Herr Meyer, Sie leben in der Bremer Neustadt. Wie sieht Ihr Garten aus?
Ronny Meyer : Hinter dem Haus habe ich eine Terrasse mit einer Rasenfläche und vorne habe ich einen Stellplatz für Fahrräder geschaffen. Ich habe ihn überdacht und mit einer Grünfläche versehen – insofern habe ich die gepflasterte Fläche mit dem Gründach ausgeglichen.
Immer mehr Menschen verwandeln ihre Vorgärten in Schottergärten. Bremen will das in Zukunft verbieten. Warum?
Wir halten Schottergärten aus unterschiedlichen Gründen für problematisch, nicht nur aus ökologischen. Pflanzen sind Lebensräume für Tiere, für Insekten, für Bienen. Grünflächen in der Stadt sorgen auch dafür, dass Regenwasser versickern kann. Wenn Sie alles pflastern, geht Versickerungsfläche verloren. Grün in der Stadt hat auch eine klimatische Funktion. Hitze-Inseln werden vermieden. Der letzte Sommer hat es gezeigt. Wir sind mit einem Thermometer durch die Stadt gegangen und haben festgestellt, dass die Temperatur im Rasen kühler war als auf Stein. Und ich persönlich finde es auch schöner, ins Grüne zu gucken als auf kahlen Stein.
In Bremen wird den Grünen gern Regulierungswut vorgeworfen. Jetzt haben Sie eine Verordnung eingebracht, nach der Schottergärten verboten sind und Dachbegrünung vorgeschrieben ist. Gab es im Vorfeld Proteste?
Über die Verordnung zur Dachbegrünung wurde viel diskutiert. Es wurde vonseiten der Immobilienbranche so getan, als würde das Bauen dadurch teurer. Dabei gibt es ähnliche Verordnungen auch schon in anderen Städten wie Dortmund und München. Und es ist heute schon so, dass nicht jeder darf, wie er will. Zum Beispiel ist festgelegt, dass in Neubaugebieten der Vorgarten zur Straße hin nicht durch eine Mauer oder eine Holzwand begrenzt werden darf, sondern dass eine Hecke gepflanzt werden muss.
Mit welchen Mehrkosten müssen die Bremer nun rechnen?
Vorgeschrieben werden Dachbegrünungen nur im Neubau und bei Flach- und Kiesdächern ab einer Größe von 100 Quadratmetern. Wir reden hier über den großen Geschosswohnungs- und Bürobau, nicht über private Reihenhäuser- und Doppelhaushälften. In dieser Größenordnung spielen Gründächer bei den Projektkosten keine Rolle, die Mehrkosten liegen nach bisherigen Berechnungen bei lediglich 0,2 Prozent. Außerdem wird Wasser gespeichert, das gibt einen Bonus bei der Abwasserabrechnung. Im Winter sparen Sie mit der dämmenden Erdschicht Heizkosten. Insofern haben Sie reale Minderkosten. Wenn Sie allerdings privat ein kleines Garagendach begrünen wollen, sind Sie schnell mit 200 Euro pro Quadratmeter dabei. Ich habe es trotzdem gemacht, mit dem Effekt, dass ich jetzt von meinem Wohnzimmer aus auf eine Rasenfläche und nicht auf Autos schaue.
Für bereits geschotterte Vorgärten gilt Bestandschutz?
Richtig, aber wenn zukünftig in Bremen neu gebaut wird, muss der Garten begrünt werden. Wir empfehlen Pflanzen, die Insektenvielfalt befördern und die dem Klimawandel standhalten. Aber dies sind nur Empfehlungen. Die Pflanzarten werden nicht verbindlich vorgeschrieben, das wäre aus meiner Sicht unangemessen.
Welche Widerstände gab es gegen das Schotter-Verbot?
Bei der Verordnung nehmen wir kaum Widerstände wahr. Diese Vorgärten sind vielen Menschen ein Dorn im Auge. Die meisten Menschen finden solche Vorgärten hässlich und unökologisch.
Bereits 2018 hat der BUND Bremen aufgefordert, erste pestizidfreie Region zu werden, um Insekten zu schützen. Inwiefern wird ein Anwendungsverbot von Pestiziden für öffentliche Flächen inzwischen umgesetzt?
Der Umweltbetrieb Bremen setzt keinerlei Pestizide oder Unkrautvernichter ein.
Der Beirat in Blumenthal hat sich kürzlich über Blühstreifen informiert. Muss Bremen noch mehr umdenken?
Wir wollen versuchen, in Zukunft noch aktiver zu werden und die Zusammenarbeit zwischen dem Umweltressort und dem Amt für Straßen und Verkehr zu verbessern. Wir sehen, dass der Insektenschwund real ist. Das muss uns alle beunruhigen. Es wird nicht reichen, Blühstreifen zu schaffen, sondern es muss ein umfassendes Pestizidverbot geben. Wir werden sehen, was die Bundesregierung dazu bundesweit auflegt. Und wir werden uns über das Thema Beleuchtung Gedanken machen müssen, weil viele Insekten durch künstliche Beleuchtung sterben. Bienen leisten beim Bestäuben von Pflanzen extrem wertvolle Dienstleistungen. Menschenhand kann sie nicht ersetzen. In so einer Welt möchte ich nicht leben, in der wir die Insekten ausgerottet haben. Auch wenn manche Insekten gelegentlich lästig werden können, sollten wir uns über jedes einzelne Insekt freuen. Denn dazu kommt: Durch den Insektenschwund verlieren auch Vögel und andere Tiere ihre Nahrung. Es hat massive Folgen, wenn wir die Insekten verlieren – und daran ist der Mensch schuld.
Das Interview führte Patricia Brandt.
Ronny Meyer, Jahrgang 1976, ist in Bremen als Staatsrat zuständig für Umwelt, Bau und Verkehr. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in der Neustadt.