Kinder, die in Städten leben, kommen heutzutage immer weniger in Kontakt mit der Natur. Viele wissen nicht, wo die Lebensmittel überhaupt herkommen, und noch weniger Kinder haben jemals in ihrem Leben selber Gemüse angebaut. Zugleich leiden viele an Übergewicht und Bewegungsmangel. Um dem zu begegnen, können Schulen und Kitas an einer „Gemüseackerdemie“ teilnehmen, die von dem gemeinnützigen Sozialunternehmen Ackerdemia angeboten wird. Es hat seinen Sitz in Berlin und Potsdam und will das Bewusstsein für die Natur und die Wertschätzung von Lebensmitteln in der Gesellschaft stärken.
Die Idee zum Bildungsprogramm kam dem studierten Landwirt Christoph Schmitz während seiner Dissertation am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Nachdem er in einem Pilotprojekt Kinder mit großem Erfolg ackern ließ, gründete er im Jahre 2014 mit einem kleinen Team die Ackerdemia. Seitdem wird das vom Unternehmen angebotene Bildungsprogramm von immer mehr Schulen und Kitas umgesetzt. Bisher haben bereits mehr als 40 000 Schüler an mehr als 360 Schulen geackert.
Eine von acht teilnehmenden Schulen in Bremen ist die Grundschule Helene-Kaisen in der Kantstraße, die dabei auch von der AOK Bremen/Bremerhaven unterstützt wird. „Wir sind mit der Ackerschule im März gestartet“, sagt Silke Wulfestieg, Lehrerin an der Helene-Kaisen-Schule, „doch dann kam Corona dazwischen. So haben wir die notwendigen Arbeiten zunächst mit Kindern aus der Notbetreuung begonnen.“ Die Ackerschule gliedert sich bei einer Laufzeit von einem Jahr in drei Phasen: In einer Vorackerzeit von Januar bis April erhalten die Schüler anhand von Infomaterialien einen ersten Einblick in das Thema Gemüseanbau, biologische Vielfalt und Bodenfruchtbarkeit, während sich die Gemüseackerdemie in dieser Zeit um die Bestellung von Saat- und Pflanzgut kümmert.
Herzstück des Programms ist die Ackerzeit von April bis Oktober, in der die Kinder pflanzen, pflegen, ernten und ihr Gemüse auch vermarkten können. Das Lehrpersonal wird in dieser Phase durch Bildungsmaterialien, Fortbildung, wöchentliche Newsletter und persönliche Betreuung unterstützt.
Ab November wird dann ein Blick über den Tellerrand geworfen: Nach der letzten Eernte und dem Erntedankfest geht es um Themen wie Lebensmittelverschwendung und Sortenvielfalt beim Gemüse.
Zwei Arbeitsgruppen mit 15 Kindern der Helene-Kaisen-Schule treffen sich einmal wöchentlich im Garten, der an die Schule angrenzt. „Die Kinder haben die Flächen gejätet, gehackt, umgegraben und Schilder hergestellt. Anfang Mai konnte das erste Gemüse gepflanzt werden, wie zum Beispiel Kohlrabi, Salat, Palmkohl und Kartoffeln. Und nach den Sommerferien war es dann soweit: Die große Ernte konnte beginnen“, sagt Lehrerin Silke Wulfestieg.
Das Bildungsprogramm setzt beim Gemüseanbau ausdrücklich auf Vielfalt: Auch Lauch, Zwiebeln oder Rote Bete wachsen auf dem Feld. So lernen die Kinder ein breites Spektrum an Anbaumethoden und die Eigenheiten vieler Pflanzenarten kennen.
In ihrem Wirkungsbericht verweist die Gemüseackerdemie auf die Erfolge ihres Bildungsprogramms: 92 Prozent der Teilnehmer hätten in diesem Zuge ihr Interesse am Gemüseanbau vertieft, 87 Prozent mehr Wertschätzung für Gemüse entwickelt, und eine Mehrheit der Kinder esse danach Gemüse, das ihnen vorher nicht geschmeckt habe und würde auch gern zu Hause im eigenen Garten Gemüse anbauen.
„Das Projekt wird auf jeden Fall im nächsten Jahr weitergeführt“, sagt Silke Wulfestieg, „denn es ist genau das, was Kinder brauchen: Arbeiten in der Natur, mit den eigenen Händen, und die Erfolge werden in Form der reichhaltigen Ernte sichtbar.“
Weitere Informationen
Schulen und Kindertagesstätten, die Interesse an einer Teilnahme haben, finden online unter www.gemueseackerdemie.de ausführliche Informationen und Kontaktmöglichkeiten.