Das Gedächtnis der Stadt, das Staatsarchiv, platzt schon lange aus allen Nähten. Schon 2019 floss viel Geld in den rund zweijährigen Sondierungsprozess, um den unterirdischen Bunker auf dem Domshof als Magazin nutzbar zu machen. Diese Pläne seien verworfen worden, da die zunehmenden Starkwassereinbrüche Gift für eingelagerte Archivalien seien, sagt Konrad Elmshäuser. Nun aber geht für den Leiter des Staatsarchivs ein über Jahrzehnte gehegter Traum in Erfüllung. Elmshäuser informierte jetzt im Rahmen einer virtuellen Sitzung des Beirates Mitte über die Pläne. Der Erweiterungsbau eines neuen Magazins soll auf dem Grundstück des Staatsarchivs realisiert werden. Baubeginn soll nicht vor Sommer 2024 sein.
Das Bundesbauministerium fördert in diesem Jahr mit dem Programm "Nationale Projekte des Städtebaues" bundesweit 20 Projekte, das Staatsarchiv ist eines davon. Das Fördervolumen des Bundes für das neue Magazin beläuft sich auf 4,1 Millionen Euro, das sind rund die Hälfte der Realisierungskosten, den Rest muss Bremen tragen. Voraussetzung war, so Elmshäuser, dass das Bauprojekt noch nicht begonnen hat. Daraus, dass sich der Förderzeitraum über vier Jahre, von 2021 bis 2025 erstreckt, ergibt sich ein für die Umsetzung des Neubaus extrem ambitionierter Zeitplan. Denn bislang gibt es noch nicht einmal einen Architektenwettbewerb. Für die Bürgerbeteiligung samt Workshops und direkter Rückkoppelung sowie den Planungswettbewerb wird noch nicht einmal ein Jahr veranschlagt, die Zeitspanne geht von Oktober dieses Jahres bis Juni kommenden Jahres. Planung und Vergabe soll dann 2023/2024 erfolgen. Die Umsetzung des Bauvorhabens soll im Juni 2024 beginnen und sich bis Dezember 2025 erstrecken. Der Projektabschluss ist dann für das erste Halbjahr 2026 geplant.
"Wahrscheinlich gibt es kaum einen schlechteren Zeitpunkt, um den Neubau des Magazins an der Südost-Seite des alten Magazinturmes zu realisieren", ist sich Elmshäuser der Problematik bewusst. Denn in der benachbarten Kohlhökerstraße läuft jetzt der Abriss des ehemaligen Bundesbankgebäudes. Bereits seit rund zwei Jahren kämpft die Bürgerinitiative Kein Hochhaus im Viertel erbittert gegen die Bebauungspläne des Investors Evoreal und vor allem um jeden einzelnen Baum. Inzwischen sind auf dem Grundstück vier Platanen gefällt worden. Auf die Frage, ob es keine Option gewesen wäre, das neue Magazin des Staatsarchivs in das Bundesbankgebäude zu verlegen, sagte Elmshäuser, dass dort die anvisierten Regalmeter nicht hätten untergebracht werden können. Im Grunde genommen sei das bereits auch bei dem Provisorium der Fall gewesen, in dem das Staatsarchiv seit 1994 Dokumente lagert, und zwar in dem inzwischen auch übervollen Bunker hinter dem Ortsamt Mitte/Östliche Vorstadt in der Straße Am Dobben. "Seit zehn Jahren wird er von uns für Bestände genutzt, die wir dauernd brauchen, das erhöht den Arbeitsaufwand extrem", erläuterte Elmshäuser. Ausschlaggebend für die Bewilligung der Fördergelder durch den Bund sei auch gewesen, die Arbeitsbedingungen im Archiv zu verbessern.
Der Neubau des Magazins soll den Altbau des Staatsarchivs mit einem ebenerdigen Gang verbinden, um einen wasserfesten Transport von Archivalien zu gewährleisten. Die Hauptsorge des Beirats Mitte und des Umweltbetriebs Bremen (UBB) gilt indes dem Baumbestand in unmittelbarer Nähe des Staatsarchivs am Imre-Nagy-Weg. So betonte etwa Beiratsmitglied Jonas Friedrich von den Grünen, dass die Erhaltung der neun Bäume unbedingt in das Architekturkonzept eingebettet werden müsste. Günter Brandewiede von UBB empfahl besondere Vorsicht im Umgang mit dem Wurzelwerk. Bauvorhaben dieser Art seien generell eine Belastung für Bäume. Bei den Planungen solle es auch darum gehen, die Aufenthaltsqualität in der benachbarten Grünanlage mit stark frequentierten Rad- und Fußwegen zu verbessern und auch, dunkle Angstwege aufzuheben beziehungsweise Radwege zu entschärfen, ergänzte Staatsarchiv-Leiter Elmshäuser.
Elmshäuser betonte, dass das Staatsarchiv seit 50 Jahren ein sehr gutes, nachbarschaftliches Verhältnis mit Geschäftsleuten und Anwohnerschaft im Fedelhören pflege. Das solle auf jeden Fall so bleiben. Und er betonte: Mit dem geplanten, vierstöckigen Neubau in Höhe von rund zwölf Metern und einem Zugewinn von 10.000 freien Regalmetern käme das Staatsarchiv für die nächsten 20 bis 25 Jahre gut hin. Ab dann griffe die Digitalisierung in den Behörden. Der Neubau ist nur halb so hoch wie der alte Magazinturm. Auch wenn der Papierfluss künftig signifikant abnehmen werde, papierlos werde die Zukunft des Staatsarchivs wohl nie ganz sein, beantwortete Elmshäuser eine Nachfrage von Beiratsmitglied Dirk Paulmann (CDU). Denn die Digitalisierung von Dokumenten, um anschließend Originale vernichten zu können, sei ein extrem kostspieliges Unterfangen im Vergleich zur analogen Archivierung: "Papier ist geduldig und außerdem: Ein Original ist ein Original". Um digitalisierte Dokumente wasserdicht für manipulative Cyberangriffe zu machen, müssten sie in großen, fälschungssicheren Rechenzentren gespeichert werden. "An der Etablierung des digitalen Archivs Nord arbeiten wir bereits in Kooperation mit Hamburg", bilanzierte Elmshäuser. Eine Absage erteilte er allerdings den Ideen von Beiratsmitglied Birgit Olbrich (SPD): Für Museen und Archive sei das Anbringen von Solaranlagen auf dem Dach alles andere als opportun, weil sich diese, wenn sie einmal in Brand gerieten, nur schwer löschen ließen. Gleiches gelte für die von Olbrich ins Spiel gebrachte Holzverschalung der Außenfassade des neuen Magazins.