85 Bäume stehen noch, 32 sind in den vergangenen Jahren an der Delmestraße verschwunden. "Kahlschlag", nennt das Anwohnerin Marion Remlinger, die gemeinsam mit ihren Nachbarn Ersatz für die gefällten Bäume einfordert. "Es sieht jetzt mit den Lücken schon teilweise trostlos aus und wenn das so weiter geht, ist irgendwann gar kein Baum mehr übrig", sagt Remlinger. Mehr als jeder vierte Baum der einstigen Rotdornallee fehlt bereits.
Mit einer Protestaktion haben die Anwohnerinnen und Anwohner nun darauf aufmerksam gemacht, dass sie für Nachpflanzungen an der Delmestraße kämpfen wollen. Mit Holzkreuzen, auffällig orangefarben lackiert, haben die Anwohner alle leeren Baumscheiben markiert und Informationsflyer mit ihren Forderungen angeheftet.
Der Stadt ist das Problem bekannt. Seit knapp zehn Jahren werde intensiv versucht, für die Straßenbäume dort eine Lösung zu finden, heißt es vom zuständigen Umweltbetrieb Bremen. "Vom Grundsatz her sollen alle gefällten Straßenbäume nachgepflanzt werden, sofern dies aus fachlicher Sicht und nach den Regeln der Technik möglich und sinnvoll ist", teilt die Umweltbehörde dazu schriftlich mit. In der Delmestraße sei es aber zurzeit leider nicht möglich.
Warum Nachpflanzungen derzeit nicht möglich sind
Zusammengefasst lautet die Begründung der Fachleute so: Nachpflanzungen sind an der Straßenseite mit den geraden Hausnummern nicht möglich, weil dort eine Haupttrasse der Gasleitung verläuft, die laut Betreibergesellschaft Wesernetz nicht woanders hin verlegt werden kann. Die Gasleitung liegt unter dem Radweg und damit direkt neben den Baumstandorten.
An der anderen Straßenseite zeigte sich die Wesernetz allerdings kompromissbereit. Dort liegt zwar unter dem Gehweg ebenfalls ein Leitungspaket, das allerdings durch Einbau eines Leitungsschutzes vor etwaigen Schäden durch Baumwurzeln geschützt werden könnte. Der Fahrradweg müsste aber dafür aufgelöst und auf die Straße verlegt werden, damit die Bäume in größerem Abstand zu den Leitungen gepflanzt werden können.
Diesen Vorschlag hatte der Beirat Neustadt bereits 2018 angenommen und für die Umsetzung auf einem Teilstück Geld aus seinem Stadtteilbudget zur Verfügung gestellt. Dennoch kam es nie zur Umsetzung, weil ein Telefonanbieter kurz vor Start der Arbeiten noch sein Veto eingelegt hatte. Zwei Trassen für Telefon- und Datenkabel in Betonkanälen hat dieser unter den Pflanzbeeten und Radwegen liegen. Einer Verlegung habe der Telefonanbieter aus Kostengründen nicht zugestimmt, teilt die Umweltbehörde mit.
"Alle wollen, dass dort Bäume gepflanzt werden, aber es geht momentan leider nicht", fasst Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon das Problem zusammen.
Bäume brauchen mehr Platz
Neben den Leitungen gibt es aber noch ein zweites Problem, das Nachpflanzungen verhindert: Die Pflanzgruben entsprechen in Größe und Ausführung nicht mehr dem heutigen Stand. Neue Bäume hätten also nach heutigem Wissensstand in den alten Gruben für ihre Wurzeln zu wenig Platz und Luft, um ausreichend Wasser und Nährstoffe aufnehmen zu können.
Die Folge ist stadtweit sichtbar: Viele Jungbäume sind laut Umweltbetrieb in den vergangenen Jahren nur wenige Jahre nach ihrer Pflanzung bereits eingegangen. Für die Zukunft gilt also: Die Stadt lässt Bäume ab sofort in deutlich größere Gruben pflanzen, auch wenn das bedeutet, dass im Gegenzug weniger Bäume einen Platz am Straßenrand finden.
"Diesen Platz können wir in unseren engen Wohnstraßen im Flüsseviertel an vielen Stellen leider nicht bieten", bedauert Walter Wiedenmann aus der Nachbarschaft. Er ist allerdings der Überzeugung, dass auch für dieses Problem eine technische Lösung möglich ist. "Dafür muss die Stadt aber das Geld zur Verfügung stellen, wenn sie weiterhin Straßenbäume haben will", so Wiedenmann.
Anwohner wollen für Bäume kämpfen
Dass Leitungen im Boden neue Bäume ausschließen, wollen die Anwohner nicht kampflos hinnehmen. "Wir akzeptieren nicht, dass wir in der Delmestraße einer baumlosen Zukunft entgegenblicken", sagt Anwohnerin Remlinger. Sie und ihre Mitstreiter wollen daher erreichen, dass weiter eine Lösung gesucht wird. Sei es durch kleinere Bäume oder Bäume, deren Wurzeln sich nicht zur Seite ausbreiten. Oder auch durch eine Übernahme der Kosten für Leitungsverlegungen durch die Stadt.
"Wir würden auch einzelne Bäume bezahlen", bietet Remlinger an. Der stellvertretende Sprecher des Neustädter Beirates, Wolfgang Schnecking (SPD), sieht jedoch an erster Stelle die Landesregierung in der Verantwortung: "Wenn wir über mehr Grün in der Stadt reden, müssen wir auch offen über die Kosten sprechen."
Die engagierte Nachbarschaft wünscht sich nun einen Dialog mit der Stadt. Remlinger: "Wir brauchen die Bäume als Schattenspender und für eine verbesserte Luft. Wir können es uns aus Klimaschutz-Gründen gar nicht leisten, keinen Ersatz zu bekommen."