Die FDP muss sich was Neues einfallen lassen! Klingt ein bisschen wie Polemik vom politischen Gegner, dieser Satz, doch er beschreibt ganz real die Ausgangslage der liberalen Wahlkämpfer gute fünf Monate vor der Bürgerschaftswahl. 2015 war die Partei aus dem politischen Niemandsland in das Landesparlament zurückgekehrt. Nicht triumphal, aber deutlich überwanden die Freien Demokraten mit Lencke Steiner an der Spitze die Fünf-Prozent-Hürde. Steiner, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal der Partei angehörte, wurde im Wahlkampf als das Gesicht der „Neuen Generation Bremen“ verkauft. Die Kampagne war stark auf sie zugeschnitten, die Partei hinter der Frontfrau kaum sichtbar.
„Diese Situation ist nicht wiederholbar“, sagt Christian Renatus. Der 71-jährige ist Wahlkampfmanager der Bremer Liberalen. Unterstützt von der PR-Agentur „Heimat Berlin“, nimmt Renatus die nächste Etappe einer Erfolgsgeschichte in Angriff, so hofft er jedenfalls: ein zweistelliges Ergebnis für die FDP bei der Wahl im Mai 2019. Die Ausgangsbedingungen haben sich geändert, und darauf muss auch die Kampagne abstellen. Die FDP ist nicht mehr der Außenseiter, sondern eine etablierte Kraft in der Landespolitik, wenn auch in der Opposition. „Wir haben uns im Parlament Kompetenzen erarbeitet, die vorher nicht da waren“, sagt Renatus. Wahrgenommen würden die Liberalen vor allem durch ihre Positionen in der Bildungs- und Verkehrspolitik.
Allein gegen alle
In der Tat: Als SPD, CDU, Grüne und Linke über eine Fortschreibung des sogenannten Bremer Schulkonsenses verhandelten, gingen die Freien Demokraten frühzeitig auf Distanz. In der Wahlauseinandersetzung wird ihnen das Beinfreiheit verschaffen. Allein gegen alle – so kann sich die FDP auch in der Verkehrspolitik präsentieren. Mit ihrem Vorstoß zu gebührenfreiem Parken in der Innenstadt profilierten sich die Liberalen zuletzt derartig deutlich als Autofahrerlobby, dass selbst der ADAC Mühe hätte, mitzuhalten. Doch das ist ganz in Renatus‘ Sinne, wenn er sagt: „Wahrgenommen wird man, wenn man polarisiert.“
Die FDP, so viel ist klar, will in der Wahlauseinandersetzung 2019 verstärkt über Inhalte wahrgenommen werden und nicht mehr ausschließlich über ihre ausstrahlungsstarke Bürgerschaftsfraktionschefin Lencke Steiner, wenngleich auf eine gewisse Personalisierung der Kampagne nicht verzichtet werden soll. Sehr bewusst ist den liberalen Wahlkämpfern, dass die Konkurrenz mit der CDU diesmal härter wird. Traten die Christdemokraten 2015 noch mit der betont konservativen Elisabeth Motschmann als Listenführerin an, die auch im Habitus als perfekter Gegenentwurf zur damals 29-jährigen Lencke Steiner gelten konnte, schicken sie diesmal einen eher liberalen Digitalunternehmer und Selfmademan ins Rennen. Carsten Meyer-Heder wird den Freien Demokraten die jüngere, urbane, netzaffine Mittelschicht garantiert nicht kampflos überlassen. „Allerdings muss die CDU sich insgesamt breiter aufstellen, während wir uns stärker auf unsere Zielgruppen fokussieren können“, sieht FDP-Öffentlichkeitsarbeiter Tim Abitzsch einen Vorteil bei seiner Partei.
Der Wahlkampfetat der Liberalen wird mit rund 250 000 Euro ähnlich hoch bemessen sein wie 2015. Dieser Betrag steht in vollem Umfang für Vor-Ort-Aktivitäten zur Verfügung, während „Heimat Berlin“ aus einem Solidarfonds der Bundespartei finanziert wird. Von der Bundesebene werden zudem Zuschüsse für Großflächenplakate erwartet.
Die konventionelle Werbung im Straßenraum stellt zwar immer noch eine wichtige Säule der Kampagne dar – schon um Präsenz und Stärke zu demonstrieren. Doch das PR-Besteck ist umfangreicher und feingliedriger geworden. An Bedeutung gewonnen hat die direkte Ansprache der Bürger auf der Grundlage von Datenauswertungen. „Wir sind ziemlich genau in der Lage zu sagen, wer unsere potenziellen Wähler sind“, gibt Christian Renatus zu erkennen. Individuell zugeschnitten auf die Klientel, werde man sechs bis sieben verschiedene Wählerbriefe an potenziell liberal gesinnte Menschen verschicken. „Früher hat man sich da mit einem einzigen Schreiben ohne Differenzierung begnügt“, sagt der Wahlkampfmanager. Er will zudem einen intensiven Wahlkampf im Internet führen, abgestimmt auf die sozialen Medien und deren Zielgruppen – Facebook für die mittlere und ältere Generation, Instagram für das jüngere Publikum. Ein eigenes Online-Team wird für diese Kampagne bereitstehen, was eine hohe Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Entwicklungen und Aktionen der Konkurrenz sicherstellen soll. Koordiniert werden die Wahlkampfaktivitäten der FDP von einem kleinen Kernteam, bestehend aus Spitzenkandidatin Lencke Steiner, Landeschef Hauke Hilz, Schatzmeister Peter Bollhagen und Christian Renatus.
Dass sich auch die liberale Bundesprominenz an der Weser blicken lassen wird, versteht sich von selbst. Unter anderem werden Parteichef Christian Lindner und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki diverse Termine absolvieren. Geplant ist zudem ein Treffen von FDP-Stadtoberhäuptern zum Thema Innenstadtentwicklung. Teilnehmen sollen unter anderem die Oberbürgermeister von Jena und Dresden, möglicherweise auch Kölns OB Henriette Reker, die von der FDP bei ihrer Wahl 2015 von den Liberalen unterstützt worden war.