Kaum jemand kommt unbeschadet durch die Erkältungssaison: Vor allem wer häufig dort unterwegs ist, wo viele Menschen zusammenkommen, den dürfte es früher oder später erwischen. Erstes Symptom sind meistens Halsschmerzen, gefolgt von Schnupfen und verstopfter Nase, Husten, oft kommen Kopf- und Gliederschmerzen und eine erhöhte Temperatur dazu. Viele bekämpfen die lästigen und belastenden Beschwerden mit Hausmitteln oder rezeptfreien Präparaten aus Apotheken und Drogerien. Neben Nasentropfen, Hustenstillern und Lutschpastillen gegen Halsschmerzen gibt es auch Mittel, die auf einen Schlag gegen alle Erkältungssymptome wirken sollen.
„Das Geschäft mit sogenannten Grippe- und Erkältungsmitteln ist ein Riesengeschäft“, sagt der Gesundheitswissenschaftler und Pharmakologe der Universität Bremen, Gerd Glaeske. „Die Pharmahersteller setzen in Deutschland rund eine Milliarde Euro im Jahr mit dem Verkauf dieser Mittel um. Und das scheint sich immer wieder aufs Neue zu lohnen, weil viele Menschen meinen, einen grippalen Infekt beziehungsweise eine Erkältung mit Medikamenten besser bekämpfen zu können.“ Das sei jedoch ein Irrglaube, betont der Arzneimittelexperte: Es gebe Mittel, die Symptome bei einer Erkältung positiv beeinflussen oder lindern könnten – einen grippalen Infekt schlagartig vertreiben oder ihn verhindern könne kein Medikament.
Glaeske rät vor allem von sogenannten Kombi-Präparaten, die als Grippe- und Erkältungsmittel beworben würden, ab. Sie sollen verschiedene Symptome gleichzeitig lindern und enthalten deshalb mehrere Wirkstoffe. „Allerdings treten Halsschmerzen, Schnupfen, Husten und andere Beschwerden meist nicht in der gleichen Konstellation auf, sondern oft nacheinander. Dazu kommt, dass die Kombination mehrerer Wirkstoffe auch unerwünschte Nebenwirkungen auslösen kann“, warnt der Pharmakologe. Beispiel dafür sei eine Wirkstoff-Kombination aus einem Schmerzmittel wie Ibuprofen und einer ephedrinähnlichen Substanz. Letztere soll zu einem Abschwellen der Nasenschleimhäute bei Schnupfen führen. Glaeske: „Ephedrin kann aber den Blutdruck erhöhen und bei dafür empfindlichen Menschen Herzrasen auslösen. Das sind unerwünschte Nebenwirkungen, die man nicht in Kauf nehmen muss, wenn es gleichzeitig Nasentropfen gibt.“ Grundsätzlich rät der Arzneimittelexperte dazu, wenn überhaupt, Mittel gezielt gegen das Symptom einzunehmen, das besonders belastend ist. Glaeske: „Da kann man dann einzelne Mittel versuchsweise einsetzen.“
Schnupfen und verstopfte Nase: Abschwellende Tropfen oder ein Spray können helfen. Allerdings dürften sie nur maximal fünf bis sieben Tage angewendet werden. Bei längerem Gebrauch gewöhne sich die Nasenschleimhaut an die Dosis, was zur regelmäßigen Anwendung des Sprays führe. Das könne die Schleimhaut irreparabel schädigen. Glaeske: „Spray und Tropfen zum Abschwellen also nur kurz benutzen oder den Schnupfen ganz ohne Medikamente mit einer Nasenspülung oder Meersalzlösungen lindern.“
Kopf- und Gliederschmerzen: Wer bei einer Erkältung darunter leide und etwas dagegen einnehmen möchte, könne auf Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol, oder ASS zurückgreifen – sofern nichts dagegen spreche. „Bis zu drei Tagen kann man das mal machen“, so Glaeske. „Ich würde zum Beispiel Brausetabletten nehmen, weil der Wirkstoff bereits aufgelöst in den Magen gelangt, dadurch relativ rasch wirkt und gut verträglich ist.“ Die Brause-Variante gebe es auch mit Vitamin-C-Zusatz. „Das ist aber nicht notwendig, auch wenn das besonders gesund klingt. Es wird dazu gemischt, weil man immer wieder hört, Vitamin C sei gut zur Vorbeugung und zur schnellen Genesung bei Erkältungskrankheiten. In Studien konnte das aber nicht belegt werden“, betont der Arzneimittelexperte. Wer auf solche Mittel verzichten, aber dennoch etwas gegen Kopfschmerzen unternehmen will, könne Pfefferminzöl sanft auf Schläfen und Stirn einmassieren. Glaeske: „Der Effekt ist in Studien nachgewiesen. Es wirkt fast genauso gut wie ein Gramm Paracetamol
Halsschmerzen: Die meisten Mittel, die in Apotheken und Drogerien gekauft werden können, hätten sich als hundertprozentig wirksam erwiesen. „Es gibt Lutschpastillen und Präparate mit schmerzstillenden Substanzen, man kann das ausprobieren. Aber die meisten Mittel sind in der Wirksamkeit und im Nutzen eher zweifelhaft“, so der Gesundheitsforscher. Als Hausmittel eigne sich frisch gekochter, aber nicht zu heißer Salbei-Tee zum Gurgeln.
