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Antrag der Kirchengemeinde Gefallenendenkmal in Habenhausen soll umgewidmet werden

„Wir wünschen uns ein Friedensdenkmal“, stellt Pastor Jens Lohse seine Vision für das Bauwerk an der Habenhauser Dorfstraße vor. Rund 14.200 Euro soll es kosten. Am 1. November berät der Beirat über das Thema.
22.10.2021, 18:00 Uhr
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Von Gerald Weßel

Alles, was Habenhausen heute noch von ihnen hat, sind ihre Namen. Zwischen 1914 und 1918 waren die meisten von ihnen kaum 30 Jahre alt, manche nicht mal 20. Und doch fielen all diese Habenhauser im Ersten Weltkrieg. 1921 wurde von der Gemeinde ein Denkmal für sie errichtet. „Unseren Gefallenen zu Ehren“ ist darauf zu lesen. Die Simon-Petrus Kirchengemeinde möchte das Gefallenenehrenmal nun zu einem Friedensdenkmal umwidmen.

An dem Ort sollen laut Pastor Jens Lohse die „unglaublichen Leiden“, die die jungen Männer und ihre Familien und mit ihnen das einstige Dorf Habenhausen durchlitten haben, wachgehalten werden. „Denn je mehr Leute sterben, die sich noch erinnern können, desto weniger sind wir, die wahrlich wissen, wie grauenhaft und furchtbar Krieg ist“, begründet der Pastor.

„Wir wünschen uns ein Friedensdenkmal“, stellt er seine Vision vor. „Es soll zu einem Ort der gemeinsamen Verbundenheit aller Menschen für den Frieden werden.“ Das Bauwerk an der Habenhauser Dorfstraße soll ergänzt werden durch eine Bronzefigur. Hierfür hat die Gemeinde einen Globalmittelantrag über 5196 Euro beim Beirat Obervieland gestellt. Der Ausschuss für Bildung, Jugend, Kultur und Sport wird diesen am Abend des 1. Novembers öffentlich beraten. Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich 14.196 Euro, davon sollen 6000  Euro durch Spenden und 3000 Euro durch Eigenmittel zusammenkommen.

Bürger sollen spenden

Laut Lohse sind bereits 4080 Euro der benötigten 6000 Euro an Spendengeldern zusammengekommen. Für den Rest suche man derzeit noch Bürger, die helfen möchten. Die senatorische Behörde für Kultur sowie die Umweltbetriebe Bremen haben der geplanten Erweiterung des städtischen Denkmales bereits grundsätzlich zugestimmt.

Errichtet werden soll eine bronzene Jungenfigur, die mit Schmetterlingen spielt. Dies ist eine Anspielung an das Ende des Filmes „Im Westen nichts Neues“ nach dem Roman von Erich Maria Remarque. Hier stirbt ein Soldat am Ende mit einem Schmetterling auf der Hand. Die Figur soll zeigen, was anstatt des Sterbens hätte sein können: fröhlich herumtollende Kinder und Jugendliche, die weder selbst umkommen, noch den Tod ihrer Väter, Brüder oder Freunde zu betrauern haben.

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Das Thema sei aktuell: Medien und Politik würden eine Kriegsrhetorik betreiben, die ihn verstöre. „Es wird wieder verbal aufeinander eingedroschen, um Leute für reale Kriegseinsätze hochzupeitschen“, klagt er an. „Kriege gehören ins Museum“, zitiert er den Titel einer Buchreihe von Nora Rath-Hodann. „Wir müssen uns erinnern, müssen miteinander reden, uns bewusst machen, was nicht mehr passieren darf.“ Deswegen möchte man hier auch in Zukunft öfter als nur am Volkstrauertag zusammenkommen, legt er Überlegungen seiner Gemeinde offen. Vielleicht sogar einmal im Monat.

Bis in die 1970er-Jahre pflegten noch viele den Ort regelmäßig zu besuchen, berichtet der Pastor. Die Vergangenheit und auch die Bindung zu den Verstorbenen war noch lebendig. Doch spätestens seit den 2000ern habe das stark abgenommen, so Lohse. „Das Denkmal geriet in Vergessenheit.“

2006 wurde die Tradition vor Ort neu belebt

2006 hat er dann zusammen mit den örtlichen Sportvereinen und der Freiwilligen Feuerwehr begonnen, die Tradition vor Ort neu zu beleben. „Ansonsten hätte man es wohl verfallen lassen, aber das darf nicht sein. Das ist ein winziger Wipfel Weltgeschichte.“ In den vergangenen Jahren begannen dann die Überlegungen für die Umwidmung.

Arie Hartog, seit 1996 Kustos am Gerhard-Marcks-Haus, hat auf Nachfrage des STADTTEIL-KURIER eine klare Meinung zu den Plänen: „Sehr sinnvoll, dass sich die Gemeinde damit auseinandersetzt. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn solch ein Denkmal einfach nur dasteht.“ Und es sei gar kein Problem, solange nicht in das bestehende Denkmal eingegriffen wird. Dies wäre mitunter auch rechtlich schwierig.

In der Vergangenheit hat sich Hartog bereits oft mit Fragen rund um das Vergessen und die Umwidmung von Denkmälern aus dem frühen 20. Jahrhundert in Bremen beschäftigt. Denkmäler würden laut ihm aus einem bestimmten Impuls in der jeweiligen Zeit errichtet. In der Folge müsse die sich wandelnde Gesellschaft damit umgehen.

Bronzefigur soll als Kommentar daneben stehen

„Die Deutsche Geschichte kann nicht reingewaschen werden, das lehne ich ab“, so Hartog. Damals seien die Soldaten als Helden angesehen worden, aus heutiger Sicht sei ihr Tod sinnlos gewesen. Es sei in Ordnung, einen modernen Kommentar daneben zu stellen. Inschrift und die einstige Heldenverehrung blieben ja als Anker in die damalige Gesellschaft erhalten.

Auch Jens Lohse gehe es ausdrücklich nicht um Heldenverehrung, indem das bestehende Denkmal wieder stärker in den Fokus gerückt wird. „Diese jungen Männer sind keine Helden, es sind Opfer“, sagt er. Heute sollte man ihnen und damit dem Leben gedenken, das ihnen verwehrt geblieben ist. Krieg nehme Leben, der Frieden bewahre es und hierfür solle der Ort in Zukunft stehen: Diese Gedenkorte dürften nicht vergessen werden, sie müssten im Bewusstsein aller für „Nie wieder Krieg“ stehen.

Zur Sache

„Unseren Gefallenen zu Ehren“

Das Gefallenenehrenmal wurde von der Gemeinde Habenhausen aufgestellt, um die im Ersten Weltkrieg Gefallenen aus dem einstigen Dorf zu ehren. Das von der Straße zurückgesetzte Bauwerk besteht aus einer leicht gebogen Klinkermauer, in die fünf Steintafeln (für jedes Kriegsjahr eine) eingelassen sind. Die Inschrift lautet: „Unseren Gefallenen zu Ehren“. Vermerkt sind auf den Tafeln neben dem Familien- und dem Vornamen auch das Geburts- und das Todesdatum sowie der Ort, an dem der Soldat verstorben ist. In den meisten Fällen war dies das Kriegsgebiet, entweder an der Ost- oder an der Westfront. Nur wenige der Gelisteten kamen verletzt zurück nach Deutschland. Eine Person gilt als vermisst. Wer das Denkmal entworfen oder gestaltet hat, ist nicht überliefert.

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