Herr Smidt, Sie haben während Ihrer Laufbahn, die 1977 begann, mehrere Stationen im Polizeidienst durchlaufen, mehrmals waren sie dabei im Innenstadtrevier tätig, zuletzt als stellvertretender Leiter. Wie haben sich die Herausforderungen für Polizisten in den zurückliegenden Jahren verändert?
Enno Smidt: Das Befremdliche ist die Zunahme der Respektlosigkeit seitens einiger Bevölkerungsgruppen während der Pandemie. Das ist für mich ein Rätsel. Ich weiß auch nicht, wie wir diesen Respekt wieder zurückgewinnen können.
Wie haben Sie das damals 1977, als Sie ihre Ausbildung begonnen haben, erlebt?
Als ich noch aktiv auf der Straße unterwegs gewesen bin, da hat das Wort eines Polizisten noch etwas gezählt. Das ist heute anders. Egal, ob Sie einen Radfahrer anhalten oder Corona-Regeln kontrollieren, Sie werden erst einmal in Diskussionen verwickelt. Insofern ist es gut, wenn wir Body Cams einsetzen können, das trägt dann zur Entschärfung solcher Situationen bei. Daher ist es richtig, mittelfristig alle Kollegen, die im Notrufprozess tätig sind, damit auszustatten. Das dient dem eigenen Schutz und dokumentiert auch gleichzeitig das polizeiliche Handeln. Denn viele Kollegen haben mir davon erzählt, dass sie beim Einschreiten oft einer aggressiven Grundstimmung gegenüberstehen.
Wenn Sie auf die zurückliegenden Jahrzehnte Ihres Lebens zurückblicken, würden Sie etwas anders machen?
Trotz dieser veränderten Rahmenbedingungen würde ich meinen Beruf, den ich mir als 17-Jähriger selbst ausgewählt habe, auch jetzt immer wieder ergreifen. Ich habe den Polizisten-Beruf mit viel Leidenschaft ausgeübt und diese Leidenschaft hat mich bis jetzt nicht losgelassen. Dieser Beruf ist abwechslungsreich, wir haben mit Menschen zu tun. Und: Wir können etwas Positives bewegen.
Sie waren auch in die Umsetzung der Strukturen der Polizeireform eingebunden. Innensenator Ulrich Mäurer hatte ja die Zielzahl von 2900 Neueinstellungen vorgegeben...
Obwohl die Polizei in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen hat, die Einstellungszahlen zu erhöhen, hat die Politik aus meiner Sicht viel zu spät reagiert.
Im Steintor und am Hauptbahnhof, an Brennpunkten, an denen immer wieder intensiv kontrolliert werden muss, steht uns inzwischen mehr Personal zur Verfügung, das ist auch wichtig für die Umsetzung des Aktionsplanes Hauptbahnhof, der jüngst beschlossen wurde. Inzwischen konnten sukzessive auch die Stellen der Kontaktpolizisten wieder besetzt werden. Die Kollegen waren wegen des gesundheitlichen Risikos, dem sie während der Pandemie ausgesetzt waren, teilweise in den Innendienst, in die telefonische Anzeigenaufnahme versetzt worden. Gerade die Kontaktpolizisten sollten ihre originäre Aufgabe wahrnehmen, nämlich präsent in den Stadtteilen unterwegs und als Ansprechpartner für den Bürger da zu sein.
Wie bewerten Sie den Aktionsplan Hauptbahnhof?
Eines müsste jedem klar sein: Das, was wir in den Entwicklungen rund um den Hauptbahnhof sehen, ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das wird die Polizei allein nicht richten können. Nur mit Repressionen können Sie die vorhandenen Probleme nicht lösen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass beim Aktionsplan verschiedene Ressorts an einem Strang ziehen. Klar ist aber auch: Der Hauptbahnhof, den täglich rund 120.000 Menschen passieren, ist so etwas wie eine Visitenkarte Bremens. Und da fällt natürlich alles, was dort geschieht, sofort ins Auge, auch die Verelendung. Gleich mehrere Problemlagen kommen da zusammen, wie die Szene der Drogenabhängigen und der Alkoholiker. Dazu kommt, dass es in den letzten Jahren, bedingt durch den Zuzug aus anderen, europäischen Ländern inzwischen weitaus mehr Obdachlose gibt.
Sie haben als stellvertretender Referatsleiter „Regionaler Einsatz“ im Polizei-Kommissariat Mitte auch sogenannte Schwerpunktmaßnahmen an Brennpunkten durchgeführt, welche waren das?
Es ging und geht nach wie vor um Kontrollmaßnahmen, um den offenen Drogenhandel rund um den Hauptbahnhof und im Steintor einzudämmen. Auch das gestaltet sich mitunter schwierig. Wir sehen uns immer wieder dem Vorwurf des racial profiling ausgesetzt. Sobald wir auffällig herumstehende, junge Schwarze kontrollieren, mischen sich Bürger ein, indem sie die Kollegen wüst beschimpfen. Das verunsichert vor allem junge Kollegen doch ziemlich. Dabei sind wir oft kurz zuvor unmittelbar Augenzeugen eines Drogendeals geworden.
Wie sieht es mit dem Rückhalt für die Polizei seitens der Politik aus?
Leider ist das latente Misstrauen bestimmter politischer Kreise, das heißt der Regierungskoalition, unseren Kolleginnen und Kollegen gegenüber in den letzten Jahren immer größer geworden. So hat es beispielsweise zweieinhalb Jahre gedauert, bis eine Spuckschutzhaube zum Schutz der Polizeibeamten eingeführt wurde, jedoch nur wenige Monate, mit der Einführung einer Kennzeichnungspflicht für geschlossene Einheiten und zwar ohne besonderen Anlass. In Bremerhaven werden im Alltagseinsatz Distanzelektroimpulsgeräte, sogenannte Taser eingesetzt, in Bremen haben sich die Linken und die Grünen dagegen ausgesprochen, obwohl in Bremerhaven ein durchweg positives Pilotprojekt durchgeführt worden ist. Auch das verunsichert so manche jungen Kolleginnen und Kollegen.
Das Gespräch führte Sigrid Schuer