Eigentlich sollte am 31. August Schluss sein in der Neuwieder Straße in Tenever: Drei Jahre waren dort zuletzt wohnungslose Menschen in Wohncontainern untergebracht. Nun werden diese noch etwas länger stehenbleiben, denn dort sollen nach dem Willen des Sozialressorts geflüchtete Menschen aus Afghanistan eine vorübergehende und sichere Heimstatt finden.
Die Ortspolitik steht dem Ansinnen der Sozialbehörde offen gegenüber. Beiratssprecher Wolfgang Haase (SPD): "Grundsätzlich sind wir alle schockiert über die Bilder der vergangenen Wochen." Es sei klar gewesen, dass die Menschen rausgeholt werden mussten. "In dieser Situation hat der gesamte Beirat, alle Fraktionen, gesagt, dass wir den Menschen helfen müssen." Klar sei aber auch, dass man auf die Nachbarschaft zugehen müsse. "Möglicherweise entstehen da Ängste und Sorgen und die Frage, wer da kommt", sagt der Beiratssprecher.
Haase sieht Tenever strukturell insgesamt gut für die Aufgabe gerüstet. "Tenever hat eine hervorragende Infrastruktur und ich denke die Träger, wie das Mütterzentrum und die Kitas und Schulen, werden wieder schnell aufgestellt sein", sagt Haase mit Blick auf die Unterstützung von Geflüchteten nach 2015 im Ortsteil. "Aber die Schul- und Kitaversorgung können wir beispielsweise erst in Angriff nehmen, wenn wir wissen, wie viele Familien kommen." Von ganz großen Zahlen gehe er allerdings nicht aus.
Haase geht von einem eher kurzen Aufenthalt der Geflüchteten im Ortsteil aus. "Wenn tatsächlich Ortskräfte mit ihren Familien kommen, werden sie auch nicht das normale Asylverfahren durchlaufen und nur kurz dort wohnen." Er rechne mit einem halben bis einem Jahr, bis die Unterkunft an der Neuwieder Straße wieder geschlossen werden könne.
Ortskräfte warten auf Ausreise
Genaue Zahlen zu den Ortskräften, die für die deutschen Streitkräfte beispielsweise als Dolmetscher gearbeitet haben, kann auf Anfrage das Sozialressort noch nicht nennen. "Ob und wie viele der aus Kabul evakuierten Ortskräfte darunter sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab", sagt Wolf Krämer, Sprecher des Sozialressorts. Zum einen liege es daran, dass man noch nicht wisse, wie viele dieser Personen tatsächlich nach Bremen kämen. Diese Entscheidung falle im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Zum anderen hänge das auch mit der Struktur der Unterkunft zusammen. "Die Wohneinheiten in der Neuwieder Straße sind für zwei Personen ausgelegt und damit für Paare oder Mütter mit Kind geeignet", so Krämer. Größere Familien mit Kindern könnten dort eher nicht untergebracht werden. Kurzfristig können laut Sozialressort 68 Menschen in der Neuwieder Straße eine Unterkunft finden, ab Ende September 116.
Ob tatsächlich unter den künftigen Bewohnern Ortskräfte der Bundeswehr sind, ist also ungewiss. Bisher sind 49 afghanische Flüchtlinge in Bremen angekommen, bis zu 150 Menschen möchte Bremen eine Unterkunft bieten. Nach Angaben mehrerer deutscher Medien sind unter den bisher Geretteten bisher nur wenige Ortskräfte gewesen. Zahlreiche ehemalige Beschäftigte der Deutschen Bundeswehr harren demnach mit ihren Familien in Afghanistan aus.
Die künftigen Bewohner sollen laut Sozialressort möglichst kurz in den Containern leben. "Unser Ziel ist immer, dass Geflüchtete so schnell wie möglich in eigene Wohnungen umziehen können", so Krämer. Für die Neuwieder Straße sei vereinbart, dass die Nutzung bis Mai 2022 verlängert und die Container danach abgebaut würden.
In den Containern waren vor ihrer Nutzung als Unterkunft für Wohnungslose schon einmal Flüchtlinge untergebracht und das in einem Ortsteil, der nach Angaben des Statistischen Landesamtes Bremen einen Migrationsanteil von über 61 Prozent aufweist und dessen Bewohner eher zu den sozial benachteiligten Menschen in Bremen gehören. Der Anteil von Menschen, die Sozialleistungen beziehen, liegt demnach bei 35,4 Prozent. Größeren Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gab es im Gegensatz zu anderen, besser bestellten Stadtteilen nicht.
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne): "Ich danke dem Beirat und dem Ortsamt, dass wir das Gelände befristet weiter nutzen dürfen, denn wir brauchen jetzt kurzfristig mehr Platz." Die befristete Weiternutzung des Geländes werde einer Weiterentwicklung des Geländes und dem Supermarkt nicht im Wege stehen.
Dass die Bewohner Tenevers mit der Integration von Neuankömmlingen im Stadtteil geübt seien, betont Quartiersmanagerin Katrin Höpker. "Eigentlich heißen Menschen aus Tenever immer Menschen in Not willkommen." Der Ortsteil habe alle Einrichtungen vor Ort. "Und es ist ja nur eine befristete Unterbringung", ergänzt Höpker. Dennoch müssten die weiteren Rahmenbedingungen stimmen. "Es darf also keine Verzögerungen beim Nordquartier geben."
Die Gewoba plant auf dem Grundstück, dessen Eigentümerin sie ist, das sogenannte Nordquartier. Teil des Vorhabens ist der Bau eines Supermarktes, auf den Bevölkerung, Beirat, Ortsamt und Quartiersmanagement seit der Schließung des letzten Supermarktes in Tenever schon lange drängen.