Die Konkurrenz hat ihn schon gemacht, jetzt macht auch Daimler ihn: den großen Schritt in Richtung Elektromobilität. Während Volkswagen und Audi schon vor mehreren Wochen angekündigt hatten, wann sie aus dem Geschäft mit den Verbrennern aussteigen wollen, hielten sich die Stuttgarter bedeckt. Bislang. Am Donnerstag verkündete Vorstandschef Ola Källenius, wie genau der Wandel bei Daimler ablaufen soll.
Im Jahr 2025 soll die Hälfte der Neuverkäufe eine Batterie haben – entweder als Hybrid oder als reines E-Auto. Der ganz große Sprung soll dann bis Ende des Jahrzehnts gelingen: Spätestens dann wolle man vollelektrisch werden, heißt es in einer Mitteilung. Im ersten Halbjahr 2021 lag der Absatz von reinen E-Autos bei drei Prozent, der Anteil der Plug-in-Hybride war etwas höher. „Der Wendepunkt rückt näher, und wir werden bereit sein, wenn die Märkte bis zum Ende des Jahrzehnts vollständig auf Elektroautos umstellen“, sagt Källenius.
In der Ankündigung von Donnerstag lässt Daimler aber eine Hintertür offen. Die komplette Umstellung auf E-Fahrzeuge ist mit dem Zusatz versehen „wo immer die Marktbedingungen es zulassen“. Es dürfte wohl also auch auf die Nachfrage ankommen. Audi und VW handhaben es ähnlich.
Zweifelsohne sind diese Ziele aber ehrgeizig. Deswegen nimmt der Konzern auch viel Geld in die Hand. Zwischen 2022 und 2030 sind Investitionen von mehr als 40 Milliarden Euro in batterieelektrische Fahrzeuge vorgesehen. Konkret sollen bei Mercedes alle neuen Fahrzeug-Architekturen – die technische Basis von Automodellen – ab 2025 ausschließlich elektrisch sein. Im selben Jahr werde man drei neue dieser Plattformen einführen. Ebenfalls bis Mitte des Jahrzehnts soll den Kunden für jedes Mercedes-Modell in jedem Fall auch eine vollelektrische Alternative zur Auswahl stehen.

Michael Peters (Betriebsratsvorsitzender des Bremer Mercedes-Benz Werks)
Für die rund 12.000 Beschäftigten im Bremer Werk dürfte sich vorerst aber wenig ändern. Trotz der radikalen Ankündigung erwartet Betriebsratschef Michael Peters „einen fließenden Übergang“. Aktuell sei man noch mit dem Anlauf der C-Klasse beschäftigt, Ende des Jahres soll der vollelektrische EQE erstmals vom Band laufen.
Für Daimlers Elektropläne sieht Peters den Standort Bremen schon gut aufgestellt: „Wir waren beim EQC ganz vorne mit dabei. Dadurch konnten wir Erfahrung sammeln, die uns, aber auch anderen Standorten hilft.“ Als reines Aufbauwerk falle die Transformation allerdings auch leichter, gibt Peters zu bedenken, als bei Standorten, an denen etwa die Antriebsstränge gefertigt werden. Die würden die geringere Fertigungstiefe von Elektromotoren zu spüren bekommen.
Generell begrüßt Peters die strikte Elektro-Fokussierung. „Ich glaube, es ist der richtige Weg.“ Auch die Belegschaft sei bereit und werde immer weiter geschult. Daimler teilte mit, dass man gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern an der personellen Neuausrichtung arbeite. „Dabei setzt das Unternehmen auf umfangreiche Qualifizierungs- und Umschulungsprogramme, natürliche Fluktuation und Abfindungsangebote.“ Vergangenes Jahr seien in Deutschland rund 20.000 Beschäftigte mit Schwerpunkt Elektromobilität geschult worden; für die Entwicklung des künftigen Betriebssystems will Daimler weltweit 3000 Softwareentwickler einstellen.
Gleichzeitig befindet sich der Autobauer mitten in einem Sparprogramm. Früheren Berichten zufolge sollen allein über diesen Weg zwischen 20.000 und 30.000 Stellen wegfallen. „Weder können wir noch wollen wir das schwäbische Gen des Sparens aufgeben“, sagte Konzernchef Källenius am Mittwoch und ging auf Konfrontation zum Betriebsrat, dessen Chef Michael Brecht angesichts bestens laufender Geschäfte ein Einlenken gefordert hatte. „Wenn wir volle Auftragsbücher haben und die Gewinne sprudeln, wie soll die Belegschaft da Verständnis haben für Sparmaßnahmen, die über Jahre laufen sollen?“, sagte Brecht der „Automobilwoche“. Trotz der andauernden Corona-Pandemie und Lieferengpässen bei wichtigen elektronischen Bauteilen lief das erste Halbjahr für die Stuttgarter blendend. Bis Ende Juni verdiente das Unternehmen netto 7,9 Milliarden Euro, nachdem im Vorjahreszeitraum ein Verlust von 1,9 Milliarden angefallen war.
Ein wichtiger Baustein in Daimlers Plan wird laut Ankündigung auch die eigene Fertigung von Batteriezellen sein. Sie bilden das Herzstück von Batterien. Eigentlich hatte Källenius hier Geld sparen und auf Zulieferer setzen wollen. Zuletzt hatten allerdings Berichte über eine ungenügende Qualität von gelieferten Zellen die Runde gemacht. Auch der Gesamtbetriebsrat hatte Druck gemacht, wie Peters sagt, und vor einer kritischen Abhängigkeit gewarnt.
Daher plant Daimler aktuell mit sogenannten Gigafabriken für die Zellenproduktion. Vier der acht neuen Fabriken sollen in Europa stehen, drei in Asien, hinzu kommt eine in den USA. Wo genau die Fertigungen gebaut werden sollen und mit welchen Partnern man hier zusammenarbeiten will, ist noch nicht bekannt.