Bremen. Er hat es wieder getan: Nachdem Olaf Latzel, Pfarrer der evangelischen St.-Martini-Gemeinde an der Schlachte, schon 2015 mit provozierenden Äußerungen gegenüber anderen Religionen ins Visier der Justiz geriet, sind es nun Aussagen zur Homosexualität, die zu Ermittlungen gegen den streitbaren Pfarrer führten. „Uns liegt eine Strafanzeige vor, wir ermitteln wegen Volksverhetzung“, bestätigte Bremens Leitender Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn.
Gegenüber dem WESER-KURIER wollte sich Latzel am Samstag nicht äußern, kündigte aber eine allgemeine Stellungnahme für Sonntag an. Laut übereinstimmenden Medienberichten und Janhenning Kuhn ist der Anlass für die Ermittlungen ein Eheseminar, dass Latzel im vergangenen Oktober unter dem Titel „Biblische Fahrschule zur Ehe“ in seiner Gemeinde abgehalten hat. Einen Tonmitschnitt dieses Seminars soll der Pfarrer auf seinem Youtube-Kanal ins Internet gestellt haben.
„Teuflisch und satanisch“
Unter anderem die „Frankfurter Rundschau“ zitiert ihn daraus mit Sätzen wie: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christopher Street Day, feiern ihre Partys.“ Gelebte Homosexualität sei wie Ehebruch ein „todeswürdiges Verbrechen“. Außerdem soll Latzel von einer „teuflischen“ Homo-Lobby gesprochen und beklagt haben, dass Kinder indoktriniert würde, Homosexualität sei normal und es gebe keine natürlichen zwei Geschlechter. Der „ganze Gender-Dreck“ sei „zutiefst teuflisch und satanisch“. Wenn Kollegen für ein Geschenk für ein schwules Hochzeit sammelten, sei dies eine „große Katastrophe“. Dies bedeute nicht, „dass Du gegen diese Menschen als solche bist, aber Du kannst diese Dinge nicht mitmachen“.
Ob diese Aussagen oder Formulierungen strafbar sind oder von der Religionsfreiheit gedeckt werden, müsse nun überprüft werden, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Radio Bremen vermeldete, dass Latzel die zitierten Äußerungen auf Anfrage nicht bestritten, in diesem Zusammenhang aber auf den biblischen Kontext verwiesen habe: In der Bibel seien Homosexuelle „Sünder“. Seine Kirche heiße Sünder jedoch willkommen und es liege ihm fern, Menschen zu diffamieren.
Der Verweis auf entsprechende Bibelstellen könnte dem Pfarrer in diesem Verfahren helfen. Genau an dieser Stelle sei die Religionsfreiheit berührt, erklärt Janhenning Kuhn. Und die sei „sehr sehr weit gesteckt und lasse großen Spielraum“.
Was auch schon der Ausgang der Ermittlungen 2015 zeigte. Damals hatte Olaf Latzel in einer Predigt andere Religionen beleidigt und verhöhnt. Katholische Reliquien bezeichnete er als „Dreck“, das islamische Zuckerfest als „Blödsinn“ und Buddha als „dicken, alten, fetten Herrn“. Es gebe nur einen wahren Gott, gemeinsame Gottesdienste von Pfarrern, Imamen und Katholiken seien eine Sünde.
Auch 2015 wurde wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen ihn ermittelt, das Verfahren letztlich aber eingestellt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft fielen seine umstrittenen Äußerungen in der Predigt unter die Religions- und Meinungsfreiheit.
Auf Volksverhetzung steht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Sieht die Staatsanwaltschaft in diesem erneuten Fall tatsächlich einen hinreichenden Tatverdacht, würde das Verfahren aber aller Wahrscheinlichkeit nach eher zu einem Strafbefehl führen, das heißt zu einer Geldstrafe. Und nur, wenn Latzel dagegen angeht, würde der Fall vor Gericht landen.
Dass der Pfarrer der als sehr konservativ geltenden Martini-Gemeinde nicht vor Aussagen zurückscheut, die selbst in der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) auf heftigen Widerstand stoßen, hatte er schon 2008 unter Beweis gestellt. Damals räumte er unumwunden ein, Frauen im Pfarramt abzulehnen. Einer Pastorin verwehrte er, von der Kanzel zu sprechen.
In der BEK und auch im Bremer Landesparlament stießen Latzels Äußerungen in der Vergangenheit auf deutliche Kritik. Zuletzt in den Schlagzeilen war der Pfarrer jedoch wegen ganz anderer Reaktionen auf seine Positionen: Anfang April erstattete er selbst Strafanzeige bei der Polizei – unbekannte Täter hatten sein Auto zerkratzt, die Schilder vor der St.-Martini-Kirche beschmiert sowie Kondome und einen Dildo auf dem Gelände der Gemeinde hinterlassen. Auch das war nicht der erste Vorfall dieser Art. Schon mehrfach war die St.-Martini-Gemeinde Ziel von Protestaktionen und Vandalismus, bis hin zum Hacken eines Livestreams eines Gottesdienstes im Internet.
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