Frustriert. Das beschreibt wohl am treffendsten, wie Wilhelm Wagenfeld sich gefühlt haben muss, als er 1924 an einem Stand auf der Leipziger Herbstmesse versucht hat, seine Lampe an den Mann und die Frau zu bringen. Gerade einmal 24 Jahre alt war Wagenfeld damals. Sein Studium am berühmten Bauhaus hatte gerade erst begonnen. Und es war nicht so, dass das im Rahmen seiner Ausbildung entstandene Designstück niemandem gefallen hätte, ganz im Gegenteil: Viele Menschen hielten am Stand von Wagenfeld inne und bewunderten seinen schönen, schlichten Lampenentwurf. Sobald es allerdings um den Preis ging, war von dem Interesse der meisten Messebesucher nicht mehr viel übrig.
Denn es gab einen Konflikt: Die Lampe wurde in serieller Reihung präsentiert, was suggerierte, dass sie schnell und einfach produziert werden kann und kostengünstig zu erwerben ist. Doch das entsprach damals nicht der Realität. Es steckte eine Menge Handarbeit in der Lampe. Denn auch wenn Bauhaus-Gründer Walter Gropius immer wieder die Öffnung der Kunst zur Industrie forderte, hatte man am Bauhaus selbst noch wenig Erfahrung mit industriellen Herstellungsverfahren. Zudem fehlte in den Werkstätten der Schule die richtige Ausstattung. Die Lampe war immer noch mehr Kunst- und weniger Gebrauchsobjekt. Und auch Bauhaus-Gründer Walter Gropius musste nach der Messe zugeben: „Mit Beleuchtungskörpern sind wir noch weit zurück.“
Doch einen Schritt zurück: Es war der 4. April 1924, schreibt Wagenfeld 1980 rückblickend in einem Aufsatz, als er sich zum ersten Mal mit „dieser Tischlampe“ beschäftigte. Warum er sich daran so genau erinnert? Weil er erst einen Tag vorher seine Gesellenprüfung als Silberschmied abgelegt hatte.
Wagenfeld war aber nicht etwa ein großer Lampen-Fan oder hegte schon lange den Traum, mit einer Lampe in seiner Lehrzeit für Aufsehen zu sorgen. Vielmehr war es sein Lehrer, László Moholy-Nagy, der dem jungen Wagenfeld vorschlug, sich an die „interessante Aufgabe“ eines Lampenentwurfes zu machen und ihm Eisen, Messing und Opalglas als Material vorschlug. Und Wagenfeld? Der fand das erst einmal doof. War „wenig beglückt“, wie er später schreibt, und unglücklich mit den „störenden Materialangaben“.
Die Lampe erschien ihm im Traum
Er machte sich dennoch an die Arbeit, ging direkt nach dem Mittagessen in sein „stilles Dachzimmer“, um erste Entwurfsskizzen zu machen. „Vergeblich grübelte ich da auf dem Papier skizzierend herum bis in die Nacht hinein. Völlig erschöpft und enttäuscht von der Vergeblichkeit meiner Mühe legte ich mich hin.“ Eine gute Entscheidung, denn – das behauptete zumindest Wagenfeld selbst – die Lampe, so wie wir sie heute kennen, erschien ihm im Traum.
Wagenfeld selbst beschreibt das Erlebnis wie folgt: „Ich lag gewiß sehr bald in einem festen Schlaf. Denn als dann im Traum die Lampe vor mir stand, hell wie ein Tagbild, ganz so wie jetzt auf meinem Tisch, erwachte ich sofort.“
Und so skizzierte Wagenfeld, fertigte Werkzeichnungen an und übergab seine Idee an die Metallwerkstatt. Viele Stunden Handarbeit später stand Wagenfeld dann mit seiner Lampe auf der Herbstmesse und sah sich mit wenigen Bestellungen konfrontiert. 1928 wurde die Lampe erstmals industriell gefertigt. Zu teuer war sie für den Otto-Normal-Verbraucher aber auch dann noch. Und so war dann schnell erst einmal Schluss mit der WG 24, die heute den meisten Menschen kurz und knapp als „Bauhaus-Leuchte“ oder „Wagenfeld-Leuchte“ ein Begriff ist. Ihre Wiederauferstehung sollte sie erst fünfzig Jahre später dank eines Bremer Unternehmens feiern. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ausstellung im Wagenfeld-Haus
Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums widmet sich das Wilhelm-Wagenfeld-Haus ab dem 24. Mai in einer Ausstellung den Leuchtenentwürfen seines Namensgebers. Bis zum 27. Oktober zeigt die Einrichtung neben Wagenfelds berühmter Tischleuchte von 1924 diverse weitere Entwürfe des 1900 in Bremen geborenen Designers – denn immerhin hat er im Laufe seines Lebens fast 150 Lampen entworfen. Die Ausstellung zeigt, wie sich die Bauhausidee in Wagenfelds Werk von den 1950ern bis in die 1970er-Jahre weiterentwickelt hat. Außerdem verdeutlichen zeitgenössische Leuchtenentwürfe, wie heutige Designer und Designerinnen an Wagenfelds Œuvre anknüpfen.
Der WESER-KURIER nimmt die Ausstellung zum Anlass für eine Serie über berühmte Designerlampen von ganz unterschiedlichen Designern, die geprägt sind von ganz unterschiedlichen Stilen, Materialien und Einflüssen. Den Anfang macht Wagenfelds Tischleuchte, weiter geht es quer durch die Jahrzehnte bis in die 80er-Jahre und schließlich zur Rückkehr der Bauhaus-Leuchte durch Tecnolumen.