Steigende Baukosten und Bauzinsen machen den Neubau von Wohnungen teuer. Einige Immobilienunternehmen haben deswegen ihre Neubauprojekte auf Eis gelegt. Auf dem Neuen Ellener Hof zeigen private Baugemeinschaften, dass dauerhaft günstiger Wohnraum für zukünftige Generationen doch möglich ist und Wohnungsbau nicht ein auf maximal Profit ausgerichtetes Geschäft sein muss – obwohl auch sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Viele Nerven hätten die vergangenen Monate gekostet, sagt Gudrun Steenken. Sie ist Mitglied der Baugemeinschaft Scholle 47, die auf dem Ellener Hof ihren Traum vom Wohnen mit 16 Wohnungen in die Realität umsetzen möchte. Ein immer teurer werdender Traum. Auf annähernd 900.000 Euro beziffert Steenken allein die Mehrkosten des Millionenprojekts. Und das hat Folgen für die Finanzierung: „Wir haben noch einmal Eigenkapital gesammelt und bieten Direktkredite an.“ Trotz der gestiegenen Kosten seien alle Mitglieder weiter an Bord geblieben.
Überall steigende Kosten
Dabei waren es bereits die hohen Kosten, die die Gemeinschaft überhaupt erst nach Osterholz brachte. Ursprünglich hatte diese ein Haus im Hulsberg-Quartier im Blick – verzichtete dann aber dann wegen der zu hohen Preise darauf.
Auch beim benachbarten Gutshaus auf dem Ellener Hof, ebenfalls eine Baugemeinschaft, sind solche Direktkredite möglich. Mit diesen können Unterstützer den Baugemeinschaften gegen einen bestimmten Zinssatz mit Krediten unter die Arme greifen.

Das Wohnprojekt Gutshaus ist schon weiter, hat aber ebenso mit steigenden Kosten zu kämpfen.
Der eigentliche Clou der Baugemeinschaften wird sich aber ohnehin erst mittel- bis langfristig zeigen. Denn die Baugemeinschaften auf dem Ellener Hof sind mit dem Versprechen angetreten, die Häuser dauerhaft dem Immobilienmarkt zu entziehen, das heißt, sie sollen nicht zum Spielball von renditehungrigen Investoren werden.
Dafür ist zum Beispiel bei der Scholle 47 ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden. "Darin haben wir unter anderem vereinbart, dass kein Gewinn erzielt werden soll", erklärt Steenken. Die Mitglieder der Gemeinschaft sind auch nicht Eigentümer einer Wohnung, sondern Anteilseigner der gegründeten GmbH. Wer aussteigt, bekommt nur das wieder heraus, was er auch hineingesteckt hat – auch wenn das Gebäude an Wert gewinnen sollte. Ein Wohnhaus, mit dem keine Gewinne erwirtschaftet werden müssen, kann günstigere Wohnungen anbieten, so der Grundgedanke dahinter. Sozial- statt Wohnungsrendite, wenn man so möchte.
Über Nutzungsentgelte werden die aufgenommenen Kredite abgetragen. Was das bedeutet, erklärt Steenken: "Je mehr abbezahlt wird, desto günstiger wird die Nutzung." Künftige Bewohner werden also voraussichtlich preiswerter wohnen können als die ersten Bewohnerinnen und Bewohner. Kosten, die dann noch gedeckt werden müssen, sind zum Beispiel die üblichen Nebenkosten für Energie, Entsorgung und Instandhaltung sowie der Erbpachtzins für das Grundstück.
Ein paar Schritte weiter befindet sich das Wohnprojekt Casa Colorida. Die Auswirkungen am Markt spüren auch dessen Mitglieder. "Inzwischen sind alle Gewerke preislich in die Höhe gegangen", sagt Astrid Thomsen: Stahl, Kabel, Elektronik – Preissteigerungen von bis zu 100 Prozent. Auch die Casa Colorida musste nachfinanzieren und sucht nach Menschen, die das soziale und ökologische Wohnprojekt unterstützen wollen.
Die steigenden Kosten haben Konsequenzen: "Es steigen Leute aus." Gerade junge Familien, die sich der Genossenschaft in der Hoffnung auf bezahlbaren Wohnraum angeschlossen hätten, seien betroffen. Thomsen betont, dass die Genossenschaft, die das Projekt vorantreibt, vor allem Mitglieder hat, die zu den mittleren Einkommen gehören. "Und auch wenn die Nebenkosten gering sind, wird es für einige eng", sagt Thomsen. Derzeit geht sie von einer Miete von annähernd zwölf Euro für den Quadratmeter aus.

Bei der Casa Colorida beginnt der Aufbau der zweiten Etage – mit Nachfinanzierung.
Wohnen für den ganz kleinen Geldbeutel bedeuten die Wohnungen in den Baugemeinschaften also zumindest am Anfang erst einmal nicht. In der Scholle 47 finanzieren die 18 Gesellschafter aber auch drei sozial geförderte Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von 6,80 Euro. "Die müssen wir querfinanzieren", erklärt Steenken. Dieser Mietpreis sei bei den Baukosten trotz Wohnraumförderung sonst nicht möglich. Eine Aussage, die auch die Wohnungswirtschaft zuletzt immer deutlicher betont hat. Steenken kann es nachvollziehen. "Es ist die Realität, dass eine Miete von 6,80 Euro im Neubau nicht möglich ist bei den aktuellen Baupreisen."
Forderung nach Rettungsschirm
Von der Stadt erhofft sie sich mehr Unterstützung. "In Hamburg gibt es eine größere Abteilung, die die Baugemeinschaften unterstützt und die Baubegleitung macht, etwas, was wir uns von der Stadt Bremen auch erhoffen." Daneben sollten Verwaltungsvorgänge verschlankt werden. "Allein die Hausnummer kostet Geld oder auch das Eintragen von Fahrradstellplätzen, und alles muss formal entschieden werden", nennt Steenken als Beispiele.
"Letztlich profitiert die Stadt davon, dass engagierte Menschen da sind, aber die Unterstützung könnte besser sein." Die Gemeinschaft fordert außerdem von der Stadt eine zusätzliche Förderung als Rettungsschirm für gemeinschaftliche Wohnprojekte, die durch die unvorhersehbaren Ereignisse vor Finanzierungsproblemen entstehen. Ähnlich sieht es Thomsen: "Die Stadt müsste eingreifen, die Situation trifft gerade junge Genossenschaften besonders hart."
Trotz aller Sorgen und der Arbeit: Steenken blickt optimistisch in die Zukunft. "Wir freuen uns jeden Tag, wenn gearbeitet wird, freuen uns, dass es Realität wird. Bei jedem Fortschritt weiß man, warum man das macht." In diesem Jahr soll der Rohbau stehen, im kommenden Jahr der Einzug erfolgen.