Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Weil Fachkräfte fehlen Erste Hebammen aus Italien in Bremen eingestellt

Bremer Kliniken suchen Hebammen in Italien, 19 Stellen sind derzeit unbesetzt. Bundesweit herrscht Hebammen-Mangel. Der Geschäftsführer des St.-Joseph-Stift fordert ein Landesprogramm „Bremen-Italien.“
23.01.2019, 19:22 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Erste Hebammen aus Italien in Bremen eingestellt
Von Sabine Doll

Besonderer Besuch im Krankenhaus St.-Joseph-Stift: Vor wenigen Tagen begrüßte Geschäftsführer Torsten Jarchow drei Frauen zu einem Kurzbesuch, die ab März als neue Mitarbeiterinnen das Hebammen-Team in der Geburtsklinik verstärken werden. Monatelang konnten offene Stellen nicht besetzt werden. „Wir haben alles probiert, aber wir finden einfach keine Hebammen. Der Arbeitsmarkt ist leer und der Wettbewerb um Hebammen entsprechend groß“, sagt Jarchow. Bundesweit herrscht akuter Hebammen-Mangel.

Im Herbst vergangenen Jahres hat das St.-Joseph-Stift schließlich eine Vermittlungsagentur mit der Suche nach Hebammen in Italien beauftragt: mit Erfolg. Im Gegensatz zu Deutschland sinkt dort die Geburtenrate seit Jahren – Hebammen suchen händeringend nach Stellen. Geschäftsführer Jarchow ist glücklich, endlich eine Lösung für die Lücken in dem Hebammen-Team gefunden zu haben: „Die Frauen sind hoch motiviert, in ihrem Beruf in Deutschland zu arbeiten. Zurzeit sind sie in der sprachlichen Vorbereitung.“

Lesen Sie auch

Und er ist überzeugt, dass die Besetzung offener Stellen mit Hebammen aus dem Ausland alles andere als eine Lösung für den Moment ist: „Wir glauben nicht, dass sich die Hebammenfrage in den nächsten fünf Jahren in Deutschland und auch in Bremen dramatisch verbessern wird.“ Jarchow befürchtet sogar, dass sie sich noch verschärfen könnte.

Ab dem Herbst 2020 werden in Bremen Hebammen in einem dreijährigen Studiengang an der Hochschule ausgebildet, 20 Plätze sind vorgesehen. Er ersetzt die bisherigen Kurse an der Hebammenschule in Bremerhaven. Mit dem Studiengang setzt Bremen eine EU-Vorgabe um. „Die große Frage ist, wie viele der 20 Absolventinnen tatsächlich als Hebammen in der Geburtshilfe arbeiten werden. Der Erfahrungswert mit der Akademisierung in anderen Krankenhausbereichen ist der, dass einige ausbildungstechnisch weiterziehen“, so Jarchow. „Insofern kann das Problem bestehen bleiben. Darauf müssen wir uns einstellen.“

Kritik an der Politik

Der Geschäftsführer des St.-Joseph-Stift schlägt ein Landesprogramm „Bremen-Italien“ vor, um die geburtshilfliche Versorgung in den Bremer Kreißsälen in den kommenden Jahren aufrechterhalten zu können. Jarchow: „Ich bin mir nicht sicher, ob alle wirklich die Tragweite der aktuellen Situation begriffen haben.“ Die Kritik richtet er an die Politik: Ende 2018 habe es ein Treffen mit den Klinikleitern in der Gesundheitsbehörde dazu gegeben – allerdings ohne konkrete Ergebnisse.

„Vieles muss im Bund gelöst werden, das ist klar. Es gibt aber auch kurzfristige Maßnahmen, die Bremen angehen kann. Es muss ein Wecksignal kommen, und die Gesundheitssenatorin muss sich angesichts der Bedeutung des Themas an die Spitze dieser Bewegung setzen“, fordert Jarchow. Die Kliniken würden mit dem Thema alleine gelassen. Der Hebammen-Mangel sei jedoch nicht nur ein Problem der einzelnen Häuser. „Es geht um die Versorgung von Schwangeren in Bremen. Die Situation ist sehr, sehr kritisch.“

Lesen Sie auch

Nach Angaben des Bremer Hebammen-Landesverbands sind derzeit 19 Stellen in den Bremer Geburtskliniken unbesetzt – teilweise seit Monaten. Neben dem St.-Joseph-Stift können Frauen im Klinikum Links der Weser (LDW) und dem Klinikum Nord des Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno) sowie dem Diako entbinden. Auch die Geno hat ihre Personalsuche auf Italien ausgeweitet: „Der Einsatz ausländischer Hebammen kann zwar zur Verbesserung der Situation beitragen, er wird den Mangel in Deutschland aber nicht lösen“, betont Geno-Sprecherin Karin Matiszick.

Der Klinikverbund will künftig außerdem enger mit den anderen Geburtskliniken zusammenarbeiten. Matiszick: „Eine Möglichkeit wäre ein System, in dem bremenweit freie Kapazitäten in den Kreißsälen angezeigt werden.“ Das würde den Hebammen die zeitaufwendige Suche nach einem freien Platz per Telefon ersparen, wenn sie eine Frau nicht im eigenen Haus versorgen können.“

Senat soll Konzept vorlegen

Die Fraktion der Linken fordert den Senat in einem Antrag auf, die Situation für die Hebammen in der klinischen Geburtshilfe zu verbessern. Er zielt darauf ab, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um freiberufliche Hebammen für die Kreißsäle zurückzugewinnen. Neben familienfreundlicheren und altersgerechten Schichtmodellen, einer höheren Vergütung für Springerdienste und Mehrarbeit sowie zusätzlichen geburtshilflichen Ambulanzen fordert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, Claudia Bernhard: „Ein erster Schritt wäre die Förderung und Finanzierung von Fortbildungsmodulen für Wiedereinsteigerinnen in die Geburtshilfe.“ Der Senat soll ein Konzept für ein Modellprojekt inklusive Finanzierung aus Landesmitteln vorlegen. Außerdem sollen hebammengeleitete Kreißsäle in allen Bremer Geburtskliniken eingerichtet werden. Die Versorgung mit Hebammen ist an diesem Donnerstag auch Thema in der Bürgerschaft.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)