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Auftakt im Betrugsprozess Falsche Polizisten in Bremen vor Gericht - 16 Goldbarren fast erbeutet

Am Landgericht hat der Prozess gegen zwei Bremer begonnen, die mit der Betrugsmasche „falscher Polizist“ alte Menschen betrogen haben sollen. Einem der beiden wird noch eine weitere Betrugsmasche vorgeworfen.
19.10.2018, 11:42 Uhr
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Falsche Polizisten in Bremen vor Gericht - 16 Goldbarren fast erbeutet
Von Ralf Michel

Letztlich hatten alle vier Opfer Glück. Einmal war es eine Enkelin, die die Geldübergabe an die Betrüger verhinderte, einmal war es ein aufmerksamer Nachbar, einmal machten zufällig in einer Bank anwesende Polizisten den Tätern einen Strich durch die Rechnung. Und im vierten Fall kam es zwar zur Übergabe – 16 Goldbarren im Gesamtwert von 59.000 Euro –, doch dabei schlug die Polizei zu und nahm den Abholer fest. Seit Freitag müssen sich die Täter, zwei Männer aus Bremen, 30 und 27 Jahre alt, hierfür vor dem Landgericht verantworten. "Gewerbsmäßiger Betrug" lautet die Anklage. Die Männer waren mit der Betrugsmasche "falscher Polizist" unterwegs.

Die vier Straftaten, um die es in diesem Verfahren geht, zeigen geradezu exemplarisch, wie organisiert, aber auch wie skrupellos die Täter vorgehen. Die beiden Angeklagten sollen innerhalb der Betrugsmaschinerie die Funktionen "Mediator" und "Logistiker" eingenommen haben. Mediatoren haben die Aufgabe, sich gegenüber ihren durchweg älteren Opfern am Telefon als Polizisten auszugeben. Sie erzählen den Senioren von einem angeblich drohenden Einbruch oder Überfall, dem die Polizei auf die Spur gekommen sei. Zur Sicherheit sollen die Opfer ihre Wertsachen den vermeintlichen Polizisten übergeben. Das Einsacken der Beute organisiert der "Logistiker", in diesem Fall der 30-jährige Angeklagte, der von Bremen aus sogenannte "Abholer" in Marsch setzt.

Enkelin verhindert Verlust von 11.000 Euro

Angerufen werden Senioren in ganz Deutschland, meist von Callcentern im türkischen Izmir aus. So etwa bei einer 70-Jährigen Frau aus der Nähe von Magdeburg, die der Mediator am Telefon so sehr verunsicherte, dass sie sich auf den Weg machte, um 55.000 Euro von der Bank abzuholen. Reiner Zufall war es, dass sich in der Bank Polizisten aufhielten. Das sahen die Täter, die ihr Opfer beobachteten, und brachen den Betrug ab.

Allerdings nur, um es gerade 40 Minuten später bei einer 87-jährigen Magdeburgerin erneut zu versuchen. Sie sollte ihre Wertsachen verstecken und einem der falschen Polizisten übergeben, der ihr am Telefon angekündigt wurde. Diese Übergabe vereitelte ein aufmerksamer Nachbar, im dritten Fall war es eine Enkelin, die verhinderte, dass ihre Oma den Betrügern 11.000 Euro übergab.

Der vierte Versuch schien zu gelingen. Tatsächlich übergab eine 81-jährige Berlinerin, die unter Demenz leidet, dem angeblichen Polizisten 16 Goldbarren. Der Mann war der 30-jährige Angeklagte aus Bremen, der sich selbst in Berlin aufhielt. Eigentlich hatte er zwei Abholer auf den Weg geschickt. Doch die blieben im Verkehr stecken. Ihr Glück, denn so machte sich der Logistiker selbst auf den Weg und tappte der schon wartenden Polizei in die Falle. Den 27-jährigen Mediator, nach dem mit einem internationalen Haftbefehl gesucht worden war, schnappte die Polizei ein paar Monate später in Athen. Seit April sitzt er in Oslebshausen in Untersuchungshaft.

Druck auf demenzkranke Seniorin

Wie abgebrüht die Betrüger vorgehen, zeigt ein weiteres Detail dieses Falles. Obwohl ihr Kompagnon festgenommen worden war, übten seine Komplizen weiter telefonisch Druck auf die 81-jährige Berlinerin aus, um ihr Goldmünzen und Bargeld im Wert von 110 000 Euro abzunehmen. Allerdings brachen die Täter auch diesen Versuch ab, weil die Polizei zwischenzeitlich einen der Beteiligten dieses Coups festgenommen hatte.

Am Freitagmorgen beim Prozessauftakt blieb es bei der Verlesung der Anklageschrift. Was, am Rande bemerkt, wegen der Vielzahl der vom Staatsanwalt vorzutragenden Fälle (Artikel unten) fast zwei Stunden dauerte. Die Angeklagten bekundeten über ihre Verteidiger die Bereitschaft, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen auszusagen. Allerdings erst am zweiten Prozesstag, der am 2. November stattfindet.

Bereits beim Haftprüfungstermin hatten sich beide geständig geäußert. Allerdings scheinen diese Aussagen von unterschiedlicher Qualität gewesen zu sein, denn nur bei dem 30-Jährigen führten sie zur Entlassung aus der Untersuchungshaft. Der 27-Jährige wurde dagegen am Freitag in Handschellen in den Gerichtssaal geführt, er sitzt weiterhin in Oslebshausen ein.

Die Begründung hierfür deutete der Vorsitzende Richter an, indem er von "teilweise nicht glaubhaften Einlassungen" sprach. Für eine Entlassung aus der U-Haft bedürfe es Aussagen, die von echter Reue zeugten und nicht etwa nur aus taktischen Gründen gegeben würden. Hier hatte das Gericht beim 27-Jährigen offenbar Zweifel. Sein Anwalt will das nicht hinnehmen und meldete deshalb nachdrücklich Gesprächsbedarf mit Richtern und Staatsanwaltschaft an. Auch dem soll am 2. November nachgekommen werden.

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