Harren & Partner feiert sein 30-jähriges Bestehen. Würden Sie in der heutigen Zeit der andauernden Schifffahrtskrise in vielen Segmenten noch mal ein Unternehmen gründen?
Peter Harren: Nein, das sicherlich nicht. Aber mit dem Wissen, das ich heute habe und mit den Verbindungen weltweit, die man über die Jahre aufgebaut hat, wäre vieles sicherlich einfacher als vor 30 Jahren.
Sie sind als Sohn später in das Unternehmen eingestiegen. Könnten Sie sich vorstellen, ein Schifffahrtsunternehmen zu gründen, wenn es Harren & Partner nicht gäbe?Martin Harren: Allgemein würde ich sagen, gerade in der Krise, in der wir seit ein paar Jahren stecken, liegen auch wahnsinnig gute Chancen. Unternehmen, die diese Chancen erkennen und wahrnehmen, können erfolgreich wachsen – auch in diesen schweren Zeiten. Also könnte man durchaus ein neues Unternehmen gründen.
Harren & Partner ist erfolgreich gewachsen. Was machen Sie besser oder anders als andere Unternehmen?Peter Harren: Man muss frühzeitig erkennen, dass man als Unternehmen alleine nicht alles erreichen kann. Wichtig sind weltweit Partnerschaften und strategische Joint Ventures – manchmal auch mit der Konkurrenz, um dadurch noch erfolgreicher am Markt agieren zu können. Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen. Das haben wir gemacht, etwa um Einkaufsgemeinschaften zu bilden, wodurch wir bessere Einkaufspreise erzielen. Das ist sicherlich ein kleines Erfolgsrezept.
Das könnten andere ja auch machen.Martin Harren: Klar. Aber was andere Unternehmen machen, können und wollen wir gar nicht beurteilen. Wir gucken auf uns selbst. Und in der Krise haben wir genügend Ansatzpunkte erkannt, um uns weiter zu verbessern.
Es gibt also genügend Stellschrauben?Martin Harren: In der Krise sind auf der einen Seite die Einnahmen krisenhaft niedrig, aber auf der anderen Seite auch die Schiffspreise. Ein Rezept ist dann, dass man sich auf die Chancen konzentriert. Und in den letzten drei bis vier Jahren sind wir so stark gewachsen wie noch nie zuvor. Die Krise belastet insgesamt, aber wir haben es hinbekommen, daraus für uns positive Effekte zu erzielen.
Sie handeln antizyklisch?Martin Harren: Das stimmt. Wir sind in den letzten Jahren sicherlich in dieser Marktphase stark gewachsen und wir wollen gar nicht ausschließen, wenn es mal wieder boomende Märkte gibt, dass wir dann desinvestieren.
Harren & Partner ist breit aufgestellt. Ist von Anfang an die Philosophie gewesen, in mehreren Segmenten tätig zu sein?Peter Harren: Durch Erfahrungen lernt man, wie man es nicht machen sollte. Als ich als junger Schifffahrtskaufmann als Agent arbeitete, da habe ich erlebt, wie manche Reedereien in Niedersachsen und Bremen sich nur auf eine Sache konzentriert und schnell an Größe zugelegt haben. Ein Jahr später konnten sie nicht mal mehr Benzin für ihr Auto kaufen. Wenn ich mich selbstständig mache, darf mir das nicht passieren, das war mir damals klar geworden. Deshalb ist Harren & Partner langsam gewachsen, aber dann in allen Segmenten.
Das wird auch so weiter gelebt?Martin Harren: Ich würde sagen, Diversifikation ist sehr wichtig, aber nicht automatisch ein Patentrezept. Unterm Strich ist es wichtig, dass unsere Schiffe mit tollen Seeleuten vernünftig betrieben werden und wir insgesamt effiziente Abläufe haben. Es kommt aber vor allem darauf an, dass die gesamte Mannschaft – an Bord und an Land – eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen hat. Und jeder einzelne immer sein Bestes gibt. Das „Wir“ ist wichtiger als das „Ich“.
