Dass rund um die Sielwallkreuzung die toxische Männlichkeit mit allen unangenehmen und sexistischen Begleiterscheinungen die Straßen dominiert, das kritisierten auf der jüngsten Sitzung des Beirates Östliche Vorstadt eine ganze Reihe von Anwohnerinnen. Sie sagten, dass sie sich nicht mehr sicher, sondern auch bedroht fühlten. Da ist die Krankenschwester, die von der Nachtschicht auf dem Nachhauseweg angemacht wird oder junge Mädchen, die sich dem sogenannten "cat calling" ausgesetzt sehen, eine derbe Anmachpraxis, bei der sie zuerst als "Titties" oder, wenn sie nicht reagieren, als "Fotze" beschimpft werden, wie es in sozialen Netzwerken nachzulesen ist. Tilmann Warnke erzählte, dass in seinem Haus eine Therapeutin wohnt, deren Klientinnen weg bleiben, weil sie mittlerweile das Viertel meiden.
Duglore Katz, eine Nachbarin aus dem Fehrfeld, schilderte eine Erfahrung, die sie traumatisiert hat: Auf der gläsernen Veranda ihres Altbremer Hauses seien nachts sechs Männer mit Metallstangen aufeinander los gegangen. Nachdem die Polizei sagte, sie habe gerade keinen Streifenwagen parat, steht für die pensionierte Sozialpädagogin, die sich stark in der Geflüchtetenhilfe engagiert hat, fest: "Ich habe Angst". "Wenn wir als Frauen noch nach 21 Uhr auf der Straße unterwegs sind, werden wir als Huren beschimpft", schilderte Kirstin Huss. Konsens herrschte in der virtuellen Runde, dass ein konsequenter Einsatz von mehr Fußstreifen das Sicherheitsgefühl deutlich erhöhen würde. Wie Uwe Papencord, Leiter des Ordnungsamtes erläuterte, seien in der Vorweihnachtszeit rund um den Hauptbahnhof verstärkt Streifen-Duos aus Polizeibeamten und Vertretern des Ordnungsamtes im Einsatz. Wünschenswert sei das auch für das Viertel als Pendant zum Awareness-Team, das sexuell bedrohten Frauen hilft. Wie so oft in Bremen ist das von der Finanzierung abhängig. Massive sexistische Beleidigungen und Übergriffe sind indes nur ein Problem, unter dem das Viertel immer noch zu leiden hat.
Wie bereits in den vergangenen Wochen und Monaten berichtet, kommen dazu Lärm, Vermüllung, aggressiver und exzessiver Drogenhandel und im Sommer, bis zur Einführung der Wochenend-Sperrung des Sielwalles, Autoposing. Annekatrin Mensching berichtete für die Anwohnerschaft der Linienstraße davon, dass sich die Situation in den letzten Wochen seit der Wiedereröffnung der Discomeile deutlich verbessert habe. Die Beiratssitzung war auf Wunsch der Anwohnerschaft einberufen worden, um die Situation am Sielwall zu erörtern, die im Sommer völlig aus dem Ruder gelaufen war. Die Bürgerinitiative "Leben im Viertel" (LIV) hatte einen Antrag eingereicht, in dem die Einrichtung eines Runden Tisches gefordert wird. Ihre Argumentation brachte Stefan Schafheitlin auf den Punkt: Die Entwicklung der multiplen Problemlagen sollte regelmäßig in kürzeren Zeitabständen von Beiratsmitgliedern, Behördenvertretern und der Anwohnerschaft analysiert und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.
Dieser Antrag wurde von der Mehrheit des Beirates abgelehnt, mit dem Hinweis, dass die verschiedenen Probleme in den dafür zuständigen Fachausschüssen in öffentlichen Sitzungen bearbeitet werden würden. Ebenfalls abgelehnt wurde der CDU-Antrag, am Wochenende zwischen 23 und 6 Uhr ein Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum zu verhängen. Das Argument von "Leben im Viertel" für einen Runden Tisch: Die Fachausschüsse seien sowieso schon bis zum Rand voll mit Arbeit, sodass eine zeitnahe Bearbeitung der Problemlagen schwierig sei.
Wie Ortsamtsleiterin Hellena Harttung betonte, ist die im Sommer gegründete Taskforce Sielwall, in der Behördenvertreter und Sicherheitskräfte versammelt sind, weiter im Einsatz. Denn eines ist den Mitgliedern des Beirates und der Anwohnerschaft klar: Bevor das nächste Frühjahr kommt, gilt es, gegen Auswüchse, wie sie auch coronabedingt rund um den Siellwall eskalierten, frühzeitig gewappnet zu sein. Fazit: Die Maßnahmen, die dank des hartnäckigen Einsatzes von Ortsamtsleiterin Hellena Harttung (siehe Beiratsbeschluss) umgesetzt werden konnten, waren wirkungsvoll, müssen aber noch verstetigt werden.