Steigende Materialkosten, höhere Bauzinsen: Der Wohnungsbau ist in den vergangenen Monaten in Deutschland ins Stocken geraten. Der Immobilienkonzern Vonovia hatte zuletzt angekündigt, in diesem Jahr keine Neubauten mehr zu beginnen. Das betrifft auch Hemelingen. Andere Unternehmen wollen ihre Projekte im Bremer Osten zu Ende bringen, befürchten aber, dass sich der Wohnungsmangel noch verstärken wird.
Lange haben Stadt, Beirat, Bewohner und die Nachbarschaft über die Zukunft der sogenannten Schlichthäuser am Sacksdamm und der Alten Landwehr debattiert, diskutiert und gerungen. Seit Jahrzehnten wohnten dort Menschen zu günstigen Mieten, die allerdings eine Kehrseite hatte: Der Standard war nicht mehr zeitgemäß, der Leerstand nahm zu. Viele Bewohner wollten dennoch dort wohnen bleiben.
Am Ende kam der Abriss und ein Versprechen auf neuen Wohnraum, den der Eigentümer Vonovia dort schaffen möchte. Eigentlich schon ab dem vierten Quartal 2022, doch seitdem wächst Gras auf dem Gelände. Begraben hat der Konzern das Vorhaben nicht, es ist aber zumindest zeitweise den globalen Verwerfungen zum Opfer gefallen.
Baubeginn nicht absehbar
"Wir hätten gerne unser Neubauprojekt am Sacksdamm gestartet", sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Der Start verzögere sich aufgrund der "aktuellen Umstände". "Wir beobachten die Situation und arbeiten im Hintergrund weiter, damit wir startbereit sind, wenn die Rahmenbedingungen wieder passen." Davon betroffen sei nicht nur der Sacksdamm, sondern bundesweit alle Neubauprojekte der Vonovia, bestätigt die Sprecherin. Interne Planungen gingen aber weiter.
Konkret bedeutet das für Sebaldsbrück, dass die 88 geplanten Wohnungen an der Stelle später als geplant entstehen. Unter welchen Bedingungen die Rahmenbedingungen wieder passen, das ließ die Sprecherin offen.
Etwas genauer wird Vorstandschef Daniel Riedl in einem Interview der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). "Ein Eingriff des Staates wird nötig sein, um auch weiterhin Neubau wirtschaftlich realisieren zu können." Er kritisiert außerdem den Wegfall von Fördermöglichkeiten beim energetischen Sanieren und spricht von Sanierungskosten von 5000 Euro pro Quadratmeter. Statt bisher zwölf Euro müssten eher 20 Euro Miete genommen werden. Solche Mieten seien außerhalb von Zentren allerdings völlig unrealistisch.
In eine ähnliche Richtung argumentiert der Bauunternehmer Amer Sandawi, dessen Firma AMM Holding GmbH ihren Sitz in Bremen-Osterholz hat. "Ich glaube, der Staat muss eingreifen, zum Beispiel durch eine Förderung durch die KfW, die im vergangenen Jahr ausgelaufen ist." Bei Preisen von 400.000 bis 500.000 Euro für ein Eigenheim könnten Normalverdiener diese kaum noch finanzieren. "Da muss es entweder einen Zuschuss für die Bauträger oder die Eigenheimbesitzer geben", fordert Sandawi.
Sandawi selbst lässt bisher weiterbauen. An der Osterholzer Heerstraße haben die Erdarbeiten für einen Kitaneubau mit dem Energiestandard KfW-40 begonnen, im April soll der Hochbau beginnen. Folgen sollen außerdem Mehrparteienhäuser mit 60 bis 70 Wohnungen. Von Stillstand also noch nichts zu spüren bei Sandawi. "Wir merken natürlich die Kosten, aber ziehen unsere Projekte jetzt durch", sagt er. Auf der anderen Seite gebe es Objekte, wo man sich sage, dass man die "ganz in Ruhe" angehe. Noch etwas hat Sandawi bemerkt: "Es ist schwieriger geworden, Objekte zu verkaufen."
Keine Aussicht auf sinkende Preise
Bei geringerer Nachfrage und weniger Aufträgen sollten die Preise irgendwann sinken – ein Irrglaube, wie Sandawi meint. "Vielleicht sinken die Baukosten etwas, aber bei der hohen Inflation können Handwerksbetriebe nicht sparen, die Personalkosten werden nicht sinken." Die Preise für Neubauten würden nicht mehr auf 200.000 Euro zurückgehen. Er befürchtet, dass sich der Mangel an Wohnraum noch verstärken wird, wenn die Bautätigkeit aufgrund der gestiegenen Kosten und Bauzinsen weiter abnimmt.
Der Kostendruck erhöht aber auch die Innovationskraft. So setzt die Vonovia verstärkt auf das serielle Bauen. Das bedeutet, dass große Teile eines Gebäudetyps vorgefertigt werden und auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt werden. Für den Sacksdamm ist das allerdings kein Modell. Zu weit fortgeschritten seien die Planungen, so die Sprecherin. "Wir prüfen jedoch jede Option, damit die bestehende Planung möglichst kostengünstig umgesetzt werden kann."
Auch das kommunale Immobilienunternehmen Gewoba hält an seinen Neubauprojekten im Bremer Südosten fest. So gingen die Arbeiten an dem geplanten Neubaugebiet Nordquartier an der Neuwieder Straße weiter, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit. An der Neuwieder Straße sollen neben einem Supermarkt auch Wohnungen entstehen. Mit der Planreife des Bebauungsplans sei in den kommenden Wochen zu rechnen, dann werde der Bauantrag eingereicht. Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten liefen planmäßig weiter. Die Gewoba hat in ihrem Bestand 42.379 Mietwohnungen, viele davon in der Vahr und in Osterholz, mit einer durchschnittlichen Kaltmiete von 6,66 Euro pro Quadratmeter.