützer stehen. Von etwa 20 Jahren spricht Cohrs, die der Waldgarten braucht, um zu seiner ganzen Größe heranzuwachsen.

Scheinzypressen sind in den nördlicheren Breiten Nordamerikas und Ostasiens verbreitet und damit keine einheimische Art. Alle Pflanzenteile gelten als giftig. Nicht nur in deutschen Gärten ist die Pflanze beliebt, denn sie bildet bereits nach wenigen Jahre als Hecke einen grünen Sichtschutz. Als nicht-einheimische Zierpflanze ist sie allerdings für die einheimische Tierwelt beinahe wertlos. Singvögel beispielsweise finden an Scheinzypressen kaum etwas zu fressen. Für einen Waldgarten sind sie also denkbar ungeeignet.

Dass auf dem Nabu-Gelände so viele Scheinzypressen stehen, hat einen einfachen Hintergrund: Das gesamte Gelände gehörte zur ehemaligen Gärtnerei Fördelmann, die mit solchen Zierpflanzen ihr Geld verdient hat. 2013 erbte der Nabu Bremen das annähernd 30.000 Quadratmeter große Gelände und baut es seitdem zu einem Naturerlebnisgelände um – eine große Aufgabe für die weitgehend ehrenamtlich tätigen Mitglieder.

In dem Waldgarten soll möglichst alles nutzbar sein. "Wir wollen auch Futterpflanzen für unsere Schafe und Esel integrieren", sagt Cohrs, die seit September beim Nabu eigens für das Projekt angestellt ist, das vom Umweltressort und der Umweltlotterie Bingo gefördert wird.

Antwort auf Klimawandel

Cohrs versteht den Waldgarten aber auch als eine Antwort auf den und Herausforderung des Klimawandels. "Der Boden soll so bedeckt wie möglich sein." Das verhindert auf der einen Seite Erosion durch Wind und Wasser, auf der anderen Seite schützt der Bewuchs vor zu viel Sonne und bewahrt den Boden vor dem Austrocknen in Dürresommern. "Die Pflanzen unterstützen sich gegenseitig mit Nährstoffen und bei der Schädlingsabwehr", so Cohrs über weitere Vorteile der Artengemeinschaft im Waldgarten.

Am Ende des Tages haben Cohrs und ihre Helferinnen und Helfer einen großen Teil der Scheinzypressen und Thuja gefällt. Nun soll erst einmal eine Gründüngung folgen, damit der Boden für das Pflanzen von Stauden, Sträuchern und Bäumen im Herbst vorbereitet wird. Für die Arbeiten im Waldgarten sucht Cohrs noch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.

Am Freitag, 10. März, um 16.30 Uhr ist ein Kennenlerntreffen für Interessierte auf dem Nabu-Gelände am Vahrer Feldweg 185 geplant.

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