„Jedes unserer Projekte entstand, weil wir seine Notwendigkeit gesehen haben“, sagt Saher Khanaqa-Kükelhahn, Psychotherapeutin und Gründerin des Vereins „Lichtgrenze Bremen“. Mit großem Engagement und einer bewundernswerten Energie setzt sich die Schwachhauserin seit vielen Jahren für Menschen ein, die Unterstützung beim Ankommen im Leben oder in einer neuen Heimat brauchen. Gemeinsam mit ihrem rund 50-köpfigen Team organisiert sie Beschäftigungsmaßnahmen und berufliche Qualifizierungsprogramme für Geflüchtete, arbeitet mit Kindern und Jugendlichen, bietet Sprachförderung an und therapiert in ihrer Praxis kriegstraumatisierte Menschen. Bislang wurden viele Angebote im Bürgerzentrum Neue Vahr gebündelt. Mit der Gründung des Vereins im August vergangenen Jahres können alle Projekte nun unter diesem Dach zusammengefasst und vernetzt werden.
Flexibler durch den Verein
Ein Schritt, der die Organisation flexibler macht. Denn wenn Saher Khanaqa-Kükelhahn etwas nicht kann, dann ist das still sitzen und abwarten. Fast täglich sprudeln neue Ideen aus ihr heraus. Ihr Zukunftswunsch: ein eigenes Haus, das dem Verein ermöglicht, noch gezielter und intensiver zu arbeiten.
Eines ihrer Herzensprojekte ist die Kultur-Kantine „Lichtgrenze“ im Bremer Theater am Goetheplatz, die man durch die Bühnenpforte auf der Rückseite des Theaters erreicht. Bereits vor Corona war die Kantine für die Allgemeinheit zugänglich, doch seitdem Khanaqa-Kükelhahn und ihr Team vor über einem Jahr eingezogen sind, ist sie zum beliebten Treffpunkt geworden. „Unser Mittagstisch wird richtig gut angenommen. Jeden Tag gibt es zwei Gerichte, eines davon vegan, dazu nachmittags Kuchen, und wer mag, kommt einfach nur auf einen Kaffee, Tee oder Wein vorbei. Vor allem aber ist die Kultur-Kantine eine Anlaufstelle für viele unserer Angebote geworden.“
Ein interkultureller Treffpunkt
Zweimal wöchentlich öffnet hier das Café Global seine Türen – ein interkultureller Treffpunkt für Geflüchtete, die gemeinsam ihre Deutschkenntnisse verbessern und sich austauschen können. Die Atmosphäre ist zwanglos, die Gespräche sind lebendig und alle profitieren nicht nur sprachlich, sondern auch sozial: Sie knüpfen Kontakte und gewinnen ein Stück mehr Sicherheit im Alltag. Darüber hinaus dient die Kultur-Kantine als Veranstaltungsort. „Wir verbinden hier Menschen aus unterschiedlichsten Hintergründen und schaffen eine Plattform, auf der Gemeinschaft entstehen kann“, beschreibt Khanaqa-Kükelhahn das Konzept. „Vor ein paar Tagen haben wir mit Jugendlichen eine vegane Bäckerei organisiert. Es finden aber ebenso die Proben unserer Theatergruppe 'The next Generation' statt. Links wird etwas abseits geprobt, während es sich die anderen Gäste oder die Angestellten des Theaters gemütlich machen. Es ist diese lockere, ungezwungene Atmosphäre, die unsere Kultur-Kantine so besonders macht. Manchmal entstehen durch solche Situationen die besten Gespräche.“
Theatergruppe als Sprungbrett ins Leben
