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In der Hemelinger Marsch Fledermaus-Jagdgebiet droht Abholzung

Um Platz für neue Hallen zu schaffen sollen laut Bebauungsplan 2516 zwei Wäldchen im Gewerbegebiet Hansalinie weichen. Umweltverbände und die Landesjägerschaft Bremen laufen Sturm gegen die geplanten Maßnahmen.
15.03.2022, 11:40 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Im Gewerbegebiet Hansalinie in der Hemelinger Marsch sollen laut Bebauungsplan 2516 zwei Wäldchen gerodet werden, um neue Hallen zu errichten. „Dabei handelt es sich um relativ dicht gepflanzte Eichenwälder, die als Ersatzpflanzungen entstanden sind“, sagt Henrich Klugkist von der Bremer Naturschutzbehörde. Weil diese Waldbestände noch relativ jung sind, würde sich die Zahl dort brütender Vögel in Grenzen halten: Eine Brutvogelkartierung habe jedoch Arten wie Goldammer, Gartengrasmücke und auch den Mäusebussard nachgewiesen, so Klugkist. Die Nachtigall komme dort ebenfalls vor - eine Art, die reichen Unterwuchs und eine Bodenschicht aus verrottendem Laub braucht. Die Nachtigall ist laut Naturschutzbund (Nabu) Deutschland in den vergangenen Jahren durch Lebensraumverschlechterungen erheblich zurückgegangen.

Jagdgebiet verschiedener Fledermausarten

Henrich Klugkist hält den Naturschutzwert der Flächen insgesamt für eher gering, da die Flächen zu jung seien. Waldbiotope müssten ein gewisses Alter erreicht haben, bevor sich dort gefährdete Vogelarten ansiedeln. Klugkist räumt allerdings ein, dass besonders die Waldränder von mehreren Fledermausarten als Jagdgebiet genutzt werden, wie zum Beispiel der Breitflügel- oder Zwergfledermaus und dem Abendsegler, und in der Nähe würden an der Weser auch Teich- oder Wasserfledermaus jagen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind alle Fledermausarten in Deutschland geschützt, doch Klugkist geht nicht davon aus, dass die Arten in den Wäldern Quartiere gebildet haben, in denen sie Nachwuchs produzieren.

Doch die Seltenheit von dort lebenden Arten ist nicht das einzige Kriterium für den Wert eines Areals: Vor allem für das Jagdwild haben sie eine Bedeutung. Deshalb laufen nicht nur Umweltverbände, sondern auch die Landesjägerschaft Bremen Sturm gegen die geplanten Maßnahmen: „Diese Wäldchen haben größte Bedeutung für die Biodiversität in Bremen“, sagt Marcus Henke, Vizepräsident der Landesjägerschaft Bremen, „und von ihnen sollen rund sechs Hektar Wald vernichtet werden.“ Nach den Worten von Henke nutzen auch bedrohte Greifvogelarten wie Wanderfalke, Rohrweihe oder Rotmilan das Umfeld der Wäldchen als Jagdgebiet. Das jagdlich geschützte Rebhuhn komme dort ebenso vor.

Fachausschuss lehnt Bebauungsplan einstimmig ab

Friedrich Thier, Jagdpächter im Bereich Arbergen und Hemelingen betont die große Bedeutung der Wäldchen vor allem für das Rehwild: „Weil im Gebiet viele Hunde umherlaufen, finden Rehe nur in diesen Wäldchen Schutz und Deckung“, sagt er. Bedingt durch Corona werde das Gebiet noch stärker von Spaziergängern frequentiert und biete für viele Wildtiere die einzigen Ruheflächen im Umkreis.

Vogelkundler Joseph Teupe weist darauf hin, dass im Zuge der Umsetzung des Bebauungsplanes auch zwei Kilometer Hecken beseitigt werden sollen, was wiederum jagdbares Wild erheblich dezimieren würde. „Die Hecken sind besonders bedeutsam für Fasane, aber auch für Hasen“, sagt Jagdpächter Friedrich Thier.

Auch der BUND Bremen fordert den Erhalt der Wäldchen und der Heckenstrukturen: „Immerhin sind die Waldbiotope doch immerhin schon 50 Jahre alt, und es wachsen auch einige alte Bäume darin, die unbedingt geschützt werden sollten“, sagt Joachim Seitz vom BUND. "Besonders bemängeln wir, dass der Schutz von Insekten in keiner Weise berücksichtigt wird: In den Hecken kommen Weißdorn- und Schlehengebüsche vor, die für diese Tiergruppe höchst bedeutsam sind.“ Joachim Seitz weist darauf hin, dass sich in der Heckenlandschaft der für ganz Bremen bedeutendste Bestand der bedrohten Goldammer mit 32 Revieren befindet. „Eine Neupflanzung von Bäumen ist jedenfalls kein Ersatz für den Verlust, der droht“, sagt Joachim Seitz.

Der Fachausschuss Umwelt und Lärm des Beirats Hemelingen hat auf seiner letzten Sitzung den Bebauungsplan zum Ausbau des Gewerbegebiets Hansalinie einstimmig abgelehnt und forderte die Baubehörde auf, diesen zu überarbeiten.

Zur Sache

Viele Tierarten brauchen eine Kombination aus Wald und Offenland

Das Neben- und Ineinander von Waldflächen und Offenland ist eine Kombination zweier Lebensräume, die besonders Tierarten mit großen Aktionsräumen brauchen: Viele Fledermausarten jagen zwar im offenen Luftraum über Äckern und Grünland, doch sie brauchen auch Quartiere, in denen sie vor Nässe, Kälte und Zugluft geschützt sind. Dort schlafen sie, paaren sich und ziehen ihre Jungen auf, und sie nutzen spezielle Quartiere auch zum Überwintern. Die Ränder von Wäldern bieten Fledermäusen meist ein besonders reiches Beuteangebot in Form von Insekten.

Ebenso brauchen viele Greifvögel wie der hierzulande noch häufige Mäusebussard diese Kombination aus Offenland und Wald: In gehölzarmen Flächen können sie ihre Beute leicht erspähen, doch zur Fortpflanzung benötigen sie Waldbiotope, in denen sie meist im Gipfelbereich der Bäume ihre Horste anlegen.

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