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ATSV Sebaldsbrück Cem Cakir: Vom verpassten Profi-Traum zum Landesliga-Helden

Cem Cakir, das einstige Bremer Fußballtalent, kehrt zum ATSV Sebaldsbrück zurück. Nach einer verpassten Profi-Karriere findet er nun seinen Frieden in der Landesliga. Für Cakir keine Selbstverständlichkeit.
21.11.2024, 05:00 Uhr
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Von Stefan Freye

Er ist wieder da. Mit neuer Leidenschaft, einem neuen Gewicht und in gewisser Weise auch einem neuen Namen. „Ich werde seit frühester Kindheit eigentlich Cem genannt“, sagt der Torjäger, in dessen Pass der Vorname „Simon Joel“ eingetragen ist. Als Simon Cakir hatte er einst für ziemlich viele Tore in diversen Vereinen gesorgt. Nun findet der 32-Jährige, es wäre an der Zeit, dass er überall so genannt wird wie in der Familie und seinem engsten Umfeld. Er trägt jetzt das Trikot des ATSV Sebaldsbrück und hört auch dort vorzugsweise auf den Namen Cem.

Seit dem August steht er im Training des Landesligisten. Dort ist der Name Cakir gewissermaßen Programm: Vater Cengiz ist seit vielen Jahren in der Fußballabteilung des ATSV aktiv und hat mittlerweile auch deren Leitung übernommen, und Schwester Cennet führt das Vereinslokal gleich neben den Fußballplätzen des Vereins. Eine Verbindung zwischen Cem Cakir und dem ATSV besteht auch deshalb, weil er dort einst mit dem Fußball begonnen hatte. Aber erst vor dieser Saison entschloss sich der Kicker, wieder voll in Sebaldsbrück und damit auch in den Vereinsfußball einzusteigen. „Bevor ich komplett eingehe, habe ich noch mal losgelegt“, sagt Cakir lächelnd.

Es war sein Gewicht, dass ihm bis vor einigen Monaten Sorgen bereitete. Runde 20 Kilo hatte der 1,89 Meter große Stürmer zugenommen. Sie sind mittlerweile fast verschwunden. Das ist Cem Cakir wichtig, nicht nur aus gesundheitlichen Gründen: „Die Trikots sind so eng geschnitten, aber jetzt passt wieder alles.“ Beim 4:0 im Auswärtsspiel gegen Sparta Bremerhaven absolvierte er am Wochenende seinen dritten Einsatz für den ATSV. Erstmals ging es über volle 90 Minuten. „Ich war überrascht, dass ich schon wieder so viel Kraft habe“, sagt Cakir – und dann lacht er wieder. Wer ihn in diesen Tagen über seinem Comeback reden hört, erlebt einen rundum zufriedenen Menschen. Dieser Cem Cakir ruht in sich. Es ist nichts geblieben aus früheren Zeiten. Da ist keine Enttäuschung.

Als Profi wäre ich finanziell freier – aber wäre ich auch glücklicher?
ATSV-Stürmer Cem Cakir

Dabei gibt es wohl eine ganze Reihe von Menschen, die mit dem Namen Cakir auch eine verpasste Karriere im großen Fußball verbinden. Vor Jahren hatte der Kicker nämlich nicht nur viele Tore erzielt. Er galt als ziemlich großes Talent und zählte zu den wenigen Bremern, denen die Chance auf den Sprung in die Bundesliga eingeräumt wurde. „Ich höre mir heute noch an, dass ich doch eigentlich Profi hätte werden müssen“, sagt Cem Cakir. Ein bisschen frustriert ist er in solchen Momenten schon. Doch letztlich überwiegt die Gelassenheit: „Als Profi wäre ich finanziell freier – aber wäre ich auch glücklicher?“

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Diese Frage wird sich kaum beantworten lassen. Ebenso wenig lässt sich eindeutig klären, warum es damals nicht geklappt hat mit der ganz großen Karriere. Für Cem Cakir spielten „mehrere Faktoren“ eine Rolle. Einer hatte mit seinem Status zu tun: Als der Stürmer zwischen 2011 und 2014 für den SV Werder angetreten war, fühlte er sich als Teil des Inventars. „Alle Spieler kamen von außerhalb, und ich war der Junge aus Sebaldsbrück“, erinnert sich Cakir. Diese Rolle tat ihm nicht gut. Sie habe am Ende womöglich auch dazu geführt, dass man seine Entwicklung nicht ganz so zielstrebig verfolgte wie die anderen Talente: „Als junger Kerl brauchst du aber Förderer und Forderer.“

Andererseits räumt Cem Cakir ein, dass er die ein oder andere „falsche Entscheidung“ getroffen habe in dieser Zeit. Vielleicht mangelte es ihm auch ein bisschen an der nötigen Geduld. Wie so vielen jungen Spielern. Er hatte damals allein sechs Monate in der U23 trainiert, war aber trotzdem regelmäßig nur im Bremen-Liga-Team zum Einsatz gekommen. „Ich hätte durchziehen müssen, aber es hat der Frust eingesetzt“, so Cakir. Die Dinge nahmen ihren Lauf. „Die Unzufriedenheit bringt dich zur Disziplinlosigkeit“, sagt der Stürmer. Weil er daneben „im falschen Moment das Falsche gesagt“ habe, erfüllte Cem Cakir irgendwann nicht mehr das Profil, das der SV Werder an einen angehenden Profi stellt.

Es sollte damals nicht sein.
ATSV-Stürmer Cem Cakir

Dabei habe es ihm nie an der fußballerischen Qualität gemangelt. „Hätte ich in der zweiten oder dritten Liga trainieren dürfen, hätte man das Potenzial gesehen“, sagt Cakir überzeugt. Die Schnelligkeit, technische Fähigkeiten und ein überzeugender Torabschluss zählten damals zu den besonderen Eigenschaften des Angreifers. Er brachte sie eben nur nicht auf höherer Ebene ein. „Es sollte damals nicht sein“, sagt Cem Cakir. Er hatte bereits 2015 ein kleines Transportunternehmen gegründet, vom dem er heute gut leben kann. Daneben freut sich der verhinderte Profi über die Erfolge in der Familie: Cousin Eren Dinkci wechselte im Sommer vom SV Werder zum SC Freiburg, zählt dort zu den Stammkräften und hat sich ins Aufgebot der türkischen Nationalmannschaft gespielt. „Ich bin so stolz auf ihn“, sagt Cem Cakir.

Die eigene Laufbahn hatte ihn damals zum Bremer SV, den SV Wilhelmshaven, den FC Oberneuland und den BSC Hastedt geführt. Mit 161 Toren in 209 Spielen zählt Cakir zu den erfolgreichsten Stürmern der letzten Jahrzehnte. Für den ATSV Sebaldsbrück hat er in drei Partien einmal getroffen. Aber dabei soll es nicht bleiben. „Ich bin guter Dinge“, sagt Cem Cakir und bezieht sich auch auf die Aussichten seiner Mannschaft. Der ATSV belegt nach 13 Spieltagen den dritten Platz der Landesliga, als Teil einer dicht gedrängten Spitzengruppe. Das Ziel der Mannschaft lautet: Aufstieg in die Bremen-Liga, damit sich "der Kreis schließe", so Cakir.

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