Auf die Lagepläne und Terminlisten für den Umzug muss Michael Bester-Voß nicht mehr schauen. Der Projektleiter für den Neubau am Klinikum Bremen-Mitte kennt sie im Schlaf, wie er sagt. Seine Schaltzentrale ist der „Bürgerpark“. So heißt die Station auf der zweiten Ebene im Klinikneubau an der St.-Jürgen-Straße. Hier hängen Zeichnungen und Listen an den Wänden, hier haben alle am Umzug beteiligten Bereiche Räume bezogen, um vor Ort zu sein und möglichst schnell auf eventuelle Schwierigkeiten reagieren zu können. Projektleitung, Mitarbeiter der Haus- und Systemtechnik, Pressestelle. Später, wenn die neuen Stationen in dem sogenannten Teilersatzneubau komplett bezogen sind, werden auch in diesen Zimmern Patienten untergebracht sein.
Es ist kurz vor neun Uhr am Montagmorgen. Die heikelste Phase des Umzugs beginnt. „Die Intensivpatienten werden aus dem Altbau in die neue Station verlegt. Wochenlang sind die Vorbereitungen gelaufen“, sagt Bester-Voß. Heikel ist der Transport deshalb, weil der Großteil der gut 30 schwerkranken Patienten beatmet wird. Das bedeutet: Schläuche, Kabel und Spritzenpumpen müssen zunächst auf mobile Geräte umgestöpselt – und dann in den Zimmern auf der neuen Intensivstation wieder angeschlossen werden. „Gut 250 Meter weit ist es von Alt nach Neu. Das ist nicht wirklich viel, und glücklicherweise liegt alles auf der zweiten Ebene. Wir brauchen also keine Aufzüge“, sagt der Projektleiter. „Die besondere Herausforderung an diesem Umzug ist: Der normale Krankenhausbetrieb läuft weiter – und er muss sicher funktionieren.“ Eine Art Operation am offenen Herzen.
Lagebesprechung auf der neuen Intensivstation. Rolf Dembinski, Direktor der Klinik für Intensiv- und Notfallmedizin, bespricht sich mit seinem Team, bevor der erste Intensivpatient gebracht wird. An diesem Tag sind drei Ärzte- und Pflegeteams parallel im Einsatz. Eines auf der alten Intensivstation, eines für den Transport und ein weiteres im Neubau. „Eine ganze Reihe der Mitarbeiter sind sogar aus ihren freien Tagen gekommen, um dabei zu sein und zu helfen, damit alles reibungslos läuft“, sagt der Chefarzt. „Wir alle haben lange auf diesen Tag gewartet. Jetzt geht es endlich los.“
Ursprünglich sollte der komplette Neubau bereits vor fünf Jahren in Betrieb genommen werden. Der Weg vom ersten Spatenstich auf dem Krankenhausgelände vor acht Jahren war allerdings von logistischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt: Wassereinbrüche wegen Starkregens, Probleme mit der Lüftungstechnik, ein Kabelbrand und Probleme mit den Planern haben unter anderem zu den Zeitverzögerungen geführt. Das hinterlässt Spuren, vor allem auch bei den Beschäftigten, die erst vor Kurzem über ein weiteres Millionendefizit ihres Arbeitgebers, dem Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno), informiert wurden.
Umzug ist im Grunde ein Standardprozedere
„Wo ist Zimmer 19?“, fragt ein Pfleger. Vorsichtig bugsieren die Mitarbeiter das Bett mit einem Intensivpatienten um die Ecke. Schläuche und Kabel, die für den Umzug an die mobilen Geräte angeschlossen sind, liegen auf der Bettdecke. „Auch im normalen Betrieb müssen Intensivpatienten immer wieder einmal für Untersuchungen transportiert werden“, sagt Chefarzt Dembinski. „Insofern ist das im Grunde ein Standardprozedere. Die Herausforderung heute ist zum einen die Masse.“
Der Umzug in Zahlen: 818 Betten wird es auf den 16 Stationen im Neubau geben, 16 Operationssäle, 25 Fachkliniken, sieben Institute – und 10.000 medizinische Geräte. „Die Technik ist komplett neu, vom Telefon bis zum Überwachungsmonitor“, sagt Bester-Voß. Neu ist auch: Die Pflegekräfte bekommen eine Art Smartphone, über das die elektronische Akte jedes Patienten und sämtliche Werte des Überwachungsmonitors jederzeit verfügbar sind. „In der vergangenen Woche sind rund 130 Mitarbeiter an der Technik geschult worden“, sagt Jürgen Ottner von der Stationspflegeleitung. Training und Einarbeitung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein wesentlicher Bestandteil des Umzugskonzepts: Vor dem Echtbetrieb in den OP-Sälen und auf den Stationen müssen sie ihr neues Umfeld aus dem Effeff kennenlernen. Die Schränke etwa auf der neuen Intensivstation sind beschriftet, aber das allein reicht laut Ottner nicht. „Neue Räume bedeuten neue Arbeitsabläufe für Ärzte und Pflegepersonal, und die müssen sitzen.“
Der Patient in dem neuen Intensivzimmer ist übergeben, und die Geräte sind angeschlossen. Auf dem Flur wird bereits das nächste Bett aus dem Altbau herangerollt. Im Gefolge von Ärzten und Pflegekräften: ein Mitarbeiter eines Speditionsunternehmens, der einen Wagen mit weiterem Gerät, Unterlagen und den persönlichen Sachen des Patienten schiebt. „Möbelpacker, wie bei einem normalen Wohnungsumzug, sind das nicht“, betont Projektleiter Bester-Voß. „Der Auftrag wurde an eine Berliner Spedition übergeben, die auf Umzüge in Krankenhäusern spezialisiert ist und solche Transporte zum Beispiel in der Charité übernommen hat.“
Schneller als gedacht
Der Umzug läuft schneller als gedacht: Gut eineinhalb Stunden nach dem Start sind bereits fünf Intensivpatienten, die beatmet werden müssen, auf der neuen Station angekommen. Viereinhalb Stunden später ist der komplette Umzug geschafft. Die Operation am offenen Herzen ist gelungen. Und nicht nur diese: Neben der Intensivstation ist an diesem Montag auch der neue Zentral-OP ans Netz gegangen. Andreas Naumann, Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik, hat den ersten Patienten in einem der neuen Säle operiert. „Damit haben wir die hochsensibelsten Bereiche am Netz“, sagt Bester-Voß.
Mit der Intensivstation sind nach Angaben von Geno-Sprecherin Karen Matiszick bislang 200 Patienten in den Neubau umgezogen. Die ersten Stationen sind seit Mai in Betrieb, als erste hatten die Innere Medizin samt Strahlentherapie und den dazugehörigen diagnostischen Abteilungen den Standort gewechselt. Und: „Seit Donnerstag vergangener Woche ist der neue Haupteingang an der St.-Jürgen-Straße eröffnet, der alte Eingang bleibt aber noch. Später, wenn alle Kliniken umgezogen sind, soll er für die Notaufnahme genutzt werden.“