Kann’s losgehen? Markus Unger steht im Türrahmen des Referats 21 beim Ordnungsamt Bremen. Kurze, rötliche Haare, Kinnbart, zurückhaltend-freundliches Lächeln, Dienstbekleidung mit breitem Umschnallgurt. Daran befestigt: eine Handyhalterung, ein Drucker für Knöllchen, ein digitaler Abstandsmesser. Das, was Unger braucht, um Parkverstöße in der Bremer Innenstadt zu ahnden. Mit dem Aufzug geht’s runter ins Erdgeschoss, zu Fuß nur wenige Schritte bis zu dem Ort, wo der Ordnungsamtsmitarbeiter das erste Mal sein Handy zücken muss.
Es ist mal wieder ein einziges Geschiebe auf der Carl-Ronning-Straße. Links und rechts am Straßenrand der Lieferverkehr, auf der Fahrbahn die Pendler auf dem Weg ins Parkhaus Mitte und im Zentrum des Ganzen jetzt Markus Unger, der ein Eingeschränktes-Halteverbot-Schild fotografiert. "Es steht mal wieder schief", sagt er und lacht. Fotos wie diese macht er nicht nur, um beschädigte Schilder zu melden, er macht sie an fast jedem Straßeneingang. Mit einer Handy-App sammelt er erst gerichtsfeste Beweise, um dann zu gucken, ob sich jemand in der Straße nicht an die Regeln gehalten hat. Das spart Laufkilometer – und davon wird er an diesem Tag noch einige zurücklegen.
Umfeld Parkhaus Mitte ist ein "Hotspot"
Zu Fuß geht es durchs Revier 33A5, den Bereich zwischen Obernstraße und Wallanlagen. Kontrolliert wird der ruhende Verkehr – "alles, was ein Kennzeichen hat oder haben sollte". In der Innenstadt sind er und seine Kollegen alleine unterwegs, im Bahnhofsumfeld, im Viertel oder in Gröpelingen aus Sicherheitsgründen zu zweit. Gut siebeneinhalb Stunden wird Unger an diesem Tag durch die Stadt laufen, fast eine Stunde davon im Umfeld der Carl-Ronning-Straße. Ein "Hotspot", wie er sagt. Minütlich halten hier Fahrzeuge, hin und wieder parken auch welche, halten also länger als drei Minuten. Und das ist hier verboten.

Markus Unger prüft jeden Tag Dutzende Sonderparkausweise. Auch Fälschungen hat er schon erlebt.
Langsam läuft Unger die Reihe der Fahrzeuge am Straßenrand ab, blickt hinter jede Windschutzscheibe. Liegt eine Sondererlaubnis vor? Handelt es sich um Anlieferungen für gastronomische Betriebe? Schnell wird klar: Markus Unger ist genauso wenig darauf aus, Knöllchen zu verteilen, wie die Fahrzeughalter darauf aus sind, welche zu bekommen. Oft reicht nur ein kurzer Blick, ein Zunicken, und wartende Autos setzen sich in Bewegung. Immer wieder auch Nachfragen, ob es in Ordnung sei, kurz zu halten. Die Antwort jedes Mal: zum Be- und Entladen in dieser Straße gar kein Problem.
Nächste Straße, andere Bedingungen. Der 38-Jährige fotografiert routiniert Verkehrsschilder und Parksituationen. Ob er eigentlich jede Straße samt Parkbedingungen in Bremen kenne? Bis auf wenige Ausnahmen schon, entgegnet Unger. In drei Jahren beim Ordnungsamt ist er viel rumgekommen, leitet inzwischen als Einsatzdisponent selbst ein Team. Familienfreundlichere Arbeitsbedingungen als in seinem alten Job als Restaurantleiter. Von dort habe er jedoch eine nützliche Eigenschaft mitgebracht: ein dickes Fell, wenn der Ton mal rauer wird.
Ordnungsamt entscheidet direkt vor Ort
In der Herdentorswallstraße reicht diesmal jedoch auch ein dünnes Fell. Kurze, freundliche Gespräche mit ein paar Autofahrern, ein erster ungültiger Parkschein. Unger erfasst das Auto, druckt ein Knöllchen. Jetzt wird es für den Halter jede Stunde teurer. Steht das Auto am nächsten Tag immer noch da, wird geprüft, ob der Abschleppdienst kommen muss. Das geht dann richtig ins Geld.
Ein Sonderfall wenige Meter weiter: Der Parkschein ist zwar gültig, aber das Auto steht im eingeschränkten Halteverbot. Markus Unger kontrolliert erst einmal die anderen Autos, gibt dem Halter noch ein paar Minuten Zeit. Doch als der nicht auftaucht, gibt es auch hier Post vom Amt. Die Entscheidung trifft der Ordnungsamtsmitarbeiter direkt vor Ort. Hilft verhandeln? Hilft anschreien? Ist Unger bestechlich?

Für ihre Arbeit und die Beweisfotos nutzen die Mitarbeiter des Ordnungsamts eine eigene App samt GPS-Erfassung.
Die gute Nachricht: Der Ton macht die Musik und ausgedruckte Knöllchen lassen sich kurzfristig auch stornieren. Ziel sei nicht, die Leute zu triezen, sondern die Verkehrsordnung durchzusetzen. Zeigten sich Halter vor Ort verständnisvoll und einsichtig, drohe oft auch kein Bußgeld. Doch wer schreit, hat schlechte Karten. Nicht nur, was das Knöllchen angeht, sondern auch generell. Unger und seine Kollegen besuchen Selbstverteidigungskurse, lernen Methoden, sich schnell aus brenzligen Situationen zu entfernen, um die Polizei rufen zu können. Das sei zwar immer mal wieder nötig, bleibe jedoch die Ausnahme. Und Bestechung? Kommt laut Unger und seiner Vorgesetzten praktisch nie vor und sei darüber hinaus auch nicht erfolgversprechend.
Kein Pardon bei Behindertenparkplätzen
Die kleine Runde mit Markus Unger nähert sich dem Ende. Es geht zurück in die Carl-Ronning-Straße. Dort bietet sich wieder ein anderer Anblick und es gibt eine Situation, bei der Unger kein Pardon kennt: ein grauer Sportwagen auf einem Behindertenparkplatz ohne Sondererlaubnis hinter der Scheibe. In solch einem Fall wird direkt abgeschleppt. Ein prüfender Blick die Straße runter, Griff zum Handy, Halterabfrage. Das Auto gehört einer Firma, Unger will sie anrufen. Kleine Frage: Das machen Sie doch jetzt nur, weil die Zeitung dabei ist, oder? Markus Unger widerspricht. Wenn man seinen Job ordentlich macht, gehöre das dazu. Wenn der Fahrer das Auto selbst wegfährt, ist das nicht nur günstiger, es geht auch schneller.
Doch bei der Firma geht niemand dran. Chance vertan, Unger will den Abschleppdienst anrufen. Doch dann taucht plötzlich der Fahrer auf. Er habe nur kurz etwas abholen wollen. Das hört Markus Unger oft. Das Gespräch ist freundlich, der Mann fährt das Auto direkt weg, 55 Euro fürs falsche Parken muss er trotzdem zahlen. Einmal Essen gehen, sagt Unger. Im Parkhaus nebenan hätte er weniger bezahlt.