Die hausärztliche Versorgung in Horn-Lehe empfinden viele Bürger als unzureichend. Immer mehr von ihnen wenden sich in der Angelegenheit unter anderem an den Stadtteilbeirat. Der hat jetzt Bernhard Rochell in den Fachausschuss für Soziales eingeladen, um über den aktuellen Stand der Ärzteversorgung und über die Regularien für die Verteilung zu sprechen. Rochell ist seit 2021 Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen.
Wie steht es derzeit um die hausärztliche Versorgung in Horn-Lehe?
Aktuell liegt die Versorgungsquote im Stadtteil bei mehr als 100 Prozent, berichtete Rochell. Damit liege Horn-Lehe bremenweit im Mittelfeld. Während die Praxisdichte etwa in Mitte deutlich höher sei, gebe es auch Bereiche, in denen es nur noch 75 Prozent und weniger seien. In fünf solcher unterversorgten Stadtteile habe die Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam mit dem Bremer Krankenkassen-Verband in diesem Jahr Förderpauschalen für Hausärzte angeboten, die zusätzliche Patienten annehmen. Das sei recht gut angenommen worden und werde voraussichtlich im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Wer legt fest, wie viele Ärzte sich in einer Stadt niederlassen dürfen?
Diese Aufgabe teilt sich die KV laut Rochell mit dem Zulassungsausschuss des Krankenkassen-Verbands. Grundlage sei die Bedarfsplanungsrichtlinie, die bundesweite Gültigkeit habe. Und die wiederum habe ihren Ursprung in den 1980er-Jahren als in Deutschland eine Ärzteschwemme herrschte, erläuterte er. Daher rühre auch die festgelegte Versorgungsgrenze von 110 Prozent. Faktoren, die für die Bedarfsplanung eine Rolle spielen, seien unter anderem Anzahl, Alter und Morbidität der Bürger.
Warum sind die Hausarztpraxen ungleich über die Stadt verteilt?
Die Versorgungsgrenze von 110 Prozent gilt im Land Bremen laut Rochell lediglich für zwei Planungsbezirke: Bremen Stadt und Bremerhaven. Wo sich die Ärzte innerhalb dieser Bezirke niederlassen, sei ihnen selbst überlassen.

Bernhard Rochell, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen
An wen können sich Patienten ohne festen Hausarzt wenden?
Wer einer ärztlichen Behandlung bedarf und keinen Hausarzt hat oder findet, kann sich unter der Telefonnummer 116 117 beim Patientenservice melden, berichtete Rochell. Dort würden zeitnah Termine bei Hausärzten vergeben, deren Praxen allerdings unter Umständen außerhalb des eigenen Stadtteils lägen.
Wie steht es perspektivisch um Bremens ärztliche Versorgung?
Derzeit ist Bremen mit 108,5 Prozent gut mit Hausärzten versorgt, berichtete Rochell. Um die Versorgungsgrenze von 110 Prozent zu erreichen, fehlten in Bremen Stadt aktuell 14 Hausärzte. Von Unterversorgung könne daher keine Rede sein – jedenfalls noch nicht. Ab 2030 sehe es nämlich vergleichsweise düster für Bremen aus, betonte Rochell. Das liege am hohen Altersdurchschnitt der Bremer Mediziner. 30 Prozent von ihnen seien dann im Rentenalter, und Nachwuchs sei kaum in Sicht. Der Grund dafür liege auf der Hand. „Bremen ist das einzige Bundesland ohne medizinische Fakultät“, sagte der KV-Vorsitzende. Da angehende Ärzte aber in der Regel in oder nahe ihrer Universitätsstadt sesshaft würden, sei Bremen auch aufgrund seiner geografischen Lage wenig attraktiv als Niederlassungsort für den medizinischen Nachwuchs.
Wie könnte Bremen für den Ärztenachwuchs attraktiver werden?
Bremen muss sich angesichts der fehlenden Ausbildungsmöglichkeit jetzt so schnell wie möglich darauf konzentrieren, Anreize für junge Ärzte zu schaffen, mahnte Rochell. Die KV fördere Berufseinsteiger bereits auf verschiedenen Ebenen, aber das reiche nicht aus. Es müsse sich dringend auch etwas auf kommunaler Ebene bewegen, wie etwa eine Zusicherung von Kitaplätzen für Ärzte oder Auflagen für Investoren, Räumlichkeiten für Arztpraxen in Neubauquartieren vorzusehen. Aber auch auf Bundesebene gelte es, die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung zu verbessern. Eine gleichlautende Petition (158622) sei im Oktober beim Bundestag eingereicht worden und könne noch bis zum 20. Dezember mitgezeichnet werden.