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KSA-Schüler fragen Politiker Wie demokratisch ist eine Dienstpflicht?

Die Schüler der Kurt-Schumacher-Allee haben mit Bundestagsabgeordneten über die mögliche Einführung einer Dienstpflicht diskutiert. Einig waren sich die Parteivertreter in einem Punkt.
19.06.2025, 05:00 Uhr
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Wie demokratisch ist eine Dienstpflicht?
Von Christian Hasemann

Nach Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Europa und in Deutschland die Diskussion eingesetzt, wie wehrhaft die demokratischen Staaten sind und ob sie sich im Ernstfall verteidigen könnten. Diskutiert wird auch über die Einführung eines Pflichtdienstes für alle jungen Erwachsenen. In der Oberschule Kurt-Schumacher-Allee haben nun die, die es betreffen würde, und diejenigen, die politisch verantwortlich sind, über die Frage der Einführung einer Dienstpflicht diskutiert.

Die Erde ist kein friedlicher Ort

Für eine Dienstpflicht setzt sich der Bremer Bundestagsabgeordnete Thomas Röwekamp (CDU) ein, der als einer von vier Politikern von den Schülern der Oberschule Kurt-Schumacher-Allee zur zweiten Runde der "Werkstatt der Mutigen", einem Projekt aus Berlin, das in Bremen vom Verein Lichtgrenze organisiert wird, eingeladen worden war. Thema: "Nach dem Abi: Dienstpflicht für alle?"

Neben Röwekamp saßen Doris Achelwilm (Linke), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Katarina Nuske (SPD). Auch wenn die Politiker unterschiedliche Haltungen zu einer Pflicht im Dienste der Gemeinschaft hatten, so einte sie gleichzeitig die Überzeugung darin, dass ein wie auch immer organisierter Dienst an der Gesellschaft positiv für die Gemeinschaft als auch den Dienstleistenden ist.

"Es ist etwas Gutes, die Erfahrung zu machen, etwas für andere zu tun", sagte Kappert-Gonther. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zielte damit auf die positiven Effekte ab, die ehrenamtliche oder gemeinnützige Arbeiten haben können. "Frieden und Freiheit sind akut bedroht, jeder sollte seinen Beitrag leisten, diese zu verteidigen", betonte dagegen Röwekamp.

Als einen reinen Wehrpflichtdienst wollte er eine mögliche Dienstpflicht nach dem Abi nicht verstehen. "Essenziell ist, dass die Demokratie wehrhaft ist und sich verteidigen kann, und das funktioniert nur, wenn es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gibt, ob beim Naturschutz, in der Pflege oder bei der Bundeswehr." Sprich: Dienstpflicht ja, aber junge Menschen sollen sich aussuchen dürfen, wo sie diesen Dienst ableisten.

Demokratien sollen sich verteidigen können

Dass Demokratien sich verteidigen können müssen, betonte auch Kappert-Gonther. "Wir müssen uns verteidigen können, die Welt ist nicht friedlicher geworden durch die Ereignisse von heute." Sie bezog sich dabei auf die Angriffe Israels auf iranische Nuklear- und Militärziele und die iranischen Raketenangriffe auf zivile Ziele in Israel. Eine Dienstpflicht lehnt die Grünen-Politikerin aber ab. "Wir haben nicht die Ressourcen, den aktuellen Freiwilligendienst jedem, der es möchte, anbieten zu können." Stattdessen forderte sie, die Bedingungen für den Freiwilligendienst zu verbessern.

Eine Position, die auch Achelwilm vertrat. "Aus der Bundeswehr selbst wird gesagt, dass keine Ausbildungskapazitäten vorhanden seien." Sie halte die Debatte über Kriegstüchtigkeit verfehlt. "Wir sollten mehr in Friedensdebatten kommen und wir müssen gucken, wie wir den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken." Katarina Nuske verwies auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU: "Mit uns wird es keine Dienstpflicht geben." Der Personalmangel bei der Bundeswehr und zivilen Bereiche könne nicht durch eine Dienstpflicht aufgefangen werden. "Die jungen Leute müssen auch betreut werden."

Eine Schülerin wollte von den Politikern wissen, wie demokratisch es sei, Menschen zu etwas zu verpflichten, was sie nicht wollten. Natürlich sei eine Verpflichtung eine Einschränkung, so Röwekamp. Von über 700.000 Schulabgängern würden aber nur 55.000 einen Freiwilligendienst machen und sich in den Dienst der Gesellschaft stellen. "Das finde ich nicht solidarisch und demokratisch." Auch Gonther erinnerte daran, dass das Leben in einer Gesellschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt. "Wir haben eine Schulpflicht und auch eine Steuerpflicht", nannte sie als Beispiele.

Gesellschaftliche Debatte gefordert

Die Schüler wollten außerdem wissen, ob so eine schwierige Frage nicht in einer Volksabstimmung geklärt werden solle. Die Parlamentarier zeigten sich in dieser Frage eher ablehnend. "Es gibt Dinge, wo Volksabstimmungen sinnvoll sind, aber es gibt Dinge, wo es Fachwissen braucht", so Nuske. Ob denn nicht nur die Betroffenen bestimmen dürften, wollte eine Schülerin im Anschluss wissen. "Ich glaube nicht, dass nur vermeintlich Betroffene wichtige Fragen entscheiden sollten, denn das wäre eine Verkürzung der gesellschaftlichen Debatte, aber die Betroffenen sollten gehört werden", so Achelwilm.

Deutschland wird zum kommenden Jahr voraussichtlich das sogenannte schwedische Modell einführen. Jeder 18-Jährige wird in Schweden, das als verteidigungswilliger als Deutschland gilt, angeschrieben, etwa ein Drittel zur Musterung eingeladen. Daraus wiederum werden annähernd 8000 Freiwillige einberufen. In Deutschland hat der Fragebogen keinen verpflichtenden Charakter, sondern eher einen werbenden.

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Info

Für Donnerstag, den 19. Juni, hat die Schule für die Reihe "KSA debattiert" Ulrich Brand von der Universität Wien eingeladen. Nach einem Impulsvortrag zu seinem neuen Buch "Kapitalismus am Limit" diskutieren Schülerinnen der gesamten Oberstufe zu aktuellen, sie unmittelbar betreffende Themen. Beginn ist um 12 Uhr.

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