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Die Standhaften in Bremen Wie Jutta Steeg ihre Bestimmung in einem Tante-Emma-Laden gefunden hat

In ihrem ungewöhnlich eingerichteten Tante-Emma-Laden bietet Jutta Steeg das Nötigste für den Alltagsbedarf. Die Inhaberin und viele Kunden schätzen das persönliche Wort.
10.04.2025, 05:00 Uhr
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Wie Jutta Steeg ihre Bestimmung in einem Tante-Emma-Laden gefunden hat
Von Ulrike Troue

Der kleine Postschalter ist ein verlässlicher Frequenzbringer an diesem Vormittag. Aufgegebene oder zur Abholung bereit liegende Päckchen und Pakete stapeln sich vorm Verkaufspult, auf Regalen und Kühlschränken. Fast jeden zweiten Kunden führt eine Post-Dienstleistung in den Tante-Emma-Laden an der Georg-Gröning-Straße, dem Jutta Steeg durch ihren Führungsstil, ihr Angebot zur Grundversorgung und die Einrichtung mit "Lieblingsstücken" besonderen Charme verleiht.

Bei der Bedienung des älteren Herrn mit Pudelmütze, der ein einzelnes Kuvert kauft, führt die Ladeninhaberin einen kurzen Plausch herbei. Dass sie der Kundin, die nur ein Paket abholen möchte, den Karton zum Wagen vor der Tür trägt, ist für Steeg selbstverständlich. "Ich hätte es auch nach Hause gebracht", versichert die freundlich und ruhig wirkende Chefin, die in Otterstedt lebt und auf dem Weg zum Laden gleich frische Backwaren einkauft.

Für wartende Kundschaft, die ungeduldig die Augen verdreht, weil sich Jutta Steeg für alle Zeit nimmt, ist ihr Mini-Supermarkt die falsche Adresse. „Mir bedeutet es etwas, wenn ich irgendwo hingehe, wo ich weiß, da werde ich erkannt und kann ein paar Worte wechseln“, sagt die 64-Jährige. Seit 2011 behauptet sich ihr Tante-Emma-Laden erfolgreich gegen Discounter und Supermärkte.

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Ursprünglich habe sie von einem eigenen Café geträumt, schildert Steeg. Wegen der Investitionskosten ist die Mutter von vier erwachsenen Kindern auf das Nahversorgungsgeschäft umgeschwenkt, nachdem sie aus der Zeitung vom Leerstand in Schwachhausen erfahren hatte. "Hier waren vorher auch Lebensmittel drin", erinnert sie sich.

In ihrem Tante-Emma-Laden hat Jutta Steeg ihre Bestimmung gefunden. Obwohl er sechs lange Arbeitstage mit sich bringt, weil sie den Laden in der Regel von 7.30 bis 20 Uhr öffnet. Nur sonntags ist geschlossen. Darüber hinaus kauft sie alle Produkte für den Verkauf selbst ein, versieht sie mit handgeschriebenen Preisetiketten und füllt die Regale. Nur eine Aushilfe geht ihr zeitweilig zur Hand.

"Wer Geld verdienen will, muss etwas anderes machen", erklärt Steeg. "Man gibt einfach mehr und anders", beschreibt sie das "schöne offene und ehrliche Miteinander" mit ihren Kunden. "Man kann hier auch noch mit Geldstücken zahlen." Das persönliche Gespräch, über den reinen Geschäftskontakt hinaus, liegt der Einzelhändlerin besonders am Herzen – und passt zu dem ungewöhnlichen kleinen Laden, der wie aus der Zeit gefallen wirkt.

Die Ansprüche haben sich verändert.
Jutta Steeg

Mit dem Bimmeln der Türglocke über der Eingangstür des Altbremer Hauses betritt man eine andere Welt. Auf den ersten Blick wirkt sie wie ein uriges Kuddelmuddel aus Lebens- und Putzmitteln, Hygieneartikeln, Haushaltswaren, Getränken und Tageszeitungen. Denn Steeg breitet ihre Ware in und auf Gegenständen aus, die ihr persönlich etwas bedeuten.

Toilettenpapier, Windeln und Küchenrolle liegen auf ihrem alten Klavier. Der Karton mit Grußkarten steht auf dem ledernen Turnbarren-Deckel. Auch Bock und Sprungbrett daneben sind Zeugnisse ihrer langjährigen Übungsleitertätigkeit. Und im ehemaligen Wohnzimmerschrank ihrer Eltern hat sie unter anderem Weine, Kaffee, Knabbereien, Ravioli, Katzenfutter und Zahncreme einsortiert. Das Oberteil des Kinderkaufmannsladens dient nun als Zigarettenregal.

Wer die Übersicht verliert, darf Jutta Steeg gern ansprechen. „Sie können mich nachts wecken, ich weiß genau, wo sich was befindet“, erzählt die 64-Jährige schmunzelnd. Lediglich zwei Kühlschränke hat sie neu angeschafft – für Getränke, Tiefkühlwaren und frische Molkereiprodukte in Bioqualität. Darauf legt sie ebenso bei ihrer kleinen Auswahl an Obst und Gemüse größten Wert. Der dritte Neukauf war eine Kaffeemaschine, weil sie das Heißgetränk "to go" oder "to stay" anbieten wollte. Die Kreidetafel an der Wand macht darauf aufmerksam.

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Mit ihrem Angebot hat die Tante-Emma-Laden-Inhaberin schon manchem in Not geholfen. Doch nicht wenige Kunden aus der Nachbarschaft und dem Quartier kommen längst aus Verbundenheit oder Freundschaft vorbei und sprechen die Otterstedterin mit Vornamen an.

"Hallo Jutta, hast Du zufällig Fisch oder Teewurst?", fragt eine Stammkundin nach erfolgloser Suche und wundert sich über den Besuch der Journalistin, die interessiert, wie sie das Geschäft einordnen würde. "Nein, Kiosk bist Du nicht, Jutta", findet sie. "Du bist Tante-Emma-Laden". Eine andere ältere Dame möchte eine Frauenillustrierte zum Frisör mitnehmen. "Damit ich die zwei Stunden gut überstehe", wie sie der Chefin im vertrauten Plauderton verrät.

"Jeweils die junge Generation abzuholen ist nicht so einfach", räumt Steeg ein. "Die Ansprüche haben sich verändert." Eine riesige Auswahl kann sie nicht bieten, versucht aber, "von jedem etwas zu haben". Und für Kinder stehen Spielküche, Schaukelpferd, Fahrzeuge und mehr zum Spielen bereit.

Der Kunde habe die Macht und täglich die Wahl, sagt Jutta Steeg. Um kleine Läden zu unterstützen, müsste nicht viel, aber beständig dort eingekauft werden. "Solange es Spaß macht" möchte sie ihren Tante-Emma-Laden weiterführen. "Ich habe vieles aufgefangen, von traurig bis schön", erinnert sie sich lächelnd. Gerade erst hat sie ein persönliches Geschenk als Dank ihre Fürsorge erhalten.

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