Dieser Abend hielt dann doch einige Überraschungen für meine Begleitung und mich bereit. Wir freuten uns auf einen gediegenen Restaurantbesuch und schon der Empfang machte uns klar, dass alles etwas anders ablaufen würde als sonst. Das Lokal gleicht eher einem Bistro, in dem viele nur etwas trinken. Wenn die Gäste auch etwas essen, verschwinden sie alsbald danach auch wieder.
Kein Wunder, denn im Medoo geht es alles andere als gemütlich zu. Die Stühle stehen eng an eng, sodass wir regelmäßig angerempelt wurden oder aus Freundlichkeit noch ein Stückchen näher an den Tisch heranrückten, um die Nachbarn durchzulassen. Die Lautstärke liegt weit über dem, was man lauschig nennt. Wir kamen einfach nicht runter, entspannten nicht, konnten nicht genießen.
Die Auswahl erstaunt
In der normalen Speisekarte befanden sich nur Salate und Kleinigkeiten, für die ich - pardon - nicht ins Restaurant muss. Dass das Tagesangebot hinter der Theke an einer Tafel angeschlagen wird, darauf hatte uns keiner aufmerksam gemacht. Sondern wir entdeckten es selbst. Per Handy fotografierte ich es ab, damit wir am Tisch beratschlagen konnten. Wir wollten die Schlange vor der Theke nicht noch größer, den Geräuschpegel nicht noch höher und die Gesamtsituation nicht noch wuseliger machen. Trotz dieses grundsätzlich unspektakulären Betriebs erstaunte uns die Auswahl. Artischocken, Hirschgulasch und etliche vegane Gerichte hätten wir in dieser Mensaatmosphäre gar nicht erwartet.
Nach etwa 15 Minuten kam dann endlich eine Kellnerin an den Tisch und nahm die Bestellung auf. Meine Begleitung entschied sich für eine Bouillabaisse (5,50 Euro). Die Fischsuppe, die noch würziger hätte sein dürfen, wackelte der Kellner in einem tiefen Teller unkonzentriert an den Tisch. Meine Tomaten-Kokos-Ingwer-Cremesuppe (4,40 Euro) besaß eine füllige, dicke Konsistenz und schmeckte kräftig.
Lediglich die Ingwerfasern störten mächtig. Die Kokosanklänge spürte mein Gaumen kaum. Das Besteck kam zu jedem Gang mit dem Gericht. Es war in diese typischen, hauchdünnen Servietten eingewickelt, die den Namen eigentlich gar nicht verdienen. Warum? Weil sie einfach nichts bringen. Wer kleckert und damit abwischen möchte, kann es gleich mit der bloßen Hand tun.
Die Dunkelbier-Honig-Senf-Soße hatte es meiner Begleitung angetan, weshalb sie den Schweinebraten (11,90 Euro) als Hauptgericht wählte. Das Fleisch war zum Glück nicht zu fett und dennoch zart. Die Soße gab dem eher normalen Gericht einen würzigen Schub. Mein Lamm (15,50 Euro) stand auf der Tafel als feines Ragout. Auf dem Teller lag es lieblos als Schmortopf mit Auberginen, Kreuzkümmel, Paprika und Oliven. Dennoch schmeckte es gut.
Eine Birnentarte zum Nachtisch
Als Beilagen konnten wir zwischen Reis, Kartoffeln oder Spätzle wählen. Wir beide wählten Spätzle, die mir als Schwaben aber den Abend verdarben. Es waren schlichtweg keine Spätzle - zumindest keine handgeschabten. Sie waren abgekocht aus der Tüte und danach fanden sie ihr Ende in der Pfanne, wo sie so lange angebraten wurden, bis sie trocken und hart auf unseren Teller landeten. Spätzle werden nie, egal ob aus der Tüte oder handgeschabt, in der Pfanne totgebraten.
Der Schwabe an sich mag es geschmeidig und schlotzig (feucht, sämig, cremig), weshalb er auch einen immensen Soßenverbrauch hat. Aber er mag es nie und nimmer trocken bzw. ausgetrocknet. Mal ganz davon abgesehen, dass der Schwabe nur selbstgemachte Spätzle als Spätzle durchgehen lässt. Alles andere sind wie im Rest der Republik Nudeln. Zur Hauptspeise wählten wir einen biologisch angebauten Tinto aus Portugal (0,2 Liter für 5,50 Euro), der uns allerdings etwas zu sauer war und zu wenig Aroma verströmte.
Als Nachtisch wählte meine Begleitung eine Birnentarte mit Vanilleeis (4,50 Euro), die allerdings ebenfalls viel zu trocken war. Es handelte sich nur um mehrere Schichten Blätterteig, die zu lange im Ofen waren. Leider waren auch die Birnen zu lange im Rohr, sodass sie braun wurden und ihre Saftigkeit verloren. Dem Nachtisch fehlte der buttrige, zart schmelzende Geschmack, der eine Tarte erst zur Tarte macht. Leider konnte auch das Eis nicht mehr viel ausrichten. Interessanter und bedeutend gelungener war meine Zitronen-Limoncello-Panna-Cotta (4,20 Euro), die cremig und aromatisch über die Zunge glitt.
Fazit: Das Medoo bietet teils interessante Kombinationen auf der Karte, die letztlich aber unspektakulär auf dem Teller landen und an etlichen Stellen handwerkliche Präzision vermissen lassen. Die Beliebtheit des Lokals mag an der unkomplizierten, bodenständigen bis hemdsärmeligen Art liegen.
Medoo, Friesenstraße 103, 28203 Bremen, Telefon 0421 735 50, Öffnungszeiten: täglich ab 12 Uhr, nicht barrierefrei, keine Internetseite