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TV-Diskussion in Huchting um Schulen Bilder einer Bremer Bildungskrise

Bei „Moma vor Ort“ im Morgenmagazin des ZDF diskutierten am Dienstagmorgen Lehrer, Schüler und Politiker in Huchting über den Zustand der Bremer Schulen.
15.01.2019, 19:36 Uhr
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Von Kim Torster

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, aber in der Aula der Oberschule Roland zu Bremen in Huchting brennt das Licht schon seit einigen Stunden. Das ZDF-Fernsehteam des Morgenmagazins ist an diesem Dienstagmorgen zu Gast, um in einer Art Talkrunden-Format über die Bildungskrise zu sprechen. Seit sechs Uhr wird alle halbe Stunde eine zwölfminütige Live-Schaltung nach Bremen eingerichtet: in die Aula der Schule.

„Moma vor Ort“ nennt sich diese Auslagerung des ZDF-Morgenmagazins. Ein Format, das sich nach eigener Aussage an „Brennpunkte in Deutschland“ begibt und dort „Probleme aufgreift, die das ganze Land betreffen“. So heißt es in der Vorankündigung beispielsweise, Bremen habe es als finanzschwaches Bundesland bei der Bildung besonders schwer, und ein Einspieler zeigt die Huchtinger Oberschule Hermannsburg, die nicht einmal eine eigene Turnhalle hat.

Etwa 60 Schüler, einige Lehrer, Eltern und andere Zuschauer sind an diesem Tag besonders früh aufgestanden, um bei der Live-Sendung dabei zu sein. Sie sitzen und stehen nun im Raum verteilt, zwischen den Sendungssequenzen werden sie vom Produktionsleiter hin und wieder umgesetzt – dorthin, wo es noch leer aussieht, obwohl die Aula gut gefüllt ist. Zwischen den Live-Schaltungen unterhält sich das Publikum immer wieder angeregt. Solange, bis der Produktionsleiter verkündet: „Noch eine Minute!“ Dann wird es vorsichtshalber schon frühzeitig ganz still. Und Dunja Hayalis Stimme aus dem Berliner Studio ist über Boxen in der Aula zu hören.

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Moderator Mitri Sirin spricht an diesem Morgen mit mehreren Gästen zu unterschiedlichen Problemen: Finanzierung, Inklusion, die Vorbereitung von Schülern auf die Arbeitswelt und den Lehrermangel. Themen, die einzeln betrachtet wohl eine ganze Sendung füllen könnten, aber sich nun auf Zwölf-Minuten-Häppchen runterbrechen lassen müssen. Nach und nach wird aus unterschiedlichen Perspektiven erläutert, warum es entweder an Geld oder Pädagogen mangelt. Die Roland-Oberschule dient hier stets als Positiv-Beispiel – sie erhält vom Land zusätzliche Gelder, weil sie als Schule in einem Brennpunkt-Stadtteil eingestuft wird. Dadurch gibt es an der Oberschule zu Roland kleinere Klassen, bessere Betreuung und gute Noten.

Als Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) von Moderator Sirin gefragt wird, ob dieses Konzept nicht auch für andere Bremer Schulen sinnvoll sei, verneint sie: Die Ressourcen müssten dorthin gehen, wo sie besonders gebraucht würden.

Wo werden die Ressourcen gebraucht?

Aber wo werden diese Ressourcen eigentlich nicht gebraucht? Achim Kaschub, Schulleiter der Oberschule an der Hermannsburg, der Schule ohne Turnhalle und ohne zusätzliche Gelder, sagt, dass er eigentlich doppelt so viele Menschen einstellen müsste, die sich um seine Schüler kümmern. Referendar Joel Zieris und Oberstufen-Schüler Jan-Malte Röhm, die ebenfalls als Gäste in der Sendung auftreten, berichten von häufigen Unterrichtsausfällen – teilweise werde nur die Hälfte der Stunden in der Oberstufe tatsächlich gegeben. Referendar Zieris sagt, er müsse mitunter minutenlang über die Flure laufen, um einen Overheadprojektor zu finden. Habe er dann endlich einen organisiert, komme es vor, dass dieser dann nicht funktioniere. „Ich wünsche mir eine Ausrüstung, mit der ich arbeiten kann“, sagt er.

Lückenhafte Ausbildung von Seiteneinsteigern

In einer weiteren Sendungssequenz berichtet Christian Gloede, Bremer Landessprecher der Bildungsgewerkschaft (GEW), über die lückenhafte Ausbildung von sogenannten Seiteneinsteigern – Menschen, die innerhalb einer zweijährigen Ausbildung eine Umschulung zur Lehrkraft machen können. Eine Maßnahme, die die Landesregierung ergreifen musste, weil es zu wenig Lehrer gibt. Er sagt: „Das Geld dafür hätte schon vor Jahren ausgegeben werden müssen.“ Die Seiteneinsteiger seien wichtig, um überhaupt erst einmal einen Standard zu erreichen, sagt Gloede. Eine Situation, in der es immerhin nicht mehr zu massiven Unterrichtsausfällen komme.

Dass aber selbst ein Standard nicht ausreicht, hatte bereits Ayten Sariyildiz zu Beginn der Sendung deutlich gemacht. Sariyildiz ist die Schulleiterin der Roland-Oberschule in Huchting. Um sechs Uhr morgens stand sie am Moma-Pult und erklärte, sie sei Verfechterin der Inklusion – Inklusion sei aber nur möglich, wenn die zusätzliche Betreuung der Kinder sichergestellt sei. Etwas, das über den Standard hinausgehe.

Handelskammer beklagt Bildungsdefizite

Etwas später darf Sariyildiz ein zweites Mal auftreten. Ihr Gesprächspartner Christian Freese, Vize-Präses der Handelskammer, beklagte, dass Schul-Absolventen häufig die Reife für eine Berufsausbildung fehlen würde. Sariyildiz erwidert: „Wir sind kein Online-Versand, bei dem Unternehmen Schüler so bestellen können, wie sie sie haben wollen“. Stattdessen müsse auch bei den Unternehmen ein Umdenken stattfinden – sie könnten sich nicht mehr so präsentieren, wie vor 20 Jahren. Bildung, sagt Sariyildiz, sei immer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Keine Partei und kein Unternehmen könne sich davon ausnehmen. Dies ist der Moment, in dem sich Sariyildiz' Schüler rühren. Beinahe drei Stunden haben sie mucksmäuschenstill zugehört. Schüler aus Huchting, denen so oft so wenig zugetraut wird. Hier, im Brennpunkt, wie es das ZDF ausdrückte.

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