Vater, Mutter, Kind, das ist der Klassiker, so sehen die meisten Familien aus. Aber diese Familienform bekommt immer mehr Gesellschaft: Kinder wachsen mit zwei Müttern auf, haben nur einen Elternteil oder mehr als zwei Eltern, die für sie sorgen und sie liebevoll großziehen. Die Bremer Sozialbehörde hat jetzt mit dem Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben eine Infobroschüre herausgegeben, die über die Vielfalt von Familienformen aufklärt. Damit gemeint sind vor allem lesbische und schwule Paare mit Kind, aber auch Familien, in denen zum Beispiel ein Elternteil eine Transidentität hat. Die Broschüre fasst die verschiedenen Konstellationen zusammen unter dem Begriff "Regenbogenfamilien".
Die Bremerin Greta Bernau hat eine dieser Familien gegründet: Die Sozialpädagogin zieht gemeinsam mit ihrer Partnerin ein Kind groß. Mutter-Mutter-Kind, das ist bisher mit rund 93 Prozent die häufigste Konstellation bei den Regenbogenfamilien, stellt eine Studie des Bundesjustizministeriums zum Thema klar. „Wir waren seit sieben Jahren zusammen, als meine Freundin schwanger wurde“, erzählt die 44-jährige Bernau. Vater ihres Kindes ist ein privater Samenspender aus dem Bekanntenkreis der beiden. „Uns war es wichtig, dass unser Kind weiß, wer sein Vater ist und ihn auch regelmäßig ein paar Mal im Jahr sieht.“ Im privaten Umfeld haben sie und ihre Partnerin gute Erfahrungen mit der Familiengründung gemacht, erzählt Bernau: Freunde und Familie reagierten freudig und mit vollem Rückhalt auf die Nachricht, dass sie ein Kind bekommen.
Schwieriger war der bürokratische Weg zum Sorgerecht für beide Frauen: Sie gaben sich das amtliche Ja-Wort vor allem, damit auch beide das Sorgerecht für das Kind bekommen können, erzählt Bernau. Doch selbst mit dem staatlichen Segen für die Partnerschaft war das nicht einfach. "Als die Adoption endlich durch war, war das Kind zwei Jahre alt", erinnert sich die Pädagogin. Kein Einzelfall: Der Weg zur sogenannten Stiefkindadoption sei für homosexuelle Paare immer noch langwierig, sagt Annette Mattfeldt vom Rat&Tat-Zentrum. Mattfeldt hat mit ihrer Kollegin Caro Schulze die Broschüre für die Sozialbehörde verfasst. Zwar lobt sie den Bremer Umgang mit dem Thema: "Bremen ist schon insgesamt eine offene und liberale Stadt, es gibt zum Beispiel in Kitas und Schulen viel Interesse an dem Thema". Doch rechtlich gebe es noch viel Verbesserungsbedarf. Der Weg zur Familiengründung sei für gleichgeschlechtliche Paare weiterhin steinig: "Es gibt schon in Beratungsgesprächen zum Teil sehr viel Frust, wenn Paare mitbekommen, wie schwierig das alles noch ist."
Bernau und ihre Partnerin bekamen zum Beispiel Besuch von einer Mitarbeiterin des Jugendamts und mussten in einem ausführlichen Lebensbericht persönliche Fragen beantworten: „Wir sollten beschreiben, wie wir aufgewachsen sind und wie unsere Eltern uns erzogen haben, sollten Fragen zu unserer Beziehung und unserem sozialen Umfeld beantworten“, erzählt Bernau. „Außerdem wurde geprüft, ob ich eine Bindung zu dem Kind aufgebaut habe – das müssen Eltern in heterosexuellen Beziehungen nicht.“
Der Name des Sorgeberechtigten
Für die Info-Broschüre fragten die Autorinnen Bremer Regenbogenfamilien nach ihren Wünschen. Greta Bernau war eine von ihnen und äußerte konkrete Anregungen: „Ich wünsche mir, dass unsere Familienform in Anträgen oder Gesprächen als Möglichkeit auftaucht, also dass in einem Formular zum Beispiel nicht ,Vater' und ,Mutter' steht, sondern ,Name der Sorgeberechtigten'.“
Verlässliche Zahlen, wie viele Regenbogenfamilien aktuell in Deutschland leben, gibt es nicht – statistisch werden nur gleichgeschlechtliche Paare erfasst, die verheiratet sind. Man kann davon ausgehen, dass in einer Großstadt wie Bremen etwa zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell, bisexuell, Inter- oder Trans-Personen sind, sagt Annette Mattfeldt. Unterstellt man in einer vorsichtigen Schätzung, dass jede dritte erwachsene Person dieser zehn Prozent einen Kinderwunsch hat und auch umsetzen kann, dann käme man potenziell allein in Bremen auf mehr als 13.000 Regenbogenfamilien.
Gerade für Beschäftigte von Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen gehört es folglich immer mehr zum Alltag, dass Kinder zum Beispiel zwei Mütter haben. An dieses Fachpersonal, aber auch an alle anderen Interessierten richtet sich die Infobroschüre der Sozialbehörde. Die Erstellung des 30-seitigen Heftes ist ein Baustein des Bremer Aktionsplans gegen Homo-, Trans- und Interphobie. In der Broschüre wird zum Beispiel auch über die rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren informiert, die ein Kind groß ziehen wollen. Zudem gibt es Infos zum Stand der Forschung zu Kindern in Regenbogenfamilien, eine Übersicht über Anlaufstellen für queere Familien in Bremen und Buchtipps.
Die Broschüre sei eine Reaktion auf den "wachsenden Informationsbedarf" zum Thema, sagt Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Sie soll eine Hilfestellung sein, "sensibel und angemessen auf die Vielfalt von Familien einzugehen" und werde an verschiedenen Stellen wie zum Beispiel Bremer Kitas und Häusern der Familie verteilt. Interessierte können sie auch über das Rat&Tat-Zentrum erhalten unter Telefon 0421 / 70 41 70.