Husten: Er kann besonders lästig, anstrengend und vor allem auch störend sein – wenn er als Reizhusten in der Nacht den gerade bei einer Erkältung dringend benötigten Schlaf raubt. Glaeske: „Dagegen gibt es hustendämpfende Mittel, die auch nach Studien ganz gut wirksam sind. Schwierig wird es allerdings, wenn sich der Schleim in den Bronchien verfestigt hat und gelöst werden soll.“ Sogenannte Schleimlöser würden in ihrer Wirkung überschätzt. Auch Mittel aus dem pflanzlichen Bereich wie Thymian, Spitzwegerich oder Präparate wie Isländisch Moos könne man ausprobieren. „Allerdings ist man beim Thema Schleim- und Hustenlöser eher eingeschränkt, was wirksame Mittel betrifft. Darum ist das ganz klassische und bewährte Inhalieren aus meiner Sicht die bessere Variante“, rät der Pharmakologe. „Einfach pur mit Wasserdampf, man kann das aber auch mit Eukalyptus- oder Latschenkiefernöl anreichern, damit es gut riecht. Zwei- bis dreimal am Tag sollte man inhalieren.“
Grundsätzlich sollte man bei einer Erkältung viel trinken, sich nicht in überheizten Räumen aufhalten und dem belasteten Immunsystem Ruhe gönnen. „Das bedeutet auch, dass man – wenn es möglich ist – auch mal ein, zwei Tage zu Hause bleibt“, rät Glaeske. In jedem Fall sollten Anstrengung und Aktivitäten, die das Abwehrsystem zusätzlich belasten, vermieden werden.
Aktuell würden zwei Sprays beworben, die Erkältungsviren schon vor dem Eindringen in die Schleimhäute abfangen und damit eine Ansteckung verhindern sollen. Glaeske: „Sie werden laut Hersteller in die Nase oder den Rachen gesprüht und sollen dort eine Art wirkstoffhaltigen Schutzfilm auf den Schleimhäuten bilden. Davon würde ich abraten, weil es keine aussagekräftigen Studien zur Wirksamkeit gibt.“ Die Sprays würden als Medizinprodukte verkauft, für die Markteinführung solcher Produkte würden weniger strenge Prüfkriterien gelten als für Arzneimittel. Ebenso sei kaum untersucht, wie verträglich die Mittel im Hinblick auf eine Langzeitanwendung seien. „2004 hat es schon einmal ein ähnliches Produkt gegeben, dieses Abdichten von Schleimhäuten hat sich in Studien aber nicht bewährt“, so der Arzneimittelforscher.
Wer Erkältungen vorbeugen oder zumindest das Immunsystem stärken will, sollte dies laut Glaeske in der infektfreien Zeit tun, wenn es dem Körper gut geht. „Wer das aushält, kann zum Beispiel abwechselnd heiß und kalt duschen, Saunagänge sind auch gut. Und man sollte Dinge tun, die den Körper zum Schwitzen bringen, also Sport und Bewegung am besten an der frischen Luft.“ Nicht rauchen, wenig Alkohol, viel Schlaf und eine gesunde Ernährung gehörten ebenfalls dazu. In der Erkältungssaison sollte man größere Menschenansammlungen meiden, um sich möglichst nicht anzustecken. Erkältungsviren werden über Tröpfchen weitergegeben. „In dieser Zeit sollte man sich die Hände auch häufiger als sonst waschen und möglichst auch auf ein Händeschütteln zu Begrüßung verzichten“, rät Glaeske. „Es gibt Untersuchungen, wonach man sich mit den Händen fünf- bis sechsmal in einer Minute im Gesicht berührt. Wenn Hände oder Finger Viren tragen und man kommt dabei an Schleimhäute in Augen, Nase oder Mund, ist man schnell angesteckt.“