Die Suche nach einer Hebamme kann langwierig sein, diese Erfahrung haben auch in Bremen viele Familien und Schwangere in den vergangenen Jahren gemacht. Bundesweit gibt es zu wenige Hebammen. Kliniken gehen deshalb auch im Ausland auf Personalsuche, freiberufliche Hebammen führen Wartelisten. Wegen Krankheitswellen in Herbst und Winter mussten in den vergangenen Jahren auch in Bremen schon Kreißsäle vorübergehend geschlossen werden. Christina Altmann ist Vorsitzende des Bremer Hebammenlandesverbands. Sie befürchtet, dass sich die Versorgungslage noch weiter verschärfen könnte, wie sie dem WESER-KURIER sagt.
Neuerdings Bachelor-Studium für Hebammenausbildung notwendig
Wer sich zur Hebamme ausbilden lassen will, muss dafür neuerdings in Deutschland ein Bachelor-Studium absolvieren. In Bremen ist der erste Internationale Hebammenstudiengang zum Wintersemester 2020/21 an der Hochschule gestartet, vier Jahre dauert das Studium. "Hebammen, die nach altem Recht ausgebildet wurden, haben die Möglichkeit, sich in einem Nebenstudium nach zu qualifizieren und darüber den Bachelor zu erwerben. Das ist wichtig für die Chancengleichheit, für die Vergütung und für einen möglichen Einstieg in die Lehre", betont die Vorsitzende.
Das Interesse sei groß: Im Land Bremen gebe es 313 Hebammen, 260 von ihnen seien im Verband organisiert – 75 Prozent von diesen hätten bei einer Befragung angegeben, sich nachqualifizieren zu wollen. Die Vorgaben dafür seien allerdings nicht angemessen, sie seien nicht an die erworbenen Kompetenzen der zum Teil seit mehr als 20 Jahren praktizierenden Hebammen angepasst. "Sollte es bei diesen Vorgaben bleiben, wird das den Mangel noch verschärfen", warnt Altmann.
Dreh- und Angelpunkt ist das Bremische Hochschulgesetz: Danach wird eine Ausbildung, die außerhalb des Hochschulbereichs erworben wurde, zu maximal 50 Prozent auf einen Studiengang angerechnet. "Der Zeitaufwand liegt damit bei drei- bis viereinhalb Jahren, 25 Prozent der befragten Hebammen würden dafür ihre Tätigkeit reduzieren. Die wären dann raus aus der Versorgung", prophezeit Altmann. Schon jetzt fehlten in den Kreißsälen 16 Vollzeitstellen, plus zehn weitere in freiberuflicher Tätigkeit. Die meisten Hebammen arbeiteten ohnehin bereits in Teilzeit.
Der Vorschlag des Hebammenverbandes: Das Gesetz könnte für eine Übergangsphase dahingehend geändert werden, dass die vorherige Berufsausbildung zu 75 Prozent anerkannt wird. Die dem Bremischen Hochschulgesetz zugrunde liegenden Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) aus den Jahren 2002 und 2008 seien rechtlich nicht bindend.
Auch die Grünen warnen vor Versorgungsengpässen, wirtschaftlichen Einbußen für die Hebammen durch das lange Nebenstudium – die Fraktion fordert eine Anrechnung der Ausbildung zu 75 Prozent auf ein Bachelor-Studium. "Die Hebammen sollten nur die Module machen müssen, die unbedingt erforderlich sind. Und das ebenso gebührenfrei, wie dies bei Studienanfängerinnen der Fall ist", fordert die wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Solveig Eschen. Statt eines "Beharrens auf den KMK-Beschlüssen, könnte Bremen Vorreiter sein und andere Länder unterstützen, ähnliche Regelungen vorzunehmen", so die Abgeordnete. Die Fraktion hat für weitere Beratungen mit den Koalitionspartnern SPD und Linke ein Positionspapier beschlossen, in dem sie die bisher von der KMK vorgesehene Anrechnung von 50 Prozent ablehnt.
"Betroffen davon sind vor allem auch die 20 Schülerinnen eines Kurses nach dem früheren Modell an der Hebammenschule Bremerhaven", betont Eschen. Die Schule sollte eigentlich längst geschlossen sein. Weil die studierten Hebammen aber erst 2024 die Hochschule verlassen, wurde der Kurs 2019 eingeschoben – um den akuten Mangel nicht noch weiter zu verschärfen. Diese Schülerinnen starten in diesem Jahr ebenfalls ohne Studium in den Beruf.
An diesem Freitag gab es ein Treffen des Hebammenverbandes mit dem zuständigen SPD-geführten Wissenschaftsressort, auch die Gesundheitsbehörde war beteiligt. Ein konkretes Ergebnis gab es laut Altmann nicht. Das Wissenschaftsressort verweist auf die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und die bundeseinheitlichen Standards, die eine Anrechnung von bis zu 50 Prozent beinhalteten. "Die Beschlüsse der KMK sind für uns konstitutiv und bindend", sagt Senatorin Claudia Schilling (SPD) dem WESER-KURIER. Sie sicherten letztlich die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen in Deutschland. Unter Einhaltung dieser Mindeststandards sei ihre Behörde dabei, "ein gutes Modell" zu entwickeln, das derzeit mit allen Beteiligten abgestimmt werde.
Bei einem berufsbegleitenden Studium müsse sichergestellt werden, dass die altrechtlichen Hebammen nicht gezwungen seien, ihren Beruf zeitweise vollständig ruhen zu lassen, fordert Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Die Fähigkeiten und Kompetenzen der Hebammen mit Berufsausbildung müssten anerkannt und wertgeschätzt werden. "Diese Berufsgruppe ist enorm wichtig für unsere gesundheitliche Versorgung. Wir können es uns nicht leisten, auf sie zu verzichten", betont Bernhard. Sie sei sehr zuversichtlich, dass unter Federführung des Wissenschaftsressorts und in enger Abstimmung mit dem Hebammenlandesverband eine praktikable Lösung gefunden werden könne.