Die Schwierigkeit, Rasern nachzuweisen, dass sie sich ein illegales Autorennen geliefert haben, liegt in der Beweisführung: War es wirklich ein Rennen oder „nur“ eine normale Geschwindigkeitsübertretung? Und wie nachweisen, dass sich da tatsächlich zwei Autofahrer ein Rennen lieferten, wenn sie das bestreiten? „Keine Ahnung, warum der Typ neben mir beschleunigt hat. Ich kenn den ja nicht mal.“
Aber nicht diesmal. In diesem Fall am Amtsgericht war die Beweisführung weder schwierig noch umstritten. Wie das eben so ist, wenn man sich ein Autorennen liefert und direkt hinter einem ein Messfahrzeug der Polizei fährt. Gut zehn Minuten lang ist das Video, das die Jagd durch Bremens Innenstadt festhält, die gefahrene Geschwindigkeit dabei stets gut sichtbar rechts unten im Bildschirm.
Am 25. Juli ist der heute 23-Jährige gegen 21 Uhr mit seinem Mercedes in Bremen unterwegs, als er und ein neben ihm fahrender BMW der Polizei auffallen. Kein Zufall: Die Polizei hat für eben solche Fälle mehrere zivile Messfahrzeuge, mit denen sie regelmäßig die „Hotspots“ der Bremer Raser- und Autoposer-Szene abfährt. Dazu gehören unter anderem die Bürgermeister-Smidt-Brücke, die Martinistraße, der Breitenweg, die Diskomeile oder auch die Überseestadt.
So gesehen war die Fahrt des 23-Jährigen ein „Klassiker“: Die Aufzeichnung beginnt auf der Bürgermeister-Smidt-Straße, Einmündung Am Wandrahm. Mercedes und BMW stehen an der Ampel. Als die auf Grün umspringt, beschleunigen beide auf wenigen Metern bis auf 77 Stundenkilometer, dann müssen sie an der nächsten roten Ampel halten. So geht es weiter. Beschleunigen, abbremsen, beschleunigen, warten, bis der Nebenmann aufgeschlossen hat. Und wieder rauf aufs Gas. „Um das Beschleunigungspotenzial der Pkw zu vergleichen“, heißt es in der Anklageschrift.
Hinter der Bürgermeister-Smidt-Straße erfolgt ein U-Turn, dann rechts ab in die Martinistraße, nach dem Tunnel in der Straße Tiefer der nächste U-Turn, zurück zum Brill, rechts ab bis zum Breitenweg, dann wieder rechts. Die Geschwindigkeiten bewegen sich meist um die 80 Stundenkilometer, in der Spitze auch mal bei 90 Stundenkilometer. Dann wieder sind die beiden Fahrer im Schritttempo unterwegs. Weil es der Verkehr und die Ampeln erfordern oder weil sie aufeinander warten.
Wagen und Führerschein eingezogen
Es ist ein lauer Sommerabend, es sind noch viele Menschen unterwegs. Fraglich, ob die beiden Raser davon etwas mitbekommen haben. Denn die bemerkten ja nicht einmal den Wagen, der sie die ganze Zeit verfolgt und jeden verbotenen U-Turn mitmacht. Genau darin liege die Gefahr, erklärt Richterin Ellen Best dem Angeklagten. „Sie sind so auf ihr Rennen konzentriert, dass Sie nichts anderes mehr wahrnehmen.“ Und deshalb auch nicht auf plötzlich auftretende Verkehrssituationen reagieren könnten.
Der Angeklagte ist einsichtig, sein Verteidiger drängt auf eine Verständigung. Er will das Verfahren schnell und einvernehmlich beenden. Staatsanwaltschaft und Richterin signalisieren Zustimmung. Die Anklagebehörde hatte in einem Strafbefehl 90 Tagessätze à 20 Euro sowie weitere zwölf Monate Führerscheinentzug gefordert.
An einer Stelle hakt es dann doch in diesem Verfahren: Als die Polizei den Angeklagten am 25. Juli stoppte, kassierte sie nicht nur seinen Führerschein, sondern auch den Mercedes, den der 23-Jährige nach eigenen Angaben erst Anfang 2020 für 12.000 Euro gekauft hatte. Die Staatsanwaltschaft will den Wagen dauerhaft einziehen, doch der Angeklagte sagt, dass ihm das Fahrzeug nur zur Hälfte gehört. Er teile sich den Pkw mit seiner Schwester. Da die Besitzverhältnisse am Freitagmorgen vor Gericht nicht ad hoc zu klären sind, wird die Sitzung unterbrochen. Sie soll im Januar fortgesetzt werden. Mit der Schwester als Zeugin.
Der zweite Beteiligte, der BMW-Fahrer, konnte am 25. Juli unerkannt entkommen. Der Halter des Wagens ist laut Polizei zwar bekannt, aber dass es tatsächlich er war, der an diesem Abend am Steuer saß, konnte nicht gerichtsfest ermittelt werden.
Verbotene Kraftfahrzeugrennen
Vorher galten sie als Ordnungswidrigkeit, doch seit Oktober 2017 sind verbotene Kraftfahrzeugrennen eine Straftat (§ 315d Strafgesetzbuch). Teilnehmer an einem solchen Rennen müssen mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Wer dabei Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, kann bis zu fünf Jahre hinter Gittern landen; wer den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen verursacht, den erwartet eine Strafe zwischen einem Jahr und zehn Jahren Haft.