Der neue Neustädter Beirat hat sich gleich in seiner konstituierenden Sitzung in die konkrete Arbeit gestürzt und auf ein Gerücht mit maßgeblichen Folgen für die Quartiersentwicklung reagiert. Nach Informationen der Initiative „Schokotopia“ soll das Hachez-Gelände an den Unternehmer Kurt Zech verkauft sein – was auf Nachfrage weder dementiert noch bestätigt worden ist.
Nach einer konstruktiven Diskussion fassten die Stadtteilparlamentarier einen Beschluss, mit dem sie zugleich eine Richtschnur für ihre vierjährige Amtszeit gespannt haben: Sie fordern für sich eine frühzeitige Beteiligung an der Stadtteilentwicklung vom Senat ein. Gleichzeitig verordnen sie sich, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Mitsprache einzuräumen, wo Bürgerbeteiligung möglich ist. Beides bringt der einstimmig gefasste Antrag ans Bauressort zum Ausdruck.
Darin heißt es, dass der Beirat das Anliegen der Initiative „Schokotopia“ unterstützt, dass die Stadt Bremen wenn möglich ein Vorkaufsrecht für das Hachez-Gelände bei einem Verkauf ausübt. Außerdem fordert der Beirat den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr auf, die Gestaltungsoptionen für das Hachez-Gelände offen zu halten und sowohl den Beirat unverzüglich einzubeziehen, als auch eine breite Bürgerbeteiligung für die Nutzung und Gestaltung des Geländes zu organisieren.
Der Anstoß dazu war eine Anfrage einer Vertreterin der Initiative „Schokotopia“. Sie hatte sich nach der Vorstellung der Beiratsmitglieder in der Johanniter-Begegnungsstätte im Buntentor danach erkundigt, ob das Verkaufsgerücht der Wahrheit entspreche und warnte vor einer Bauplanung wie beim ehemaligen Mondelez-Areal.
Dort treten die Hanseatischen Projektentwicklung (HPE) und die Projektentwickler von Justus Grosse als Investoren auf. Sie wollen durch Sanierungs- und Umbaumaßnahmen neuen Wohnraum schaffen: die „Weser-Höfe“ (wir berichteten). Dadurch könnte die ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bewohner verdrängt werden, so die Befürchtung. Daher wollte die „Schokotopia“-Sprecherin wissen, ob die Stadt ein Vorkaufsrecht für das Hachez-Areal habe und wo der entsprechende Antrag gestellt werden könnte.
Diffuse Informationslage
Damit hatte sie gleich eines der zentralen Themen angesprochen, mit dem sich die Mandatsträger intensiv befassen wollen: Gentrifizierung. Ihre Nachfrage löste sofort Unruhe im Beirat wie bei den anwesenden Bürgern aus. Offenbar hatte bis auf den parteilosen Wolfgang Meyer (parteilos), der das Gerücht kannte, bisher kein Beiratsmitglied von dem möglichen Deal Kenntnis. „Das höre ich zum ersten Mal“, war die erste Reaktion der Politiker. Sie kam von Ingo Mose (Grüne), der die Zielsetzung der Initiative „Schokotopia“ ausdrücklich begrüßt. „Das bedarf einer Aufklärung“, stellte er hinsichtlich der Hachez-Entwicklung fest. Eine Forderung, die auch Vertreter der SPD und der Linkspartei stellten.
Auch Annemarie Czichon zeigte sich überrascht über die etwaigen Pläne. Die Neustädter Ortsamtsleiterin räumte eine „diffuse Informationslage“ ein. Sie vermutete, dass die Stadt ein Vorkaufsrecht habe, mittlerweile ist jedoch klar, dass das nicht der Fall ist (wir berichteten im Hauptteil). Aber ohne die konkrete Sachlage zu kennen, konnten die Kommunalpolitiker keine Stellungnahme dazu abgeben, was sie sich für den Bereich in der Neustadt wünschen.
Dieser wurde jedoch bei zwölf Gegenstimmen abgelehnt. Bei der Abstimmung über den oben genannten Bürgerantrag votierten 14 der 18 anwesenden Beiratsmitglieder dafür. Die drei CDU-Mitglieder und Johannes Wicht (FDP) enthielten sich. Melanie Morawietz (CDU) begründete dies damit, dass sie keine auf „Halbwissen“ basierende Entscheidung fällen könne und mit dem wichtigen Thema „überfallartig“ konfrontiert worden sei.
Initiative Schokotopia
Die Gruppe Schokotopia hat sich zu Jahresbeginn in der Neustadt gebildet, um bei den anbahnenden Veränderungen auf dem Hachez-Gelände konstruktiv mitzumischen und eine mögliche Vergabe des Areals an einen kapitalstarken Großinvestor zu verhindern. Das traditionsreiche Schokoladenunternehmen will im nächsten Jahr die Produktion aus der Bremer Neustadt nach Polen verlagern.
Die Initiative möchte die Fläche und Hallen der Schokoladenfabrik mit einem neuen selbst organisierten Nutzungskonzept zu einem generationsübergreifenden und inklusiven Ort der Begegnung entwickeln. Sie verfolgt unter anderem auch kulturelle Ideen und sucht den Dialog mit der Stadt und Politik.
Mitbestimmung, Mitgestaltung, Mitmachen – Stadtentwicklung kann und sollte für die Bewohner und -innen sein, ist ihr Ansatz. Zu dem ersten Treffen kamen rund 70 Interessierte. Inzwischen gibt es drei Fokusgruppen. Mehr unter https://wiki.schokotopia-bremen.info.