Die Stimme von Joachim Musch bebt vor Empörung, als er seine Stellungnahme auf der Sitzung des Beirates Mitte verliest. Die so kurzfristige Befassung zum Verkauf des Parkhauses Mitte, die Investor und Bau-Unternehmer Kurt Zech, Ronny Meyer, Staatsrat im Bauressort und Reinhard Viering, Leiter Stadtentwicklung/-planung vom Beirat verlangen, verschlägt dem Grünen-Politiker hörbar die Stimme. Sie sind gekommen, um sich den Fragen des Beirates und der Öffentlichkeit zu stellen. Joachim Musch weiß als Sprecher des Bauausschusses Mitte, wovon er redet, wenn er in sehr deutlichen Worten die Intransparenz des Verfahrens moniert.
„Der Beirat entscheidet im Blindflug, obwohl von den senatorischen Stellen als auch von den Investoren eine sorgfältige Vorbereitung vor circa zwei Jahren zugesagt worden ist. Wenn bereits beim ersten Schritt der geplanten Innenstadtentwicklung die Beteiligung des Beirates nicht ernst genommen wird und der Beirat zu einem reinen Abnickgremium herabgewürdigt wird, so sind die Aussichten für eine Beteiligung in der Zukunft düster, sogar sehr düster.“ Und Musch warnt: „Geht das Projekt schief oder erfüllen sich die ökonomischen Erwartungen nicht, wird der Beirat als Verursacher ausgemacht, wie es beim Ansgariprojekt vorgemacht worden ist.“ Dann resümiert der Grünen-Politiker: „Es ist eine Entscheidung gefallen, ohne dass eine Entscheidung getroffen werden konnte. Die Konsequenz des Beirates ist, wir nehmen zur Kenntnis, dass öffentliches Eigentum zu uns nicht bekannten Bedingungen verkauft wird.“ Immerhin habe sich der Beirat Mitte bereits seit einer Dekade intensiv mit der Innenstadt-Entwicklung beschäftigt. Auch Matthias Rauch (Linke) ereifert sich über das Procedere: „Hier geht es schließlich um den Verkauf öffentlichen Grunds und letztendlich um die Stadtsteuerung, das ist keine Lappalie!“
Zech setzt auf Nutzungs-Mix
Dirk Kühling,Vertreter des Wirtschaftsressorts, merkt an, dass es sowieso nicht funktioniert hätte, das Ansgariprojekt zu einer reinen Ladenpassage umzugestalten. Dass Shopping Center nicht mehr zukunftsfähig seien, zeigten die rasanten Veränderungen in der City als Einkaufsstandort, die Anlass zur Sorge gäben. Kurt Zech verspricht nun mit dem Abriss des Parkhauses Mitte den großen Coup. Er setzt auf einen intelligenten Nutzungs-Mix aus Einzelhandel im Parterre, Wohnraum, Dienstleistungen und Büros. Ohne die Schaffung eines urbanen Viertels sei die Innenstadt bald tot, so seine Prognose.
Noch vor der Bürgerschaftswahl am 26. Mai soll nun alles ganz schnell gehen. Sowohl Reinhard Viering als auch Ronny Meyer wiegeln ab und argumentieren mit dem Zeitdruck, der zusätzlich durch die gerade eben beendeten Osterferien entstanden sei. Solch anspruchsvolle Projekte brauchten eben ihre Zeit und es werde jetzt so viel Druck gemacht, um den Kaufvertrag noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen. Denn nach der Wahl müssten sich erst einmal alle Gremien wieder neu konstituieren. Und das würde bedeuten, dass sich sonst das Bau-Projekt bis hinein in den Herbst verzögern würde.
Problematisch ist der Zeitpunkt des anberaumten Beirats-Termins: ausgerechnet am Abend des Halbfinal-Spiels im DFB-Pokal zwischen Werder und dem FC Bayern München. Dementsprechend sind die Reihen des Beirates Mitte, aber auch der interessierten Zuhörerschaft merklich ausgedünnt. So bezeichnet Ortsamtsleiterin Hellena Harttung die späte Übermittlung des Entwurfes erst am selben Tag als unglücklich. „Wir sind doch heute gar nicht beschlussfähig. Das ist doch einfach nur peinlich und das Hinterletzte, das empfinde ich auch als Befürworterin des Projektes so“, unterstreicht CDU-Politikerin Viola Mull. Harttung stellt in Aussicht, dass der Beirat bis zum heutigen 29. April eine schriftliche Stellungnahme zu Vierings Entwurf erarbeiten will. Denn schon nächste Woche sind die Bau-Deputation und der Haushaltausschuss mit dem Großbau-Projekt von Zech befasst.
Beidseitiges Rücktrittsrecht vom Vertrag
Auch Zech selbst wiegelt ab, der Beirat solle doch lediglich erst einmal über den Verkauf des Parkhauses Mitte befinden. Der Investor beteuert, dass Beirat sowie Öffentlichkeit an allen weiteren Schritten des Projektes, wie dem Bebauungsplan und dem städtebaulichen Werkstattverfahren beteiligt werden sollen, so wie es bei seinem Bauvorhaben am Kopf des Europahafens auch geschehen sei. So werde es ein städtebauliches Werkstatt-Verfahren, gekoppelt mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit geben. „Das städtebauliche Modell soll erst noch entwickelt werden“, versichert Reinhard Viering. Und Kurt Zech fügt hinzu: Der Vertrag, in den viel Arbeit und Geld investiert worden wäre, sei für die Stadt sozusagen doppelt „durch Gürtel und Hosenträger abgesichert“, wie er es formuliert. Sollten Vertragsverletzungen irgendwelcher Art begangen werden, bestehe ein beidseitiges Rücktrittsrecht vom Vertrag, beteuert der Bau-Unternehmer. In der Phase des Werkstatt-Verfahrens mit mindestens sechs Planungsbüros und der Entwicklung des Bebauungsplanes bleibe die Brepark Eigentümerin und das Parkhaus weiterhin in Betrieb. Erschwerend komme hinzu, so Viering, dass es sich eigentlich um zwei Parkhäuser in einem handele, einem städtischen und einem privaten, das für das damalige Kaufhaus Horten (heute Galeria Kaufhof) errichtet worden sei. Der Investor habe auch mit dem privaten Eigentümer eine Kooperation geschlossen.
Besorgte Nachfragen aus dem Auditorium gibt es dann auch zum Wegfall der 1060 Parkplätze, die mit dem geplanten Abriss des Parkhauses Mitte ersatzlos zugunsten anderer Mobilitätsformen verschwinden sollen. Erklärtes Ziel seines Ressorts sei es, der autofreien Innenstadt ein gutes Stück weit näher zu kommen, betont Bau-Staatsrat Ronny Meyer. Was das für Auswirkungen haben wird, darüber sollen zwei Gutachten Auskunft geben, deren Ergebnisse allerdings noch nicht vorliegen.