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Abschied vom Verbrenner? Mercedes verkauft mehr Autos

Elektroautos machen nur einen kleinen Anteil am Absatz von Autobauer Daimler aus. Bei einem Blick auf die Konkurrenz und nach Brüssel wird jedoch klar: Die Verbrenner stehen vor dem Aus.
06.07.2021, 18:04 Uhr
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Mercedes verkauft mehr Autos
Von Stefan Lakeband

Im ersten halben Jahr stand beim Autobauer Daimler mancherorts die Produktion still. Weil wichtige Halbleiter fehlten, wurden unter anderem auch die Bremer Beschäftigten mehrfach in Kurzarbeit geschickt. Dem Geschäft haben diese Zwangspausen offenbar nicht geschadet. Weltweit verkaufte der Konzern ein Viertel mehr Autos als in der ersten Jahreshälfte 2020. Insgesamt waren es 1,16 Millionen Fahrzeuge.

Die hohen Zuwächse erklären sich aber auch mit einem Blick auf das vergangene Jahr. Besonders im ersten Halbjahr war die Autoindustrie schwer von der Corona-Pandemie betroffen, der Absatz brach ein. Das aktuelle Wachstum dürfte daher auch Nachholeffekten geschuldet sein. Vertriebsvorständin Britta Seeger ist dennoch optimistisch: „Die große Kundennachfrage nach Fahrzeugen von Mercedes-Benz hat unseren zweistelligen Wachstumskurs im ersten Halbjahr 2021 beschleunigt. Unsere Auftragseingänge sind auf hohem Niveau und werden weiter gestützt durch die Beliebtheit der neuen S-Klasse, den xEVs und dem Verkaufsstart der neuen C-Klasse in vielen Märkten." Zur Gruppe der xEVs gehören Fahrzeuge mit Elektromotor – also sowohl reine E-Autos als auch Hybride mit zusätzlichem Verbrennungsmotor.

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Im Elektrosegment ist Daimler überdurchschnittlich gewachsen. Der Absatz von Plug-in-Hybriden und vollelektrischen Autos hat sich mit rund 121.500 Fahrzeugen mehr als verdreifacht. Was sich nach großer Elektrooffensive anhört, erhält jedoch einen kleinen Dämpfer, wenn man genauer auf die Zahlen schaut. Weiterhin dominieren die Modelle mit Verbrennungsmotor. Die Zahl der verkauften vollelektrischen Fahrzeuge stieg zwar prozentual deutlich, sie machte mit rund 39.000 aber gerade mal etwas mehr als drei Prozent aller ausgelieferten Autos aus. Damit diese Zahl weiter wächst, soll noch in diesem Jahr der EQE vorgestellt werden – das elektrische Gegenstück zur E-Klasse, das in Bremen gebaut wird. Es ist Teil einer ganzen Reihe von E-Fahrzeugen, die Mercedes dieses Jahr auf den Markt gebracht hat. Dazu gehören auch der EQA und der EQS.

Wann sich Daimler ganz auf die E-Autos konzentrieren will und die Verbrenner aus dem Programm genommen werden, dazu lässt sich im Konzern noch niemand zu einer konkreten Aussage hinreißen. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage mit: „Konventionelle Antriebskomponenten wird es solange geben, bis auch die Märkte und die Ladeinfrastruktur den Punkt erreicht haben, an welchem man komplett auf Elektrofahrzeuge umsteigen kann.“ Vor zwei Jahren habe man sich das Ziel gesetzt, bis 2039 eine CO2-neutrale Neuwagenflotte zu haben. „Was zu diesem Zeitpunkt ein sehr ambitioniertes Ziel zu sein schien, ist nun unser konservativstes Szenario.“

Andere Hersteller sind da schon weiter. „2025 werden wir das letzte neue Modell mit Verbrennungsmotor auf den Markt bringen“, sagte Audi-Vorstandschef Markus Duesmann. Danach wollen die Bayern nur noch rein elektrische Autos präsentieren und den letzten Verbrenner je nach Marktlage bis spätestens 2033 auslaufen lassen.

