Frank Garden steht mit schwerem Gerät am Bahngleis. 20 Kilo wiegt es und erinnert an einen Presslufthammer. Es ist sein Arbeitsgerät für diesen Tag. Sein Auftrag: Den Schotter zwischen den Gleisen auflockern. Denn wenn sich der Schotter hinterher neu verkantet und leicht anhebt, verbessert das die Gleislage und sorgt beim Kunden für eine „weiche“ Fahrt. Der Kunde, das ist in diesem Fall die Deutsche Bahn. Aufträge wie diese bekommt er direkt auf ein Smartphone, das ihm die Bahn gegeben hat.
Garden arbeitet für das Unternehmen in der Instandhaltung, kümmert sich seit Oktober 2017 darum, Gleise wieder in ihre Soll-Lage zu bringen. Gelernt hat der 53-Jährige aber etwas anderes. Garden kommt aus dem Ruhrgebiet und ist eigentlich Straßenbauer. „Das bedeutete für mich, viel auf Montage zu sein“, sagt er. Wird eine Autobahn neu gebaut oder bekommt einen neuen Belag, musst Garden da sein. Viel Arbeit hat er in den Sommerferien, weil dann weniger Menschen auf den Autobahnen unterwegs sind.
"Abends bin ich auch mal zu Hause"
In den Wintermonaten gibt es hingegen oft nichts zu tun. „Wenn es dann im Frühjahr wieder los ging, brauchte mein Körper Wochen, bis er sich wieder an die schwere Arbeit gewöhnt hatte“, erinnert er sich. Irgendwann macht sich der Job auch in den Knochen bemerkbar. Dennoch bildet Garden sich weiter, wird Straßenbauermeister. Dann wird er aber auf ein Jobangebot der Deutschen Bahn aufmerksam, bewirbt sich und bekommt die Stelle.
In mehreren Monaten lernt er alles, was er für die Instandhaltung von Gleisen wissen muss – und trägt nun dazu bei, dass die Züge im Norden möglichst dahingleiten. Was Garden freut: „Abends bin ich auch mal Zuhause.“ In seinem früheren Job war das nicht immer so. Zuhause ist für ihn in der Nähe von Bremerhaven. „Ich bin zwar aus Gladbeck, aber es hat mich immer ans Wasser gezogen.“ Nun ist er täglich in der Region Bremerhavener unterwegs, kümmert sich häufig um Gleisbauarbeiten zwischen Bremerhaven und Cuxhaven – also quasi vor seiner Haustür. Das Gebiet des Bremer Standortes der Netztochter der Bahn reicht von Norddeich Mole bis nach Munster und von Cuxhaven bis kurz vor Hannover.
„Mir macht es Spaß, draußen vor Ort zu sein und im Team zu arbeiten“, sagt der Instandhalter. Normalerweise ist er mit einem oder zwei Kollegen unterwegs, wenn eine Schiene gewechselt werden muss, können es auch sechs bis sieben Leute sein. Eins ist Garden von Anfang an aufgefallen: „Mir imponiert sehr, welche hohe Priorität der Aspekt Sicherheit bei der Bahn hat – sowohl im Eisenbahnbetrieb als auch beim Arbeitsschutz der Mitarbeiter.“
Das habe der jetzige Facharbeiter für die Gleisinstandhaltung in seinem alten Job durchaus anders erlebt. Gardens starke Oberarme lassen erahnen, dass sein neuer Job auch eine gewisse körperliche Konstitution erfordert. Das sei für seinen Körper aber machbar und nicht so anstrengend wie früher im Straßenbau.
Funktionsausbildung zum Fahrdienstleiter
Quereinsteiger wie Garden sind bei der Bahn kein Einzelfall. Denn weil viele Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und das Unternehmen eine Qualitätsoffensive gestartet hat, sucht es dringend zusätzliche Mitarbeiter. Dabei setzt sie verstärkt auf Menschen, die bereits Erfahrungen aus einem anderen Job mitbringen. Allein in Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein plant die Deutsche Bahn, bis Jahresende 3000 neue Mitarbeiter einzustellen.
