Den Worten sollen nun Taten folgen: In der jüngsten Sitzung des Beirats Osterholz haben Vertreter der Eigentümergesellschaft des im vergangenen Jahr durch einen Brand beschädigten Gebäudes Neuwieder Straße 3 die Pläne für die Sanierung vorgestellt. Die Osterholzer Stadtteilpolitiker haben angekündigt, das Unternehmen beim Wort zu nehmen und genau hinzuschauen. Auf die Mieter kommen durch die Modernisierung voraussichtlich Mieterhöhungen zu.
Vor Ort ist noch nicht viel zu erkennen, aber die Vorbereitungen für die Sanierungen laufen. Ein Gerüst soll noch im Laufe des Frühjahrs bis zum 15. Stockwerk wachsen. Damit würde es die Schäden in der Fassade verdecken, die in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen zu Absperrungen rund um das Gebäude geführt hatten. Teile der Betonfassade lösten sich und stürzten zu Boden. Den Grund für diese Schäden erklärte Bastian Rembges von der ZBVV (Zentrale Boden Vermietung und Verwaltung GmbH), die im Auftrag der Eigentümerin ZBI (Zentrale Boden Immobilien Gruppe) das Gebäude verwaltet. „Der Beton ist, wie bei vielen Gebäuden aus der Zeit, karbonisiert. Dadurch dringt Feuchtigkeit ein und lässt das Eisen rosten.“ Durch die Oxidation von Eisen wächst Rost, dadurch wird der Beton abgesprengt. „Die Sanierung der Fassade wird sehr aufwendig“, sagte Rembges. Schadhafte Stellen würde ausgetauscht und aufgefüllt.
Bei den Laubengängen des 1973 errichteten Gebäudes lohnt sich dagegen keine Sanierung des Betons. „Da tauschen wir die Beton-Fertigteile als Ganzes aus“, so Rembges. Da das Aufstellen des Gerüsts sehr teuer sei, habe man sich auch entschieden, im Zuge der Ausbesserungsarbeiten an der Fassade eine Dämmung anzubringen. „In einem höheren Standard als gefordert“, kündigte Rembges an. Konkret wird dies eine Dämmung nach dem Standard der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sein.
Etwaige Fragen nach der Brandsicherheit des Dämmstoffes – im vergangenen Jahr wurde die Fassade des Gebäudes durch einen Brand beschädigt – zerstreute Rembges. „Wir nutzen eine 16 Zentimeter dicke mineralische Dämmung aus Steinwolle, ein Großbrand wie in London kann nicht passieren.“
2017 war in der britischen Hauptstadt ein Wohngebäude aus den 70er-Jahren in Brand geraten, dessen Außenfassade mit Kunststoff gedämmt worden war. Das Feuer breitete sich schnell aus, 17 Bewohner starben.
Ebenfalls, wenn auch weniger stark, im Sanierungskonzept enthalten: eine Dämmung des Daches. „Für die Dämmung ist dann die Heizungsanlage überdimensioniert“, schätzte Rembges die Maßnahmen ein. „Deswegen werden wir die Heizungsanlage optimieren und beispielsweise die Vorlauftemperatur niedriger einstellen können.“ Insgesamt bedeuten die Maßnahmen voraussichtlich eine Einsparung von Heizkosten für die Mieter.
Saniert werden außerdem die Fahrstuhlschächte und die Steuerung der Fahrstühle, die künftig intelligenter die Geschosse anfahren sollen. Rembges schätzt, dass durch Sanierung etwa 49 Prozent Energie und 48 Prozent CO2 eingespart werden können. Teil des Sanierungskonzepts ist außerdem eine Kameraüberwachung der öffentlichen Bereiche. Mieter hatten sich in der Vergangenheit über Vandalismus, Einbrüche und Drogengeschäfte in dem Gebäude beklagt.
Mieterhöhung wahrscheinlich
Ohne Kehrseite bleiben die Maßnahmen für die Mieter nicht. In der Regel werden die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen auf die Mieter umgelegt. „Wie teuer wird die Sanierung für die Mieter, besonders für die, die Arbeitslosengeld II beziehen?“, wollte Quartiersmanagerin Katrin Höpker wissen. „Neuen Wohnungen zu finden, wird schwierig bei dem zurzeit fehlenden bezahlbaren Wohnraum“, fügte sie hinzu. Verbesserungsbedarf sah die Quartiersmanagerin außerdem bei der Kommunikation mit den Mietern. „Die Verlässlichkeit vor Ort ist noch nicht so gegeben“, so Höpker. Positiv hingegen sei, dass sich die Sicherheitslage durch den Sicherheitsdienst verbessert habe.
Noch habe man nicht geschaut, wie sich die Sanierung auf die Miete auswirken werde, sagte Hannah Büchner von der ZBI, die das Gebäude 2019 gekauft hatte. „Die Mieterhöhungen werden im gesetzlichen Rahmen sein und ich hoffe, dass das Jobcenter diese mitträgt.“ Zum Hintergrund: Das Jobcenter bezahlt nur einen bestimmten Betrag an Mietkosten für Menschen, denen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zustehen. „Durch die Bundes-Förderung werden aber die Kosten minimiert“, ergänzte Büchner.
Mieterin Heike Groth wollte wissen, ob die Wohnungen saniert werden. „Die sind auch aus den 70er-Jahren.“ Diese würden nicht saniert, so Büchner. Mängel würden aber nach einer Begutachtung beseitigt. Sanierungen stünden dann an, wenn Mieter aus- und neue einzögen.
Bis Ende 2022 sollen geschätzte 3,4 Millionen Euro in die Sanierung des Gebäudes fließen. Bis dahin soll auch die Dachsanierung abgeschlossen sein, 2022 soll dann die Fassadensanierung folgen.
Im Beirat trafen die Pläne weitgehend auf Wohlwollen. Dennoch klang auch Skepsis im Unterton mit. „Wir sind positiv überrascht, dass wohl etwas Bewegung in die Neuwieder Straße kommt“, sagte Beiratssprecher Wolfgang Haase (SPD). „Aber wir haben auch beobachtet, dass seit zwei Jahrzehnten zugesagte Dinge nicht umgesetzt wurden.“ Der Beirat sei gespannt, wie die Dinge umgesetzt werden und ob es beim Zeitplan bleibe. Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter ergänzte: „Wir bleiben dran.“
Wärmedämmung in der Kritik
Zur Dämmung von Fassaden werden häufig Platten aus Polystyrol verwendet. Ausgangsmaterial ist Styrol, das wiederum aus Erdöl gemacht wird. Polystyrol als Dämmmaterial wird mit CO2 oder anderen Mitteln aufgeschäumt. Bekannt ist sogenanntes expandiertes Polystyrol (EPS) auch unter dem Markennamen Styropor. Der Vorteil des Stoffes: Er hat gute Dämmeigenschaften und ist sehr leicht. Der Nachteil: Er ist entflammbar, Lösungsmitteln gegenüber nicht widerstandsfähig und empfindlich gegenüber ultraviolettem Licht. Für den Einbau als Dämmstoff werden Polystyrol-Platten mit Brandschutzmitteln behandelt, die wiederum in der Kritik stehen. Alternativen sind Dämmmatten aus Steinwolle, Schaumglas oder Holz- und Kokosfasern sowie Zellulose. Die natürlichen Materialien werden vor allem bei der Innendämmung verwendet.