Hühner entwickeln sich entgegengesetzt zum Wohnungsmarkt. Wie ich darauf komme? Erkläre ich gleich. Ich war just dabei, Löwenzahn zu stechen, als durchs gekippte Arbeitszimmerfenster Kinderstimmen und ein paar Satzfetzen an mein Ohr drangen, die nicht für mich bestimmt waren. Die Worte, die ich hörte, waren „Mama“, „Überraschung“ und „pssst“.
Das Wort Überraschung löst bei mir immer alle Alarmglocken aus. Das mag an traumatischen Erlebnissen bei Überraschungsbesuchen liegen: An 99 von 100 Tagen sieht es bei uns ganz manierlich aus. Aber sobald ein Tag kommt, an dem es den Anschein macht, als hätten sich Horden von Einbrechern in unserem Haus ausgetobt und danach zum Kindergeburtstag geladen, kann ich Gift darauf nehmen, dass meine Nachbarin mit einem Stück übrig gebliebenem Kuchen, einem falsch zugestellten Paket oder irgendetwas anderem in der Hand vor der Tür steht. Ich gehe fest davon aus, dass sie mich für eine liederliche Hausfrau hält. Und selbst, wenn ich mich doch mal überraschen lassen will, geht alles schief. Als ich zum Beispiel die Kollegen zur Grillparty in den Garten lud, wollte jeder so nett sein und etwas mitbringen. Ich fertigte eine Liste an, auf der sich alle eintragen konnten. Aus Spaß schrieb ich die Zahlen von eins bis zehn auf und hinter jede Zahl das Wort „Eiersalat“.
Es kam der Tag der Party. Iris stellte ihren Eiersalat auf dem Büfett ab. Dann kam Sylvia und packte ihre Schüssel mit Eiersalat aus. Auch alle anderen Gäste hatten Eiersalat zubereitet. Nur Julia nicht. Sie hatte es nicht geschafft, rechtzeitig Feierabend zu machen: „Ich habe aber noch schnell im Supermarkt angehalten und dir Eiersalat gekauft. Den hattest du dir doch so gewünscht.“
Deshalb rückte ich nun etwas dichter ans Fenster, um zu erfahren, welche Überraschung die Kinder wohl planten. Ich hörte das Wort „mieten“.
Mieten? Man kann heutzutage alles Mögliche mieten: E-Bikes, Kettensägen, Hüpfburgen, Ferienhäuser, Frauen in der Torte. Und bestimmt auch Männer. Aber ich glaubte eigentlich weder, dass meine Kinder mich mit einer Torte noch mit einem fremden Mann überraschen wollten. Dann eher mit einer Hüpfburg. „Wo wäre denn ein guter Platz im Garten?“, fragte jetzt ein Kind das andere. Interessant. Sie wollten etwas mieten und dafür brauchten sie Platz im Garten. Vielleicht sollte ich mich an Kettensägenkunst versuchen?
Ich hatte die ganze Geschichte schon halb vergessen, als ich am Abend einen liegengebliebenen Ausdruck am Computer entdeckte: „Sie wollen Hühner mieten? Kein Problem.“ Avisiert wurde ein Komplettpaket bestehend aus Miet-Hennen, Hühnerfutter, Stall und Steckzaun. Ich starrte auf den Preis, den Halter von mobilen Hühnern zahlen. Er war ganz schön hoch, jedenfalls höher als ich gedacht hätte.
Insofern überrascht es mich, dass sich Hühner entgegengesetzt zum Wohnungsmarkt entwickeln: 80 Prozent der Deutschen kaufen inzwischen lieber ein Haus, als dass sie eins mieten. Ich überschlug, wie viele Pakete Bio-Eier ich für den Preis von fünf Miet-Hühnern samt Zubehör kaufen könnte und schluckte. Mir war speiübel, weil ich an die vielen Eier denken musste. Es überrascht Sie vielleicht: Aber ich mag wirklich keine Eier.
Nachdem sich in der vergangenen Woche ein Fehler in der E-Mail-Adresse eingeschlichen hat, bitten wir nun noch einmal um Fotos aus den Gärten unserer Leser. Schicken Sie einfach ihr schönstes Bild mit einem aussagekräftigen Satz an online-redaktion@weser-kurier.de. Alle Texte dieser Gartenkolumne finden Sie unter: www.weser-kurier.de/gartenkolumne
Martin Renz von der Stadtbibliothek empfiehlt:
Kaufen oder mieten? Wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen“ von Gerd Kommer (Campus 2016) versteht sich zwar eigentlich als Hilfestellung für Leute, die über den Erwerb einer Immobilie nachdenken. Die Argumente lassen sich aber bestimmt auch auf Hüpfburgen und Hühner übertragen. Was man bei letzteren unbedingt mitberücksichtigen sollte: Das Hühnerei bekommt Konkurrenz! „Aquafaba“ ist ein Trend aus der veganen Küche: Eischnee aus dem Kochwasser von Hülsenfrüchten. In „Vegane Rezepte mit Aquafaba“ von Zsu Dever (AT 2017) findet sich eine Unmenge von Ideen zum Experimentieren, von Apfelsaft-Donuts über Kekse und Kuchen bis Zuckerguss auch viel Herzhaftes. Leider ohne Rezept für Eiersalat.