Dazu zählen mehr als 500 Instandhalter wie Frank Garden, mehr als 300 Lokführer, knapp 200 Servicekräfte und mehr als 330 Fahrdienstleiter. Im vergangenen Jahr hat die Bahn allein im Norden rund 3800 neue Mitarbeiter eingestellt. Einer von ihnen ist Till Högemann. Der 33-Jährige ist eigentlich gelernter Kaufmann im Einzelhandel. In diesem Job arbeitet er zuletzt acht Jahre in einem Betrieb für Orthopädie-Schuhtechnik.

Irgendwann stellt er fest, dass es das für ihn nicht gewesen sein kann. Ein Bekannter erzählt ihm von seinem Job: Fahrdienstleisters bei der Bahn. Das klingt für Högemann interessant, er bewirbt sich, wird genommen. Was dann folgt ist die sogenannte „Funktionsausbildung“ zum Fahrdienstleiter. Die dauert rund sechs bis acht Monate. Seit Oktober 2018 arbeitet er in Bremen-Mahndorf: „Dort navigieren meine Kollegen und ich den Zugverkehr von A nach B, sodass alles sicher und pünktlich fährt.“
Bereits während der Ausbildung verdient der Fahrdienstleiter inklusive Weihnachtsgeld mehr als 31 000 Euro pro Jahr. Nach Einstieg in die Regelfunktion und entsprechender Berufserfahrung sind je nach Stellwerkskomplexität bis zu 50 000 Euro möglich. Hinzu kommen ein Wahlmodell mit zusätzlichen Urlaubstagen sowie eine betriebliche Altersvorsorge von drei Prozent des monatlichen Gehaltes. Und es kommen Prämien sowie Zulagen hinzu, etwa für Schichten in der Nacht, am Wochenende oder an Feiertagen. Für Högemann bedeutet das Arbeitszeiten, die er in seinem früheren Job nicht hatte. Aber das nimmt er in Kauf: „Vorher habe ich ja immer nur in kleinen Betrieben gearbeitet. Da war das mit den Arbeitszeiten nicht so flexibel.“ Bei einem so großen Unternehmen wie der Bahn sei alles umfangreicher durchorganisiert.
Noch nicht am Ende der Karrieremöglichkeiten
Was Högemann außerdem gefällt: „Man handelt eigenverantwortlich.“ Entsprechend belastbar muss er sein, weil der Job auch mentale und psycho-physische Leistungsfähigkeit erfordert. Entsprechend musste sich der 33-Jährige einer Tauglichkeitsprüfung unterziehen. Die wird alle fünf Jahre wiederholt, ab dem 40. Lebensjahr alle drei Jahre. Nun ist der Bremer einer der wichtigen Heinzelmännchen bei der Bahn. „Wir als Fahrdienstleiter werden von den Kunden gar nicht wahrgenommen“, sagt Högemann.
Im Arbeitsalltag kann es nun durchaus vorkommen, dass der eine Quereinsteiger mit dem anderen Quereinsteiger zu tun hat. Denn wenn Garden einen Arbeitsauftrag für Högemanns Streckenabschnitt erhalten hat, meldet sich der Instandhalter mit seinem Bahn-Smartphone beim Fahrdienstleiter. Sie geben sich nach festgelegten und eindeutigen Sprachmustern ähnlich wie im Flugfunk Anweisungen, dass der Streckenabschnitt für Züge gesperrt ist, solang Garden dort arbeitet. Wenn er fertig ist, meldet er sich bei Högemann wieder ab.
Was beide schon festgestellt haben: „Wie die älteren Mitarbeiter ihr Wissen an uns weitergeben, das ist einfach schön.“ Garden ist mit seiner Umschulung zum Instandhalter aber noch nicht am Ende seiner Karrieremöglichkeiten. Die Bahn unterstützt ihn bei seiner eisenbahnspezifischen Qualifikation als Meister, sodass er sich auf besondere Tätigkeiten wie die Ultraschallprüfung von Gleisen spezialisieren kann. „Ich bin wirklich dankbar, dass die Bahn so einen wie mich in meinem Alter noch eingestellt hat“, sagt der Mann aus dem Ruhrgebiet. Wenn es nach der Bahn geht, können auch gern noch weitere von Gardens Ex-Kollegen kommen, die die Arbeit bei Wind und Wetter nicht scheuen.