Die Theatergruppe ist übrigens auch so ein Projekt, das ihr am Herzen liegt – wobei das eigentlich für alle gilt, wie sie lachend zugibt. Gegründet hat Saher Khanaqa-Kükelhahn die Gruppe 2009. Seitdem ist sie für viele Jugendliche ein Sprungbrett ins Leben geworden. Die jungen Menschen finden die Möglichkeit, sich auszuprobieren, Selbstbewusstsein und Perspektiven zu entwickeln. „Durch die Theaterarbeit erhalten sie emotionale Unterstützung. Wir geben ihnen einen sicheren Raum, aus dem sie geschützt herausgehen können.“ Die Projektleiterin ist sichtlich stolz: Alle bisherigen Mitglieder haben ihren Schulabschluss gemacht, und viele studieren heute oder stehen fest im Berufsleben. Regelmäßig sind einige Ehemalige bei den Proben dabei. „So verknüpfen wir Generationen“, freut sich Khanaqa-Kükelhahn. „Die Älteren sind echte Vorbilder. Sie zeigen den Jüngeren, dass es möglich ist, Herausforderungen zu meistern, und machen ihnen Mut.“
Sie will Mut machen
Mut zu machen ist sowieso eines der Talente der Vereinsgründerin. Unter den über 31 Angeboten sind verschiedene Beschäftigungsmaßnahmen, die sowohl in den Arbeitsmarkt als auch in die Gesellschaft Brücken bauen. Darunter das für das Arbeitsamt zertifizierte Programm „Zweitkraft in Schulen“ für Frauen mit Fluchterfahrung, die in ihren Heimatländern als Lehrerinnen oder Pädagoginnen gearbeitet haben. Nach einer dreimonatigen Einführungsphase durchlaufen die Teilnehmerinnen eine neunmonatige Praxisphase, in der sie in den Schulen eingesetzt werden. Einmal wöchentlich findet zudem ein Coaching statt.
„In Deutschland steht immer die Sprache an vorderster Stelle, aber wir setzen bei der Kompetenz an“, erklärt Khanaqa-Kükelhahn. „Die Geflüchteten werden zuallererst mit ihren Fähigkeiten wahrgenommen. Das gibt ihnen Selbstbewusstsein und erleichtert das Erlernen der Sprache.“ Es sei beeindruckend zu beobachten, wie schnell die Teilnehmerinnen sprachliche Fortschritte machten und sich im Lehrerzimmer als Teil des Teams zu Hause fühlten.
Eng mit der Vahr verbunden
Mit der Gründung des Vereins konnten die meisten Veranstaltungen und Programme nahtlos weitergeführt werden. Einige wenige pausieren derzeit wie das Upcycling-Projekt in der Berliner Freiheit. Ab Sommer 2025 soll der Laden im Einkaufszentrum in der Vahr wiedereröffnen. Geplant ist dort auch ein zweites Global Café. „Ich erhalte nach wie vor viel Unterstützung von der Gewoba und dem Ortsamt Vahr. Obwohl wir in ganz Bremen aktiv sind und in allen Stadtteilen Räume angemietet haben, sind wir besonders eng mit der Vahr verbunden.“ Eine enge Kooperation bestehe beispielsweise mit der Schule an der Kurt-Schumacher-Allee. Dadurch könne man viele Angebote für Kinder und Jugendliche direkt im Stadtteil verankern.
Ohne ihr engagiertes Team sei all das undenkbar, betont Saher Khanaqa-Kükelhahn. „Ich arbeite mit großartigen Menschen zusammen, die mit viel Leidenschaft und oft weit über das normale Maß hinaus tätig sind. Unsere enge und fantastische Zusammenarbeit füllt jedes Projekt mit Leben. Ich bin unheimlich stolz auf das, was wir bislang gemeinsam geschafft haben.“ Die Aktivitäten des Vereins noch auszubauen, ist für sie ein zentraler Antrieb. Ihr Ziel bleibt dabei klar: „Wir wollen weiter Brücken bauen und Menschen helfen, ihren Platz zu finden. Denn Gemeinschaft entsteht nur, wenn jeder die Chance hat, mitzumachen.“