Sie haben natürlich in erster Linie Harren & Partner im Blick. Gucken Sie beide dennoch auf den deutschen Schifffahrtsstandort insgesamt im Hinblick auf die schrumpfende deutsche Handelsflotte?Martin Harren: Es ist sicherlich bedauerlich, dass die Zahlen rückläufig sind. Und es geht dabei auch immer um Existenzen und Arbeitsplätze, das sollten wir nicht vergessen. Man muss aber auch mal ehrlich sein und feststellen, dass das vorherige Wachstum der Handelsflotte zu einem großen Teil der besonderen Finanzierungssituation, dem sogenannten deutschen KG-Modell, geschuldet war. Dieses System ist quasi verschwunden und von anderen Finanzierungssystemen abgelöst worden, die viel internationaler ausgerichtet sind. Und insofern gibt es auf eine gewisse Art eine gesunde Schrumpfung auf ein normales Maß.
Peter Harren: Das extreme Wachstum der Flotte war sehr ungesund. Die Finanzierungsmöglichkeiten haben vielen Beteiligten den Blick für die Realität genommen. Es ging bei einigen Reedern nur noch darum, Schiffe zu bestellen. Ob die langfristig ausgelastet sind, wurde ausgeblendet. Das war eine ungesunde Entwicklung, da muss man sich nicht wundern, dass sich das seit ein paar Jahren in die andere Richtung entwickelt. Ich glaube nicht, dass wir schon am Ende sind.
Wie finanziert Harren & Partner in der heutigen Zeit seine Schiffe? Oder braucht das Unternehmen keine Finanzierungspartner?Martin Harren: Das wäre ideal, wenn das Ersparte ausreichen würde, das eigene Wachstum finanzieren zu können. Obwohl wir erfolgreich und ehrgeizig sind, muss man sagen, dass es dazu nicht reicht. Also, ein bisschen finanzieren müssen wir schon. Im Grunde genommen ist die deutsche Handelsflotte da angekommen, wo alle anderen Länder schon immer waren, nämlich im internationalen Finanzierungsmarkt. Der befindet sich für uns teilweise in Norwegen und anderen Ländern Europas, teilweise in den USA. Das kann aber auch Deutschland sein, auch wenn sich die großen Banken bekanntlich aus diesem Geschäft zurückgezogen haben. Die letzten Schiffe haben wir mit einer Bank in Ostfriesland finanziert. Und wir hatten sogar vor Kurzem eine lokale Bank im Haus, die sich darum beworben hat, mit uns Finanzierungen machen zu können. Renditen gibt es in diesem Geschäft eben immer noch.
Harren & Partner ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Konnten Sie dafür auch immer das notwendige Personal aufbauen?Martin Harren: Wir sind ja nicht schlagartig gewachsen. Wir haben immer schon relativ viel ausgebildet. Es sind bei uns auch duale Studiengänge möglich. Wir mussten dadurch in den vergangenen Jahren keine Mitarbeiter von anderen Unternehmen abwerben. Und bei den Übernahmen anderer Unternehmen sind ja nicht nur Schiffe dabei, sondern auch Personal.
Wie ist das denn eigentlich, wenn zwei Generationen, also Vater und Sohn, ein Unternehmen leiten? Ergänzt man sich oder kommt man sich in die Quere?Martin Harren: Als ich 18, 19 Jahre alt war, da wäre das sicherlich faktisch gar nicht möglich gewesen. Mein Vater und ich waren in unserer Einstellung sehr weit auseinander. Meine langen Haare waren dafür nur ein Beispiel von vielen. Erst ungefähr 15 Jahre später konnte das funktionieren. Ich bin in dieser Zeit erwachsen geworden, habe in einem anderen Bereich gearbeitet und eine eigene Familie gegründet. Aber auch mein Vater hat sich weiterentwickelt. Daraus resultierte eine vernünftige Perspektive auf den jeweils anderen. Seitdem arbeiten wir sehr erfolgreich zusammen, wir haben immer darauf geachtet, dass wir unterschiedliche Aktivitäten hatten. Wir haben in vielen Bereichen auch komplementäre Eigenschaften. Mein Vater hat mehr Erfahrung, ich bringe dafür stärker ein, auch mal ganz neue Wege zu gehen. Das beides hat sich unterm Strich sehr gut ergänzt.
