Nach etwa fünf Minuten wurde es ziemlich voll rund um die Eingangstür, weil auch noch zwei Damen zu uns stießen, die ebenfalls warteten, bis sie vom Personal an einen Tisch begleitet wurden. Wir gingen absichtlich nicht schnurstracks durchs Lokal an einen Platz, weil wir reserviert hatten. Dass wir alle brav warteten, quittierte die Kellnerin eher mit einem etwas irritierten Lächeln, als wollte sie uns damit sagen: Setzt euch doch einfach, wo es frei ist. Doch inzwischen gehört diese hemdsärmelige Einstellung in vielen Restaurants der Vergangenheit an. Letztlich erhielten wir einen Vierertisch zu zweit im Wintergarten mit Blick auf die bis in den späten Abend hinein belebte Horner/Leher Heerstraße.
Es ist nun wirklich Geschmacksache, ob sich der Gast wohler im hellen Wintergarten oder im mit dunklem, schwerem Holz ausgestatteten Rest des Lokals fühlt. Geschichtsträchtig geht es überall zu. Hier spricht man auch nicht von einem Restaurant, sondern von einer Restauration – und zwar der ältesten Restauration des Stadtteils. Nach der Horner Kirche handelt es sich sogar um das älteste Haus. Bereits 1746 speisten die ersten Gäste im Goedeken’s.
Als wir die etwas unhandlichen, länglichen Karten aufschlugen, schauten wir uns an. Und freuten uns. Was wir da lasen, gefiel uns sehr. Neben der gesonderten Spargelkarte bot auch das normale Angebot für jeden etwas: von der leichten und Bistro-Küche über eine reichhaltige Vorspeisenauswahl bis hin zu aufwendigen Fisch- und Fleischgerichten.
Meine Begleitung entschied sich für die Tagessuppe (4,50 Euro). Die cremige Spargelcremesuppe, die aber noch eine Prise mehr Würze vertragen hätte, servierte die Kellnerin in einem großen Weckglas. Ein allzu verbreiteter Trend. Kein Wunder also, dass meine unglaublich schaumige Parmesansuppe (5,80 Euro) auch in diesem Gefäß vor mich gestellt wurde. Aber das Drumherum fiel mir recht schnell gar nicht mehr auf, weil ich schon seit einigen Restaurantbesuchen keine so wohlschmeckende, auf den Punkt gewürzte Suppe mehr gegessen hatte. Die frischen, untergehobenen Parmesanhobel stützten das vollmundige Aroma und machten sie vollkommen rund. Ich hätte immer weiter und weiter und weiter löffeln können. Meinem Vernehmen nach leerte sich das Weckglas viel zu schnell. Was für ein formidabler Einstieg!
Die Weinkarte im Kopf der Kellnerin
Und es ging gerade so weiter. Mein Gegenüber jubelte, als es sein Chateaubriand vor sich stehen hatte. Das butterzarte, rosa gebratene Rinderfilet war seine 29,90 Euro wert. Zum Fleisch goss der Koch eine buttrige Estragon-Hollandaise und eine kräftige, dunkelrote, geschmacksintensive Portweinjus, zu der das herzhafte Kartoffelfgratin einwandfrei passte. Ja, ich gebe es zu, ich musste mir hin und wieder ein Stück des grandiosen Fleisches abschneiden und mir auf der Zunge zergehen lassen. Aber meiner Begleitung ging es mit meinem Zander im Speckmantel (18,50 Euro) nicht anders.
Die Kombination aus einem sanften Fisch und dem kernig-rauchigen Aroma des Specks machte das Gericht erst so spannend auf der Zunge. Auch hier naschten wir eins ums andere Stück und zeigten uns verzückt. Die Tagliatelle mit Tomatensoße gerieten dabei in der Tat zur Sättigungsbeilage, zur Nebensache. Vermutlich auch deshalb, weil dieser kreativ zubereitete Fisch einen noch kreativeren, hervorstechenderen Gegenpart benötigt hätte, um im Gedächtnis zu bleiben.
Zu beiden Gerichten wählten wir Weine, die wir allerdings nicht auf der Getränkekarte fanden. Allein, es gab gar keine. „Alles in meinem Kopf“, sagte die Kellnerin, als wir fragten, wo wir denn das Weinangebot finden. Unsere Wahl fiel auf einen kräftigen Nero d’Avola (0,2 Liter für 6,50 Euro) mit einem wuchtigen Körper, mit dem man zu einem feinen Rinderfilet fast nie falsch liegt. Zum Fisch suchte ich einen Grauburgunder (0,2 Liter für 6,50 Euro) aus, der feinperlig, fruchtig und spritzig war und es mit dem kräftigen Speck aufnehmen konnte.
Bei den Desserts schien ein wenig die Lust am großen Knall verloren gegangen zu sein. Mir fehlte das Ausgefallene. Tiramisu, Panna Cotta und heiße Himbeeren finden sich fast überall wieder. Als wir nach einer längeren Wartezeit endlich wieder einen Kellner zu greifen bekamen, bestellte meine Begleitung ein luftiges, angenehmes Zitronen-Quark-Mousse (4,70 Euro). Ich entschied mich für die hausgemachte Rote Grütze (4,50 Euro), die fein mit Vanillesoße durchzogen war.
Fazit: Auch wenn der Service noch steigerungswürdig ist, lohnt sich ein Besuch des Goedeken’s allein wegen der sehr guten Küche.
Goedeken’s, Berckstraße 4, 28359 Bremen, Telefon: 04 21/23 65 09, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonnabend von 10 bis 0 Uhr, sonntags von 10 bis 17 Uhr, die Küche hat jeweils von 10 bis 15 und von 18 bis 22 Uhr geöffnet. Sonntags gibt es Frühstück von 10 bis 14 Uhr, teilweise barrierefrei, Internet: www.goedekens.de