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Auch Volkswagen hat sich bereits festgelegt. „In Europa steigen wir zwischen 2033 und 2035 aus dem Geschäft mit Verbrenner-Fahrzeugen aus“, sagte Vertriebsvorstand Klaus Zellmer in einem Interview mit dem „Münchner Merkur“. Beide Hersteller lassen jedoch eine Hintertür offen; der Abschied ist weder endgültig noch ist er allumfassend. Audi will etwa in China für China auch über 2025 hinaus noch Verbrenner entwickeln und produzieren. Und auch VW will sich im Ausland mehr Zeit lassen. In den USA und China wird der Ausstieg etwas später erfolgen. Und auch in Südamerika und Afrika werde es noch „ein gutes Stück länger“ dauern, so Zellmer.

Andere Autobauer haben mittlerweile ebenfalls ihre Ausstiegspläne bekanntgegeben. General Motors will ab 2035 keine Autos mehr mit lokalen Emissionen verkaufen. Jüngst hat auch Fiat für die Jahre 2025 bis 2030 die schrittweise Umstellung auf ein rein elektrisches Portfolio beschlossen. Und Honda will immerhin ab 2040 keine Verbrenner mehr anbieten – auch keine Hybriden, wie das Unternehmen mitteilt. Bei Volvo beginnt das rein elektrische Zeitalter nach Angaben des Herstellers im Jahr 2030. Bei Jaguar soll der Abschied sogar noch fünf Jahre früher eingeleitet werden. Ab 2025 fahren alle unsere Autos rein elektrisch, sagte Firmenchef Thierry Bolloré im Frühjahr und hat jetzt gegenüber englischen Medien konkretisiert, dass aus der aktuellen Palette nur der I-Pace eine Zukunft habe. Alle anderen SUVs, der Sportwagen F-Type und die Limousinen vom XE bis zum XJ würden eingestellt und durch neue Konzepte ersetzt.

Zur Sache

Das plant die Europäische Union

Der Abschied vom Verbrenner dürfte nicht nur allein vom Willen der Hersteller abhängen. Auch die Europäische Union nimmt sich dieses Themas an. Kommende Woche will die EU-Kommission ihr Programm „Fit for 55“ zum Abbau der CO2-Emissionen um 55 Prozent bis 2030 präsentiert. Wie jetzt schon bekannt wurde, soll das keine Verbote für bestimmte Motorenarten enthalten – dürfte aber dennoch weitreichende Folgen haben. Denn die Zahlen, mit denen der für das Klimapaket zuständige Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, die Verhandlungen bestreitet, sind deutlich. Demnach will Brüssel festlegen, dass Neuwagen ab 2030 rund 60 Prozent weniger CO2 ausstoßen müssen, 2035 sogar um 100 Prozent. Das käme de facto einem Aus für Diesel und Benziner gleich.

Sollte die Kommission diesen Vorschlag tatsächlich so präsentieren, heißt das jedoch nicht, dass er am Ende auch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten akzeptiert wird. An diesem Dienstag beschloss die christdemokratische EVP-Fraktion ihre „Vision für 2030“, wie das Programm von CDU, CSU und deren EU-Schwesterparteien überschrieben wurde. „Die Klimaziele von Paris sind unser Maßstab – ohne Wenn und Aber“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsabgeordneten im EU-Parlament, Markus Pieper. Zum Thema Auto heißt es in dem Papier: „Der Verbrennungsmotor ist beispielsweise eine Technologie, die mit nachhaltigen Treibstoffen eine Zukunft hat. Genauso sind Elektroantriebe nur dann nachhaltig, wenn sie mit Strom aus regenerativer Erzeugung betrieben werden.“

In einer Übergangsperiode solle der Preis für synthetische Kraftstoffe, die schon jetzt zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen können, von derzeit 4,50 Euro je Liter auf unter zwei Euro sinken. Davon könnten Kerosin für Flugzeuge, Diesel für Schiffsantriebe sowie LKW und PKW gleichermaßen profitieren. Deutlicher werden da die Sozialdemokraten in einem Sieben-Punkte-Papier, das ebenfalls am Dienstag herausgegeben wurde: „Um 2035 herum können keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr produziert und zugelassen werden.“

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