Das Thema „häusliche Gewalt in Zeiten von Corona“ – und hier vor allem Gewalt gegen Kinder – macht der Innendeputation zu schaffen. Sowohl in der Mai-Sitzung als auch in der vergangenen Woche brachte der Ausschussvorsitzende Thomas vom Bruch (CDU) das Thema aufs Tapet, doch beide Male war es nur schwer zu fassen.
Die Polizei beschäftige sich durchaus mit dieser Thematik, doch nennenswerte Steigerungen der Fallzahlen gebe es bislang nicht, berichtete Polizeivizepräsident Dirk Fasse. Er nannte aber gleich mehrere Probleme, die konkrete Aussagen hierzu erschwerten. Zum einen könne die Polizei nur reaktiv arbeiten, sie reagiere also auf entsprechende Anzeigen. Gerade im Bereich von Kindern und Jugendlichen fehle derzeit aber der „Blick von außen“, weil Kindergärten und Schulen ausfielen.
Großer Arbeitsaufwand
Zum anderen handele es sich auch abseits von Corona um ein äußerst schwieriges Feld. Feinauswertung und Analyse etwa in Form eines Berichtes seien nur mit großem Arbeitsaufwand zu schaffen. Und wenn überhaupt, dann behördenübergreifend; soll heißen mit der Sozialbehörde, die in diesem Bereich ohnehin federführend zuständig sei. „Im Grunde brauchen wir eine Risikoeinschätzung für Familien und müssten klären, wer da vorbeifährt und nachschaut“, ergänzte Polizeipräsident Lutz Müller.
Petra Fritsche-Ejemole von den Grünen regte an, sich nach Corona langfristige Strategien zu überlegen, um für künftige Pandemien in diesem Bereich besser aufgestellt zu sein. Da passte es, dass die Sozialdeputation vergangene Woche ein Projekt aufs Gleis schob, das genau diese Arbeit leisten könnte: Eigens zur häuslichen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche soll eine neue aufsuchende Fachberatungsstelle geschaffen werden. Potenzielle Träger können sich bis zum 3. Juli bewerben. Nähere Informationen zu diesem Interessenbekundungsverfahren gibt es in der Sozialbehörde bei Susanne von Hehl unter Telefon 0421 / 361 9546.
Neben aufsuchender Arbeit und Hilfe für die Kinder und jungen Erwachsenen bis 21 Jahre soll die Beratungsstelle unter anderem auch die Unterstützungsleistungen für Betroffene koordinieren, Fortbildungen zum Beispiel für Polizei und Justiz anbieten und Präventionsangebote in Schulen und Kitas durchführen, erläutert die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Sahhanim Görgü-Philipp, die dieses Projekt initiiert hatte. Anders als die Polizei spricht Görgü-Philipp von einer Zunahme von häuslicher Gewalt im Zuge der Corona-Pandemie. Deshalb müsse die neue Beratungsstelle so schnell wie möglich ihre Arbeit aufnehmen, fordert sie. „Wer als Kind häusliche Gewalt miterleben muss oder gar selbst misshandelt wird, braucht schnell unbürokratische Hilfe."
Diese Unterstützung müsse individuell auf das jeweilige Kind zugeschnitten sein, um die komplexe Traumatisierung und die Loyalitätskonflikte zu den Eltern aufzuarbeiten, betont Görgü-Philipp. "Mit dieser Beratungsstelle schließen wir eine Lücke im System." Die Arbeit der bereits existierenden Hilfsangebote werde dadurch nicht ersetzt, sondern im Sinne der Kinder und Jugendlichen ergänzt. "Außerdem versprechen wir uns davon, dass die Unterstützung für die Kinder noch besser koordiniert wird.“