Es ist noch gar nicht richtig in Betrieb und doch ist die Nachfrage schon groß: Das Hebammenzentrum auf dem Gelände des Ellener Hofes in Osterholz scheint künftig eine umfassende Versorgungslücke im Stadtteil zu decken.
"Es ist nicht selbstverständlich, dass wir ein Hebammenzentrum bekommen", hob Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter die Bedeutung des Projekts in der jüngsten Beiratssitzung hervor. Auch andere Stadtteile hätten sich bemüht.
Infrastruktur vorhanden
"Wir haben eine gute Infrastruktur und die passenden Räume auf dem Ellener Hof", sagte er über die wohl ausschlaggebenden Gründe dafür, dass das erste Bremer Hebammenzentrum nach Osterholz kommt. In dem Gebäude in der Pawel-Adamowicz-Straße 2 finden sich außerdem eine Frauenarztpraxis und ein Kinderarzt.
So wichtig Hebammen für die Geburtsvorbereitung, -begleitung und -nachsorge sind: Seit Jahren fehlt es an Hebammen in Bremen, aber auch bundesweit. Besonders betroffen sind davon sozial benachteiligte Quartiere. Noch im März dieses Jahres warnte der Bremer Hebammenverband vor einem sich weiter verschärfenden Engpass.
In Deutschland arbeiten aktuell nach Angaben der Gewerkschaft Verdi zwischen 22.000 und 24.000 Frauen und Männer als Hebammen. Nach Schätzungen des Hebammenverbands sind in Bremen etwa 20 Stellen in der Geburtshilfe unbesetzt. Zuletzt wurde die Hebammenausbildung in ein Hochschulstudium überführt, um den Beruf attraktiver zu machen.
Ein ganz anderes Problem haben die sogenannten freien Hebammen. Also Hebammen, die nicht an Kliniken angestellt sind. Diese haben unter sehr hohen Versicherungsbeiträgen zu leiden, die sie als Geburtshelferinnen zu zahlen haben – zu viel für viele Hebammen. Tatsächlich belaufen sich die Beiträge zur obligatorischen Haftpflichtversicherung auf rund 10.000 Euro pro Jahr.
Viele Familien ohne Hebammen
Wie dramatisch die Lage im Bremer Osten ist, machte Jörg Angerstein von der Hans-Wendt-Stiftung deutlich. Die Stiftung betreibt und organisiert das Hebammenzentrum. "Im Jahr 2020/21 waren 175 Neugeborene ohne Hebammenleistung in Hemelingen und Osterholz." Das seien sehr hohe Zahlen.
Die Stiftung hatte daraufhin 2021 vom Gesundheitsressort den Auftrag bekommen, ein Hebammenzentrum einzurichten. Seit April dieses Jahres gibt es einen Mietvertrag, seitdem laufen die Umbauarbeiten. "Die sind inzwischen beendet, sodass wir sagen können, dass wir fertig sind", so Angerstein. Auch er beklagt die hohen Versicherungsleistungen, die Hebammen zu leisten hätten. Diese seien "exorbitant".
Das neue Hebammenzentrum übernimmt künftig für freie Hebammen die Organisation und Administration – direkte Geburtshilfe wird in dem Zentrum nicht geleistet. "Schwangere und Familien werden von den Hebammen betreut, aber sie machen keine Geburtshilfe." Das Angebot umfasst unter anderem Schwangerschaftsvorsorge, Beratung bei Beschwerden rund um die Schwangerschaft, Akupunktursprechstunde und Wochenbettbegleitung sowie Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse.
Entlastung für Hebammen
Von der Organisationsform des Hebammenzentrums verspricht sich Angerstein Entlastung für die Hebammen. "Dadurch, dass wir die gesamte Administration übernehmen, steht die gesamte Arbeitsleistung für Hebammenleistung zur Verfügung." Will heißen: Die freiberuflichen Hebammen müssen sich nicht mit der Buchhaltung abplagen.
Zum Start im September arbeiten vier Hebammen im Hebammenzentrum Ost. Offenbar nicht genug. "Alle Kurse im Herbst sind schon ausgebucht." Das sei schön. "Aber mir graut es ein bisschen davor, was für ein Bedarf offensichtlich besteht", so Angerstein. "Wir fragen uns natürlich, was wir noch machen können, aber unsere Räume sind erst einmal begrenzt." Offenbar habe man auch im Gesundheitsressort gemerkt, dass der Bedarf noch höher ist, als ursprünglich gedacht.
Tatsächlich sind weitere Hebammenzentren in Bremen-Nord und im Bremer Westen geplant. "Wir merken bereits jetzt, dass die Nachfrage am ersten Hebammenzentrum groß ist, was auch auf einen großen Bedarf hindeutet", sagt ein Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Ob ein Gesamtbedarf mit einem oder auch drei Hebammenzentren gedeckt sein wird, lasse sich jetzt aber noch nicht sagen.
„Die Versorgungssituation mit Hebammen im ambulanten Bereich ist leider in vielen Teilen Bremens, wie in ganz Deutschland, nicht ausreichend. Dabei spielen Hebammen vor allem in der Nachsorge eine sehr wichtige Rolle", sagt Bernhard auf Anfrage des Stadtteil-Kuriers. Mit dem ersten Hebammenzentrum wolle Bremer einen neuen Weg gehen. "Wir verankern ein wichtiges Angebot direkt im Quartier, schaffen Angebote mit verschiedenen Kursen rund um die Geburt und bieten gleichzeitig ein attraktives Arbeitsumfeld für Hebammen."