„Ich war selbst überrascht von der Themenvielfalt in Bremen“, sagt Eckhard Stengel, der mehr als 30 Jahre lang als Bremen-Korrespondent diverse deutsche Tageszeitungen mit Texten und Bildern belieferte. Auf tausende Artikel ist Eckhard Stengel im Laufe dieser Jahrzehnte gekommen, 240 davon sind im Buch „Bremer Rundschau“ versammelt. Daraus wird der eigentlich in Eckernförde aufgewachsene Journalist am Donnerstag, 23. Juni, um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Thalia die eine oder andere vergessene und auch unvergessene Bremensie vortragen.
Wer erinnert sich beispielsweise noch an den Schmiergeldskandal im Bremer Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße? Wer weiß noch, was die „Piepmatzaffäre“ war? Oder wer ist vielleicht nicht von hier und hat sich schon immer gefragt, was der „Klangbogen“ war und das „Schaffermahl“ ist? Dann könnte das 420 Seiten starke Buch nicht nur für diese Fragen die Antworten nebst Hintergründen liefern.
Geschichten für die Nachwelt erhalten
„Bremen hat so viele interessante Themen, dass es schade gewesen wäre, wenn sie Eintagsfliegen geblieben wären. Ich wollte sie für die Nachwelt erhalten“, sagt Eckhard Stengel. Ein journalistisches Nachschlagewerk sollte es werden, um nachschauen zu können, wann was geschah, und folgerichtig ist das Buch auch mit einem umfangreichen Sach- und Personenregister ausgestattet. Die Artikel selbst hat Eckhard Stengel seinem Privatarchiv entnommen, dabei hat er entweder die originalen Artikel verwendet oder aber mehrere Artikel zu einem Text zusammengefasst. Zur besseren Einordnung ist jeder Artikel mit einer Jahreszahl versehen und Eckhard Stengel hat es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, zu damals noch unabgeschlossenen Themen einen „Wie es weiterging“-Infokasten zu schreiben. Letzten Endes aber sei das Buch eine Art Fundgrube, sagt er, „ein Steinbruch, wo sich die Leute ihre Sachen zusammensuchen können.“
Manche seiner ersten Buchleser kannten einige der Themen noch gar nicht: „Ich habe auch Themen aufgegriffen, die in Bremen nicht behandelt wurden oder unter anderen Gesichtspunkten gesehen“, erzählt er, „und manchmal waren meine Leser dadurch besser informiert als durch die Lokalmedien.“
Er wollte nie angestellt sein
Seine Leser und Leserinnen, das waren Zeitungskäufer der Süddeutschen Zeitung, für die Eckhard Stengel von 1989 bis 1993 tätig war, oder der Frankfurter Rundschau, die er ab 1993 belieferte. Aber auch der Tagesspiegel war dabei, die Hannoversche Allgemeine, die Stuttgarter Zeitung, die Badische Zeitung oder Die Rheinpfalz – insgesamt ein rundes Dutzend Zeitungen seien es wohl gewesen, die Eckhard Stengel mit Artikeln aus Bremen versorgte. „Alles freiberuflich“, wie er betont, „ich wollte nie angestellt sein. Ich wollte immer selbst entscheiden, über welche Themen ich schreibe und meine Zeit selbst einteilen.“
Und so habe es zentrale Themen gegeben, aber auch randseitige Begebenheiten: So hat im Jahr 2018 eine Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen das Missfallen des Parlamentspräsidenten erregt, als sie barfuß zur Plenarsitzung erschien. Und eine Bremerhavener Gaststätte nannte ein Getränk im Jahre 2020 tatsächlich „Bimbo“ und setzte die Karikatur eines Schwarzen daneben. Weitere Themen, um nur einige zu nennen: Die Pleiten diverser Bremer Unternehmen und Unternehmungen, Brechmitteleinsätze mit Folgen, Skurrilitäten des Bremer Alltags und immer wieder und doch unterhaltsam: Die Bremer Politik in all ihren Facetten von 1989 bis 2021.
Er wollte Missstände öffentlich machen
„Was mir immer wichtig war: Nicht nur Chronist zu sein, sondern auch ernst zu nehmen, dass die Presse auch eine Kontrollfunktion im Staate hat“, sagt er. Missstände öffentlich machen wie etwa eine vom ihm aufgedeckte CDU-Spendenaffäre oder skandalöse Entscheidungen von Gerichten oder Asylbehörden: „Insgesamt schlägt mein Herz eher für die Schwächeren und ich habe versucht, deren Anliegen Gehör zu verschaffen, ohne mich zum Sprachrohr zu machen. Ich wollte nicht ausgewogen, sondern abgewogen berichten.“
Inzwischen habe er jedoch seinen „Bauchladen“ abgegeben, er ist seit Dezember 2021 im Ruhestand und ist nur noch selten für andere Medien tätig und nur noch dann, wenn ihn Themen besonders interessieren. „Und als Fotograf arbeite ich noch“, sagt er, „das mache ich bereits seit Schulzeiten als freier Mitarbeiter.“ Schon als Gymnasiast habe er in der Dunkelkammer gestanden und seine Fotos entwickelt und in späteren Jahren seine Artikel mit eigenen Bildern ergänzt. Daneben arbeitet er seit 2014 nebenbei für die Agentur „Imago“ und seit 20 Jahren ist er auch Dozent an der Bremer Uni, um Studierenden und Lehrenden verständliches Schreiben beizubringen. Und er versucht, Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes das Amtsdeutsch auszutreiben – „das ist ein Bohren dicker Bretter.“