Peter Harren: Das Wichtige ist, dass man jungen Leuten Raum gibt, etwas zu machen. Und wenn mal was daneben geht, nicht gleich den Kopf abzureißen. Das betrifft alle Mitarbeiter. Nur wenn man Vertrauen hat, kann man erfolgreich wachsen.
Im Jahr 2003 stieg Ihr Sohn ins Unternehmen ein. Dabei hatte er ja auch einen Beruf, der gar nicht so schlecht ist…Peter Harren: Martin hatte als Chirurg an der Charité in Berlin eine tolle Stelle mit den besten Leuten. Aber dann haben wir uns gemeinsam überlegt, dass es für beide Seiten sinnvoll ist, dass er auch ins Unternehmen einsteigt. Hier musste er alles von der Pike auf lernen, das hat er aber sehr gut hinbekommen. Es war für alle die goldrichtige Entscheidung.
Sie wollten unbedingt Arzt werden, hatten Sie mal in einem früheren Gespräch geäußert.Martin Harren: Das war auch so. Ich habe nach dem Studium einige Jahre in der Charité in der Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie gearbeitet. Der Arztberuf – insbesondere der des Chirurgen – hat sicherlich viele Vorteile, aber das gilt auch fürs Unternehmertum.
Profitieren Sie als Unternehmer davon, als Arzt gearbeitet zu haben?Martin Harren: Ich glaube, dass ich Arzt gewesen bin, hat den großen Vorteil, dass ich auch in angespannten Situationen immer noch ruhig bleiben kann. Dann fällt es leichter, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
In 20 Jahren ist Harren & Partner 50 Jahre alt. Wo soll das Unternehmen dann stehen?Martin Harren: Es gibt nicht das Ziel, dann eine bestimmte Anzahl an Schiffen haben zu müssen. Ich würde mich freuen, wenn wir unsere gute Position in den Märkten, in denen wir aktiv sind, noch weiter ausbauen könnten – besonders im Schwergut- und Tankerbereich. Dabei geht es nicht unbedingt nur um traditionelle Marktanteile. Wir wollen durch technische Innovationen in bestimmten Nischenmärkten, etwa im maritimen Engineering, Dominanz ausüben. Und es wäre schön, wenn das Betriebsklima mindestens so positiv ist wie heute.
Peter Harren: Dem kann ich nur zustimmen. Und eines kann ich heute schon mit Sicherheit sagen: Wir sind zwar weltweit aktiv und viel unterwegs, aber der Hauptsitz von Harren & Partner wird dann immer noch Bremen sein.
Das Gespräch führte Peter Hanuschke.Martin Harren
Martin Harren ist seit 2003 bei Harren & Partner. Davor hat Harren, Jahrgang 1970, Medizin an der Freien Universität Berlin studiert und anschließend an der Charité vier Jahre als Chirurg gearbeitet
Peter Harren
gründete 1989 die Bremer Reederei Harren & Partner. Zuvor war der heute 75-Jährige zwölf Jahre zur See gefahren – unter anderem als Kapitän. Außerdem studierte er Wirtschaftswissenschaften.
Weitere Informationen
Die Bremer Reedereigruppe Harren & Partner wurde 1989 von Kapitän Peter Harren gegründet und beschäftigt etwa 330 Mitarbeiter an Land sowie etwa 2300 Besatzungsmitglieder an Bord der Schiffe. Harren & Partner liefert alle Dienstleistungen rund um den Lebenszyklus eines Schiffes – von der konzeptionellen Planung von Neubauten, über die technische und nautische Betreuung und Verwaltung der Flotte, bis hin zum Kauf und Verkauf von Schiffen. Kernaktivität ist das Ship-Management eigener und externer Tonnage: Die Reedereigruppe betreibt derzeit eine Flotte von 70 Schiffen, bestehend aus Schwergutschiffen, Tankern, Container-Feedern, Bulkern, Dockschiffen und Offshore-Errichterschiffen. 2017 übernahm Harren & Partner die Hamburger Schwergutreederei SAL Heavy Lift. Eines der derzeit spektakulärsten Projekte ist das Gazprom Amur GPP Project. Dafür transportiert das Tochterunternehmen Combi Lift 176 000 Frachttonnen Ladung aus Europa und Asien über den See- und Flussweg nach Ostrussland.